Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Wilfert über die Berufung 1.) des Herrn Ing Karl P, und 2.) die U-GesmbH, vertreten durch Ing Karl P, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 17.12.2001, MA 67-RV-408925/1/7, mit dem der Einspruch der U-GesmbH gegen die Strafverfügung vom 30.10.2001, Zahl MA 67-RV-408925/1/7, als unzulässig zurückgewiesen wurde, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben und wird der angefochtene Bescheid behoben.
1. Mit Strafverfügung des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 30.10.2001, Zahl MA 67-RV- 409825/1/7, wurde Herr Ing Karl P als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der Zulassungsbesitzerin des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen W-19, der U-GmbH, dafür bestraft, dass er dem schriftlichen Verlangen der Behörde vom 2.7.2001, bekannt zu geben, wer das gegenständliche Fahrzeug am 24.4.2001, um 22.15 Uhr, in Wien, R-gasse abgestellt hat, nicht entsprochen hat und er somit eine Verwaltungsübertretung gemäß § 134 KFG iVm § 103 Abs 2 KFG und § 9 Abs 1 VStG begangen hat.
Gegen diese Strafverfügung hat die U-GmbH mit Schriftsatz vom 19.11.2001 Einspruch erhoben.
Mit dem nunmehr mit Berufung bekämpften Bescheid vom 17.12.2001 hat die erstinstanzliche Behörde diesen Einspruch als unzulässig zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die angefochtene Strafverfügung sei ausdrücklich an Herrn Karl P als Beschuldigten gerichtet. Der vorliegende Einspruch sei der U-GesmbH zuzurechnen, diese sei jedoch zur Einbringung eines Einspruches nicht berechtigt. Gemäß § 49 Abs 1 VStG könne der Beschuldigte gegen eine Strafverfügung Einspruch erheben, Beschuldigter sei aber nur die in der Strafverfügung als solche bezeichnete Person.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende als Einspruch bezeichnete Berufung vom 28.1.2002, in welcher die Berufungswerber im Wesentlichen vorbringen, der Einspruch sei sowohl Herrn Ing Karl P als Einzelperson, als auch der U-GmbH zuzurechnen, darüber hinaus sei das Bestehen eines wechselseitigen Vertretungsverhältnisses schlüssig erkennbar.
2. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs 7 VStG haften juristische Personen für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zu ungeteilten Hand.
Mit der gegenständlichen Strafverfügung vom 30.10.2001 wurde über Ing Karl P als zur Vertretung nach außen Berufenen der U-GesmbH eine Geldstrafe von ATS 1.300,-- (entspricht Euro 94,47) gemäß § 134 KFG 1967 verhängt.
Gemäß § 9 Abs 7 VStG haftet die U-GesmbH für diese Geldstrafe zur ungeteilten Hand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21.1.2000, Zahl 99/09/0002, in Abgehung von der bisherigen Rechtsprechung erkannt, dass eine auch dem Art 6 MRK gerecht werdende Lösung nur in der Bejahung der Parteistellung des nach § 9 Abs 7 VStG Haftungspflichtigen im Strafverfahren gegen das Organ zu finden sei. Es sei daher der Haftungspflichtige im Sinne des § 24 VStG, 8 AVG bereits dem Verwaltungsstrafverfahren als Partei beizuziehen und könne in diesem Verfahren auch alle Parteirechte einschließlich des Berufungsrechtes ausüben.
Die erstinstanzliche Behörde hat anlässlich der Vorlage der Berufung mit Schriftsatz vom 8.4.2002 als Partei eine Stellungnahme abgegeben und darin im Wesentlichen ausgeführt, dass § 47 Abs 1 VStG der Behörde das Recht einräume, bestimmte Verwaltungsübertretungen mit Strafverfügungen zu ahnden. § 49 Abs 1 VStG sehe vor, dass nur der Beschuldigte Einspruch gegen die Strafverfügung erheben kann und dass durch die Stellung als Haftungspflichtige der juristischen Person nicht die
Eigenschaft als Beschuldigte im Verwaltungsstrafverfahren gegen ihren zur Vertretung nach außen Berufenen zukomme. Daraus sei zu schließen, dass sie nicht Einspruch gegen eine Strafverfügung gegen ihren zur Vertretung nach außen Berufenen erheben kann und dieses Recht auch nicht dadurch erhalte, dass sie nach § 9 Abs 7 VStG für die verhängte Strafe haftungspflichtig ist. Dies sei auch praktikabel, da der zur Vertretung nach außen Berufene zu eigenen Handen eine Strafverfügung zugestellt erhalte und dagegen als Beschuldigter Einspruch erheben könne. Gleichzeitig sei er für die Gesellschaft nach außen zur Vertretung und zur Wahrung ihrer Rechte berufen. Es sei daher nicht zu erwarten, dass er nicht nur gegen eine gegen ihn gerichtete Strafverfügung Einspruch erhebe, sondern darüber hinaus auch die Rechte der von ihm vertretenen Gesellschaft wahre.
Diesen Überlegungen ist entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem oben genannten Erkenntnis 99/09/0002 die Notwendigkeit, einer Ausweitung der Parteienstellung im Wege einer Art 6 MRK konformen Interpretation darin gesehen hat, dass es dem Haftungspflichtigen in einer rechtstaatlich einwandfreien Weise möglich sein muss, einen Strafbescheid, der ihn im Wege der Haftung dem Grunde und der Höhe nach zu Geldzahlungen verpflichtet, zu bekämpfen und damit seine Haftung gegebenenfalls auszuschließen oder zu vermindern. Nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien besteht diesbezüglich kein Unterschied zwischen einer, gegen ein zur Vertretung nach außen berufenes Organ erlassenen, rechtskraftfähigen Strafverfügung zu einem, im Zuge eines ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren erlassenen Straferkenntnis. Auch der Verwaltungsgerichtshof stellt in der Begründung des genannten Erkenntnisses nicht auf Straferkenntnisse (arg: ?einen Strafbescheid...zu bekämpfen?) ab und schränkt die dem Haftungspflichtigen im Zuge der verfassungskonformen Interpretation zukommenden Parteienrechte nicht auf die Erhebung einer Berufung gegen ein Straferkenntnis (arg: ?alle Parteienrechte einschließlich des Berufungsrechtes?) ein. Auch die von der erstinstanzlichen Behörde in ihrer Stellungnahme aufgezeigte Identität zwischen der mit einer Strafverfügung bestraften natürlichen Person und dem zur Vertretung der Haftungspflichtigen nach außen berufenen Organ unterscheidet sich nicht vom ordentlichen Verfahren.
Im Lichte der, vom Verwaltungsgerichtshof erkannten, aus Art 6 MRK erfließenden Notwendigkeit der Parteistellung eines Haftungspflichtigen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der erstinstanzlichen Behörde durch das im § 47 Abs 1 VStG eingeräumte Wahlrecht eine Strafverfügung zu erlassen oder das ordentliche Strafverfahren einzuleiten, die Möglichkeit eingeräumt sein sollte, damit auch die Bekämpfungsmöglichkeit des Haftungspflichtigen gegen den Strafbescheid auszuschließen. Soweit die erstinstanzliche Behörde letztlich aus dem Umstand, dass § 49 Abs 1 VStG vorsehe, dass nur der Beschuldigte Einspruch gegen die Strafverfügung erheben könne, die Unzulässigkeit des von der Haftungspflichtigen erhobenen Einspruches ableitet, steht nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien dieses, im Zuge einer Wortinterpretation gewonnene Ergebnis einer verfassungskonformen Interpretation dieser Bestimmung im Sinne der oben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht entgegen.
Da die erstinstanzliche Behörde somit die Legitimation der U-GesmbH zur Erhebung des Einspruchs gegen die Strafverfügung vom 30.10.2001 zu Unrecht verneint hat, war spruchgemäß zu entscheiden.