TE UVS Steiermark 2002/06/18 30.12-23/2002

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Veröffentlicht am 18.06.2002
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufung des Herrn K L, vertreten durch die Rechtsanwaltspartnerschaft W & K, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 20.2.2002, GZ.: 15. 1 1952/2001, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird die Berufung mit der Bestimmung abgewiesen, dass die Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen auf 10 Stunden herabgesetzt wird.

Der Spruch des Straferkenntnisses wird wie folgt ergänzt:

Es wird ausgesprochen, dass der Beschuldigte die Übertretung als verantwortlicher Beauftragter der J A F AG, Filiale L, zu verantworten hat. Die verletzten Rechtsvorschriften lauten:

§ 7 Abs 1 lit b iVm § 8 lit g iVm § 74 Abs 2 Z 1 Lebensmittelgesetz 1975 - LMG 1975. Der übrige Spruch bliebt unverändert.

Text

Laut Spruch des Straferkenntnisses hat es der Beschuldigte als Stockleiter der Firma A J, F AG, L, zu verantworten, dass am 21.2.2001 um 8.45 Uhr im angeführten Betrieb die Ware Pizza Prosciutto zum Verkauf angeboten und in Verkehr gebracht wurde, obwohl sie laut Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Graz vom 6.4.2001 nach den Bestimmungen des § 8 lit g LMG als wertgemindert zu beurteilen war und als solche dem Verbot des Inverkehrbringens gemäß § 7 Abs 1 lit b LMG unterlag.

Laut Gutachten war das "äußere Aussehen" merklich abweichend, da der Schinkenanteil grau verfärbt war.

Dadurch wurde laut Straferkenntnis § 7 Abs 1 iVm § 8 lit g LMG verletzt. Nach § 74 Abs 2 Z 1 LMG verhängte die erste Instanz eine Geldstrafe von ? 145,-- (für den Uneinbringlichkeitsfall 2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe). Weiters wurde dem Beschuldigten nach § 45 Abs 2 LMG der Ersatz der Untersuchungskosten in Höhe von ? 51,96 auferlegt.

Der Beschuldigte bekämpfte das Straferkenntnis durch seine Vertreter dem gesamten Umfang nach wegen unrichtiger rechtlicher Überlegungen, unvollständigen Tatsachenfeststellungen und Mangelhaftigkeit. Nach dem weiteren Vorbringen handelte es sich beim gegenständlichen Produkt um eine Original verpackte Wareneinheit, die fertig verpackt und etikettiert in die Filiale kam und vom Beschuldigten nur in die Verkaufskühlvitrine geschlichtet und bei entsprechenden Temperaturen feil gehalten wurde. Er hat das gegenständliche Produkt selbst verkostet und konnte dabei feststellen, dass die Ware geruchlich und geschmacklich einwandfrei war, obwohl sie einen leichten Grauton im Bereich des Schinkens aufwies. Daher hatte er keine Veranlassung, das Produkt außer Verkehr zu setzen. Auch der Befund des Anzeigegutachtens bestätigt, dass die Ware vor allem geruchlich unauffällig war und daher seines Erachtens keine Wertminderung eingetreten ist. Die Ware ist nach Angabe auf der Packung mehrere Tage haltbar. Bei aufgeschnittenem Schinken kann es durch Lichteinfluss, aber auch durch Einwirkung von Luftsauerstoff dazu kommen, dass sich die ursprüngliche Farbe des Produktes verändert, ohne dass dies einen Qualitätsmangel darstellen würde. Überdies ist das Produkt vor dem Verzehr entsprechend der Gebrauchsanweisung zu erhitzen, sodass auch dadurch eine farbliche Veränderung der verwendeten Zutat eintritt, ohne dass die Warenqualität leidet. Die Ware war organoleptisch unauffällig und daher voll und ganz genusstauglich. Eine Wertminderung stellt beispielsweise die Verminderung der Triebkraft von Hefe bzw Backpulver dar. Daher ist seines Erachtens eine Verfärbung nicht unter § 8 lit g LMG zu subsumieren. Nach Ansicht des Beschuldigten fehlt bereits die objektive Tatbestandsverwirklichung, ein subjektives Fehlverhalten könne ihm keinesfalls vorgeworfen werden. Er stellte den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung und Aufhebung des Straferkenntnisses. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark teilte dem Berufungswerber zu Handen seiner Vertreter mit Schreiben vom 27.3.2002 mit, er beabsichtige sich auf das amtliche Untersuchungszeugnis der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Graz vom 6.4.2001 zu stützen. Der Berufungswerber wurde weiter aufgefordert, binnen 14 Tagen Beweisanträge zu stellen, da er das bisher nicht getan habe. Auch wurde der Berufungswerber darauf hingewiesen, dass es ihm frei stehe das amtliche Untersuchungszeugnis der Balmu Graz durch ein Gegengutachten zu entkräften. Da der Beschuldigte auf das Schreiben nicht reagierte, beraumte der Unabhängige Verwaltungssenat eine Berufungsverhandlung für 18.6.2002 an und vernahm bei diesem Termin den Berufungswerber als Partei. Auf Grund der Beweisergebnisse gelangt die Berufungsbehörde zu folgenden Feststellungen: Der Berufungswerber ist Filialleiter der J A, F AG, L, und verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung des Lebensmittelgesetzes. In diesem Betrieb wurde am 21.2.2001 Pizza Prosciutto zum Verkauf angeboten, obwohl der Schinken (Prosciutto) grau verfärbt war. Diese Pizza wurde in I für die B AG erzeugt und auf Bestellung des Berufungswerbers von der Firma W in W i L, einem Geflügelfleischerzeugungsbetrieb, in einer Packung zu 6 Stück gekühlt Anfang Feber 2001 angeliefert. Am 21.2.2001, als H-P B, Fachabteilung für das Gesundheitswesen, Lebensmittelaufsicht, des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung eine Kontrolle vornahm, war noch ein Stück des Erzeugnisses vorhanden. Der Berufungswerber bestellt Pizzen vom Chefmenü jeweils so nach, wie dies der Verkauf erforderlich macht. Die bestellte Ware langt zwei Arbeitstage nach der Bestellung in der Filiale ein. Dann räumt der Berufungswerber selbst die neue Ware in das Selbstbedienungsregal und kontrolliert dabei bei der neuen Ware und bei der noch im Selbstbedienungsregal befindlichen (alten) Ware das Ablaufdatum, er achtet dabei aber nicht auf das Aussehen der Produkte. Der Sachverhalt ergibt sich in Bezug auf die Kontrolle und das Bezugsdatum aus dem Probenbegleitschreiben, in Bezug auf die Grauverfärbung des Schinkens aus dem Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Graz und dem beigeschlossenen Farbfoto und hinsichtlich der Feststellungen zum Filialbetrieb und der Kontrollmaßnahmen aus der Aussage des Berufungswerbers. Der Beweisantrag auf Vernehmung von DI B von der Lebensmitteluntersuchungsanstalt zum Beweis dafür, dass der Schinken bei Anlieferung nicht verfärbt war, war zurückzuweisen, da dies nicht Gegenstand des Verfahren ist und der Zeuge darüber hinaus zu diesem Beweisthema keine Angaben machen kann. Rechtliche Beurteilung: Nach § 7 Abs 1 lit b LMG ist es unter anderem verboten, Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe in Verkehr zu bringen, die wertgemindert sind, ohne dass dieser Umstand deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist. Nach § 8 lit g sind Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe wertgemindert, wenn sie nach der Herstellung, ohne dass eine weitere Behandlung erfolgt ist, eine erhebliche Minderung an wertbestimmenden Bestandteilen oder ihrer spezifischen, wertbestimmenden Wirkung oder Eigenschaft erfahren haben, soweit nicht Verdorbenheit vorliegt. Nach § 74 Abs 2 Z 1 LMG in der zur Tatzeit geltenden Fassung macht sich, sofern die Tat nicht nach den §§ 56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis S 100.000,-- zu bestrafen, wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, die unter anderem wertgemindert sind, wenn dieser Umstand nicht deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist oder wenn sie auch mit einer solchen Kenntlichmachung nicht in Verkehr gebracht werden dürfen (§ 7 Abs 2), in Verkehr bringt. Neben dem Geruch, dem Geschmack und der Konsistenz bildet das Aussehen eines Lebensmittels eine wertbestimmende Eigenschaft: Bei Pizza Prosciutto handelt es sich um ein Lebensmittel, bei dem der Prosciutto namensgebend ist und einen wertbestimmenden Bestandteil bildet. Vor allem aber ist die Farbe des Schinkens eine wertbestimmende Eigenschaft, daher ist die Pizza zu Folge ihrer Verfärbung trotz unauffälliger Konsistenz und unauffälligen Geruchs (der Geschmack wurde nicht geprüft) als wertgemindert zu bezeichnen. Entgegen dem Vorbringen im Schlusswort bedarf es keiner Erhebung der Verbrauchererwartung, und dass die Pizza genusstauglich war, spricht nicht gegen eine Wertminderung. Der Berufungswerber bot in der von ihm geleiteten Filiale am 21.2.2001 eine solche Pizza mit grauem Schinken zum Verkauf an und brachte sie damit in Verkehr. Da der Beschuldigte die Pizza Prosciutto am 21.2.2001 entgegen § 7 Abs 1 lit b und § 8 lit g sowie § 74 Abs 2 Z 1 LMG in Verkehr brachte, verstieß er gegen die angeführten Bestimmungen und hat somit als verantwortlicher Beauftragter hiefür zu haften. Bei der gegenständlichen Übertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinn des § 5 Abs 1 VStG, bei dem Fahrlässigkeit unterstellt wird, so lange der Beschuldigte nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der §§ 7, 8 und 74 kein Verschulden trifft. In der Berufung wurde erkennbarer Weise der Sachverhalt unter dem Aspekt des Verschuldens nicht dargestellt, da der Beschuldigte schon den objektiven Tatbestand nicht als erwiesen annahm. Bei der Berufungsverhandlung bracht der Vertreter des Berufungswerbers diesbezüglich vor: Die Ware habe sich drei Tage nach Anlieferung verfärbt, sie sei vom Beschuldigten auf das Ablaufdatum und die Kühltemperatur kontrolliert worden, eine Kontrolle des optischen Zustandes bedeute eine Überspannung der Pflichten. Wie die Sachverhaltsschilderung zeigt, kontrollierte der Berufungswerber bei Einlangen einer Neulieferung von jeweils 6 Pizzen das Ablaufdatum beim Altbestand und bei den neuen Waren. Die nächste Kontrolle war abhängig von der nächsten Lieferung und diese von den Verkaufszahlen, das heißt die Prüfintervalle richteten sich nach Umständen, die sachbezogen keine Bedeutung hatten. Denn ging der Verkauf beispielsweise schlecht und wurden keine neuen Pizzen bestellt, dann konnten die Prüfintervalle so groß werden, dass farbliche Veränderungen nicht festgestellt werden konnten. Im Übrigen verließ sich der Beschuldigte auf das Ablaufdatum, da er mit dessen Kontrolle seine Pflicht als erfüllt ansah. Daher gelang es dem Beschuldigten nicht, glaubhaft zu machen, dass ihn kein Verschulden trifft, denn seine Kontrollen folgten keinem System, welches sich an der Verhinderung einer Wertminderung orientiert hätte. Strafbemessung: Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Es stellt eine Verletzung öffentlicher Interessen dar, wenn in einem Lebensmittelgeschäft eine Ware zum Verkauf angeboten wird, die stark verfärbt ist, und zwar um so mehr, wenn es sich hiebei um einen namensgebenden Bestandteil handelt. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Entgegen den Ausführungen im Straferkenntnis ist eine einschlägige Vorstrafe (Verletzung des § 20 LMG) erschwerend, mildernd ist nichts. Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse: Monatliches Nettoeinkommen ? 1.359,--, Vermögen: 2 PKW, VW Passat Kombi, Baujahr 1989 und Baujahr 1996, ein gebrauchter Traktor Steyr 540 Sorgepflichten: für zwei Kinder, Gattin teilzeitbeschäftigt Keine Schulden. Da der Strafrahmen bis ? 7.260,-- reicht, stellt eine Geldstrafe von ? 145,-- eine sehr niedere Bestrafung dar, die durch den Unrechtsgehalt und das Verschulden aber auch zum Zweck der Erzielung einer abschreckenden Wirkung gerechtfertigt ist. Nach § 16 Abs 1 VStG ist, wenn eine Geldstrafe verhängt wird, zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen. Nach Abs 2 darf die Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als 6 Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen. Da die erste Instanz die Ersatzfreiheitsstrafe mit 2 Tagen nicht den Regeln der Strafbemessung entsprechend bemaß, ist sie auf 10 Stunden herabzusetzen. Im Spruch ist nachzutragen, dass der Beschuldigte als verantwortlicher Beauftragter haftet und die verletzten Rechtsvorschriften waren zu ergänzen. Somit ist die Berufung abzuweisen, nur dass die Ersatzfreiheitsstrafe herabzusetzen ist.

Schlagworte
Wertminderung Kennzeichnungspflicht Prosciutto Schinken Graufärbung Pizza
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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