Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §63 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des Z B, (geb. 26.2.1964), in Neudörfl, vertreten durch Mag. Martin Beck, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Franz Liszt-Gasse 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 1. Juli 1998, Zl. St 106/98, betreffend
1.) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gegen einen Aufenthaltsverbotsbescheid der Bundespolizeidirektion Linz, 2.) betreffend Zurückweisung der Berufung gegen diesen Bescheid als verspätet, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 1. Juli 1998 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Zurückweisung seines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das von der Bundespolizeidirektion Linz erlassene Aufenthaltsverbot vom 29. September 1997 gemäß § 71 Abs. 2 AVG abgewiesen. Weiters wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den genannten Aufenthaltsverbotsbescheid als verspätet eingebracht zurückgewiesen.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 29. September 1997 sei gegen den Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 7 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 38/1992, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Dieser Aufenthaltsverbotsbescheid sei vom Beschwerdeführer persönlich am 30. September 1997 übernommen worden.
Mit Schreiben vom 4. Dezember 1997 habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gegen den besagten Aufenthaltsverbotsbescheid gestellt und diesen Antrag im Wesentlichen mit der Unkenntnis der deutschen Sprache in Verbindung mit der Verhängung der Schubhaft und dem fehlenden Kontakt zu einem Rechtsbeistand begründet. Bezüglich der Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages habe er ausgeführt, dass das zuvor angeführte unabwendbare Ereignis mit jenem Zeitpunkt aufgehört hätte, in dem er aus der Schubhaft entlassen worden wäre und folglich den Kontakt mit einem Flüchtlingsberater habe herstellen können. Er habe selbst ausgeführt, am 24. November 1997 aus der Schubhaft entlassen worden zu sein. In seiner Berufung vom 19. Mai 1998 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass es sich "bei dem Besuch vom 4. Oktober 1997 durch Frau R." lediglich um einen privaten Besuch gehandelt hätte, und ihm diese auch nur das Notwendigste an Kleidung gebracht hätte. Überdies hätte eine Redezeitbeschränkung von einer halben Stunde bestanden. Der Besuch vom 4. Oktober 1997 hätte in keiner Weise mit einer Rechtsberatung zu tun gehabt.
Die belangte Behörde schließe sich der Meinung der Erstbehörde insofern an, als dann, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich während seiner Schubhaft keine Möglichkeit gehabt hätte, sich um einen Rechtsbeistand zu bemühen - was von der belangten Behörde jedoch nicht angenommen werde -, zumindest ab dem 4. Oktober 1997 "der Kontakt zur Außenwelt" wiederum hergestellt gewesen sei und es dem Beschwerdeführer möglich gewesen wäre, sich über Frau R. einen Rechtsbeistand besorgen zu lassen. Der Hinweis auf die Redezeitbeschränkung sei insofern verfehlt, als eine halbe Stunde für ein diesbezügliches Ersuchen wohl ausreichend sei. Vor diesem Hintergrund sei der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung vom 4. Dezember 1997 verspätet gestellt worden.
Im Schreiben der belangten Behörde vom 26. Mai 1998 sei darüber hinaus noch zur allgemeinen Problematik der Dispositionsfähigkeit in Schubhaft Stellung genommen bzw. ausgeführt worden, dass diese zwar zweifelsfrei beschränkt, aber keinesfalls derart eingeschränkt gewesen sei, dass dem Beschwerdeführer jegliches faktische und rechtliche Handeln unmöglich gewesen wäre. Es wäre auf das Schreiben der Erstbehörde vom 17. Dezember 1997 verwiesen und ausgeführt worden, dass es dem Beschwerdeführer jederzeit - auch außerhalb des 4. Oktober 1997 - möglich gewesen wäre, mit einem Rechtsbeistand Kontakt aufzunehmen. Auch sei darauf hingewiesen worden, dass der Beschwerdeführer den amtlichen Charakter des Aufenthaltsverbotes hätte erkennen müssen, zumal er bereits davor im Asylverfahren einen Bescheid mit einer Rechtsmittelbelehrung in einer ihm verständlichen Sprache erhalten hätte. Im Licht dieser Tatsachen wäre der Wiedereinsetzungsantrag - eine fristgerechte Einbringung vorausgesetzt - wohl abzuweisen gewesen.
Der Aufenthaltsverbotsbescheid der Erstbehörde vom 29. September 1997 sei (wie schon erwähnt) vom Beschwerdeführer persönlich am 30. September 1997 übernommen worden. Seine Berufungsschrift hätte er daher bis 13. Oktober 1997 einzubringen gehabt. Der Beschwerdeführer habe jedoch erst mit dem besagten Wiedereinsetzungsantrag vom 4. Dezember 1997 eine Berufungsschrift eingebracht. Da sich der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers als erfolglos erweise und die Berufungsfrist gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid bereits verstrichen sei, sei die Berufung gegen diesen Bescheid ebenfalls als verspätet zurückzuweisen gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
A. Zum Abspruch über die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags:
1. Vorweg ist festzuhalten, dass - insoweit stimmen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens überein - die Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den genannten Aufenthaltsverbotsbescheid vom 29. September 1997 versäumt wurde, somit die wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages erfüllt ist (vgl. § 71 Abs. 1 AVG).
2.1. Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist einer Partei, die dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Gemäß § 71 Abs. 2 AVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, zu stellen.
2.2. Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, dass der Beschwerdeführer jedenfalls am 4. Oktober 1997, als er während seiner Schubhaft einen halbstündigen Besuch erhalten habe, die Möglichkeit gehabt hätte, sich über die ihn besuchende Person einen Rechtsbeistand zu verschaffen, weshalb sich der erst zwei Monate danach gestellte Wiedereinsetzungsantrag im Licht des § 71 Abs. 2 AVG als verspätet gestellt erweise.
Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurde dem Beschwerdeführer anlässlich seiner im Beisein eines Dolmetschers durchgeführten Vernehmung vor der Erstbehörde am 29. September 1997 (u.a.) zur Kenntnis gebracht, dass er "wegen illegaler Einreise und illegalem Aufenthalt im Bundesgebiet zur Anzeige gebracht werde", dass die Erstbehörde beabsichtige, gegen ihn "ein 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen" und ihn in sein Heimatland abzuschieben. Der Beschwerdeführer, der die dabei aufgenommene Niederschrift unterfertigte, stellte bei dieser Vernehmung auch den Antrag, gemäß § 54 FrG festzustellen, dass er in Jugoslawien gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei und daher eine Abschiebung in diesen Staat unzulässig sei, und verwies zur Begründung dieses Antrags auf sein Vorbringen im Asylverfahren. Vor diesem Hintergrund hätte der Beschwerdeführer den amtlichen (behördlichen) Charakter des ihm am nachfolgenden Tag ausgehändigten Schriftstückes und die auf Grund der im gegebenen Zusammenhang bestehenden Wahrscheinlichkeit der damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen erkennen müssen. Es wäre ihm daher zumutbar gewesen, sich aus eigenem (ohne ausdrückliche Belehrung, dass das möglich sei) um die Erlangung einer Hilfestellung für die Abfassung eines Rechtsmittels zu bemühen. Wenn die belangte Behörde angenommen hat, dass dies dem Beschwerdeführer bei dem besagten Besuch vom 4. Oktober 1997 - der unbestritten etwa eine halbe Stunde gedauert hat - möglich gewesen wäre, kann dem nicht entgegengetreten werden. Der Beschwerdeführer bringt auch nicht vor, von sich aus konkrete Schritte zur Erlangung der besagten Hilfestellung - wie etwa die versuchte Kontaktaufnahme mit einer Hilfsorganisation oder das Ersuchen um Hilfestellung an einen Bediensteten des Gefangenenhauses - gesetzt zu haben. Darin, dass es der Beschwerdeführer sohin verabsäumt hat, zumutbare Maßnahmen zur Wahrung der ihm im Aufenthaltsverbotsverfahren offenstehenden Rechtsverfolgungsmöglichkeiten zu ergreifen, kann auf dem Boden der hg. Rechtsprechung nicht bloß ein minderer Grad des Versehens im Sinn des § 71 Z. 1 AVG erblickt werden. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 2. März 1999, Zl. 99/18/0032, mwH.)
Vor diesem Hintergrund konnte dem vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag (worauf die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides hinweist) kein Erfolg beschieden sein. Der Beschwerdeführer wurde dadurch, dass die Erstbehörde den Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Frist gemäß § 71 Abs. 2 AVG (obwohl bei dem besagten Besuch am 4. Oktober 1997 die bis 13. Oktober 1997 offene Berufungsfrist gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid noch nicht abgelaufen war, und die vom Beschwerdeführer vorgebrachten, nach diesem Zeitpunkt gelegenen Umstände keinen Grund darstellten, ihn an der rechtzeitigen Erhebung der Berufung zu hindern, der Antrag somit abzuweisen gewesen wäre, als verspätet zurückgewiesen und die belangte Behörde der dagegen gerichteten Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und den Erstbescheid bestätigt hat, in keinem Recht verletzt. Vor diesem Hintergrund ist das Vorbringen, dass die "wohl eine an Dispositionsunfähigkeit grenzende, erhebliche Behinderung der Rechtsverfolgung des Beschwerdeführers" infolge des Umstandes der Schubhaft bis zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Schubhaft am 24. November 1997 angedauert hat, und damit erst zu diesem Zeitpunkt das Hindernis im Sinn des § 71 Abs. 2 AVG, das der Einhaltung der Berufungsfrist entgegen gestanden sei, weggefallen sei, nicht zielführend. B. Zur Zurückweisung der Berufung gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid:
Im Hinblick darauf, dass diese Berufung unbestritten erst nach Ablauf der diesbezüglich vorgesehenen Berufungsfrist (§ 63 Abs. 5 AVG) eingebracht und somit verspätet erhoben wurde, steht deren Zurückweisung mit dem Gesetz (§ 66 Abs. 4 AVG) in Einklang.
C. Da somit dem bekämpften Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
D. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. Oktober 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998180355.X00Im RIS seit
23.01.2002