TE UVS Niederösterreich 2002/06/20 Senat-BN-99-275

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Veröffentlicht am 20.06.2002
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Spruch

Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 AVG Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

 

Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X wurde der Beschuldigte wegen Übertretung des § 28 Abs 1 Z 1 lit b iVm § 18 AuslBG mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) bestraft. Im Schuldspruch dieses Straferkenntnisses wurde es als erwiesen angesehen, dass der Beschuldigte als handelsrechtliche Geschäftsführerin der L****** GesmbH mit dem Sitz in 2*** T*****, L******** 1, zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft am 26.8.1999 entgegen § 18 AuslBG die Arbeitsleistungen eines namentlich angeführten ungarischen Staatsangehörigen, der von dem ausländischen Unternehmen R***** F**************** Bt ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt wurde, in Anspruch genommen habe, ohne dass für diesen Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt worden sei.

 

In der fristgerecht eingebrachten Berufung beantragt der Beschuldigte die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens. Der Beschuldigte erachtet sich im Wesentlichen auf Grund einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Behörde erster Instanz beschwert und vertritt ua unter Bezugnahme auf ein Gutachten von Univ-Prof Dr Schnorr die Ansicht, dass die Bestimmungen des §  18 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Z 1 lit b AuslBG auf die gegenständliche Fallkonstellation keine Anwendung finden können. Selbst wenn man die Anwendung dieser Bestimmungen bejahen wollte, sei der Ausnahmetatbestand des § 18 Abs 2 AuslBG gegeben.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat am 27.5.2002 eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des Beschuldigten durchgeführt, bei der auch die im Akt befindlichen Unterlagen erörtert wurden. Die Behörde erster Instanz und das Arbeitsinspektorat haben trotz ausgewiesener Ladung keine Vertreter zu der Verhandlung entsandt. Mangels einer ladungsfähigen Adresse im Inland konnte der ungarische Lenker zur Verhandlung nicht geladen werden.

 

Auf Grund des Ergebnisses des Berufungsverfahrens ist davon auszugehen, dass es zwischen der österreichischen Firma L****** GesmbH (seit Ende 1999 L****** GesmbH & Co KG) mit dem Sitz in T***** und der ungarischen Firma R***** F**************** Bt mit dem Sitz in S*****, welche über keinen Betriebssitz in Österreich verfügt, von Ende 1997 bis September 2001 Geschäftsbeziehungen gegeben hat. Diese Geschäftsbeziehungen wurden aber bereits beginnend mit März 2001 schrittweise abgebaut.

 

Im Zuge dieser Geschäftsbeziehungen wurden von der Firma L****** GesmbH laufend Frachtaufträge an die Firma R***** F**************** Bt in Form von Subaufträgen weitergegeben. Diese Subaufträge wurden jeweils von der ungarischen Firma R***** F**************** Bt mit auf die Firma L****** GesmbH in Österreich zugelassenen LKW durchgeführt, wobei die LKW von ungarischen Kraftfahrern, die Arbeitnehmer der Firma R***** F**************** Bt waren, gelenkt wurden.

 

Der auf der A 1 von Polizeiorganen am 26.8.1999 kontrollierte ungarische Kraftfahrer der Firma R***** F**************** Bt hat damals in Erfüllung eines von der Firma L****** GesmbH der Firma R***** F**************** Bt in Form eines Subauftrages erteilten Frachtauftrages einen Warentransport von Deutschland nach Österreich durchgeführt. Auf Grund des vom Beschuldigten vorgelegten Leihvertrages ist davon auszugehen, dass der von dem Ausländer gelenkte LKW zur Tatzeit von der Firma L****** GesmbH der Firma R***** F**************** Bt unentgeltlich überlassen wurde. Nachweise dafür, dass der ursprünglich abgeschlossene unentgeltliche Leihvertrag später in einen entgeltlichen Mietvertrag umgewandet wurde, konnten vom Beschuldigten nicht erbracht werden.

 

Für den ungarischen Lenker gab es jedenfalls zur Tatzeit keine arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen im Sinne des § 3 Abs 1 oder § 18 Abs 1 AuslBG.

 

Seitens des Beschuldigten wurde darauf hingewiesen, dass sich die Firma L****** GesmbH & Co KG mittlerweile im Konkurs befindet.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Dem Beschuldigten wird im angefochtenen Straferkenntnis eine Übertretung gemäß § 18 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Z 1 lit b AuslBG zur Last gelegt.

 

Unstrittig ist der Umstand, dass der ungarische Staatsbürger als Arbeitnehmer der R***** F************ BT Arbeitsleistungen im Inland erbracht hat, welche sich aus der Durchführung des Frachtauftrages ergeben, der der Firma R***** F**************** Bt durch die Firma L****** GesmbH in Form eines Subauftrages erteilt war.

 

Frachtverträge sind ihrer Rechtsnatur nach grundsätzlich Werkverträge. Bei der Ausführung eines Frachtauftrages handelt es sich somit um die Erfüllung einer vertraglich übernommenen Werkleistungspflicht. Das AuslBG enthält keine Bestimmung, die die Durchführung von Frachtverträgen vom Geltungsbereich dieses Gesetzes (ausdrücklich) ausnimmt.

 

Gemäß § 18 Abs 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz bedürfen Ausländer, die von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt werden, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, einer Beschäftigungsbewilligung. Dauern diese Arbeiten nicht länger als sechs Monate, bedürfen Ausländer einer Entsendebewilligung, welche längstens für die Dauer von vier Monaten erteilt werden darf.

 

Gemäß § 28 Abs 1 Z 1 lit b AuslBG ist zu bestrafen, wer entgegen dem § 18 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt wird, in Anspruch nimmt, ohne dass für den Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt wurde.

 

Festzustellen ist, dass durch den Übertretungstatbestand nach § 18 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Z 1 lit b AuslBG solche Fallkonstellationen erfasst werden sollen, die nicht unter den Übertretungstatbestand des § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG subsumiert werden können.

 

Gemäß § 3 Abs 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.

 

Als Beschäftigung gilt gemäß § 2 Abs 2 AuslBG die Verwendung a) in einem Arbeitsverhältnis, b) in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht aufgrund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird, c) in einem Ausbildungsverhältnis, d) nach den Bestimmungen des § 18 oder e) überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs 4 des AÜG.

 

Nach § 2 Abs 3 lit c AuslBG ist in den Fällen des Abs 2 lit e auch der Beschäftiger im Sinne des § 3 Abs 3 AÜG dem Arbeitgeber gleichzuhalten.

 

Der § 4 Abs 1 und 2 AÜG hat folgenden Wortlaut:

 

?(1) Für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

(2) Arbeitskräfteüberlassung liegt insbesondere auch vor, wenn die Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung im Betrieb des Werkbestellers in Erfüllung von Werkverträgen erbringen, aber

1. kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen des Werkbestellers abweichendes, unterscheidbares und dem Werkunternehmer zurechenbares Werk herstellen oder an dessen Herstellung mitwirken oder

2. die Arbeit nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmers leisten oder

3. organisatorisch in den Betrieb des Werkbestellers eingegliedert sind und dessen Dienst- und Fachaufsicht unterstehen oder

4. der Werkunternehmer nicht für den Erfolg der Werkleistung haftet.?

 

Gemäß § 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG ist zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 eine Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt, noch eine Anzeigebestätigung oder eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt wurde.

 

Wenn auch nur einer der vier Tatbestände des § 4 Abs 2 Z 1 bis 4 AÜG zur Gänze gegeben ist, hat die Behörde das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung anzunehmen. Einer Gesamtbeurteilung des Sachverhaltes im Sinne des § 4 Abs 1 AÜG bedarf es nur dann, wenn der Tatbestand keiner der vier Ziffern des § 4 Abs 2 AÜG zur Gänze erfüllt ist (vergl Erk des VwGH vom 10.3.1998, Zl 95/08/0345).

 

Bei Frachtaufträgen, wie im gegenständlichen Fall, kommt auf Grund der Natur der Sache eine Verwendung von Material grundsätzlich weder durch den Werkbesteller noch durch den Werkunternehmer in Betracht. Das bei der Erfüllung eines Frachtauftrages mögliche Werkzeug stellt das notwendige Transportmittel ? im gegenständlichen Fall der LKW ? dar.

 

Wird somit ein in der äußeren Form eines Werkvertrages erteilte Frachtauftrag (auch Subauftrag) mit einem vom Werkbesteller unentgeltlich zur Verfügung gestellten LKW durchgeführt, so ist der Tatbestand des § 4 Abs 1 Z 2 AÜG zur Gänze als erfüllt anzusehen. Desgleichen ist davon auszugehen, dass im Fall der unentgeltlichen Überlassung des LKW durch den Erteiler des Frachtauftrages (Werkbesteller) durch diese Zurverfügungstellung des notwendigen Betriebsmittels auch die für die Annahme einer Arbeitskräfteüberlassung weitere Voraussetzung erfüllt wird, dass die Arbeitsleistung vom ausländischen Arbeitnehmer im Betrieb bzw. im Bereich der Sphäre des Werkbestellers erbracht wird.

 

Im vorliegenden Fall liegen daher für die Annahme der von der Behörde erster Instanz dem Beschuldigten angelasteten Übertretung des § 18 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Z 1 lit b AuslBG keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. Vielmehr ist auf Grund des im Berufungsverfahren ermittelten Sachverhaltes davon auszugehen, dass eine Übertretung nach § 3 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG begangen wurde, weil es sich bei dem im Spruch des Straferkenntnisses angeführten Ausländer unter Berücksichtigung des § 4 Abs 2 Z 2 AÜG iVm § 3 Abs 1 und § 2 Abs 2 lit e AuslBG um eine Arbeitskraft gehandelt hat, die von der Firma R***** F**************** Bt der Firma L****** GesmbH im Wegen einer Arbeitskräfteüberlassung zur Verfügung gestellt war. Auch eine Betrachtung nach den Kriterien des § 2 Abs 4 AuslBG und § 4 Abs 1 AÜG führt zu keinem anderen Ergebnis.

 

Anzumerken ist, dass der Berufungsbehörde, wenn dem Beschuldigten im erstinstanzlichen Straferkenntnis eine Übertretung gemäß § 28 Abs 1 Z 1 lit b AuslBG angelastet wird, ein Austausch des Tatvorwurfes gegen eine Übertretung nach § 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG verwehrt ist (vergl Erk des VwGH vom 30.10.1991, Zl 91/09/0111).

 

Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und die Einstellung der Strafverfahren zu verfügen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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