Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Mag Dr Tessar über die Berufung der Frau Dr Ulrike P, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 3.5.2001, MBA 16 - S 227/01, wegen Übertretung des Arzneimittelgesetzes, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 7.9.2001, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben sowie das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Der Berufungswerberin wird gemäß § 65 VStG kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Der Schuld- und Strafausspruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses lautet wie folgt:
?Sie haben als verantwortlich Beauftragte für den Marketingbereich der G-GesmbH, Standort Wien, A-gasse gemäß § 9 Abs 2 VStG zu verantworten, dass diese Gesellschaft in der Zeit von 20.12.2000 bis zumindest 20.3.20001 im Internet das rezeptpflichtige Arzneimittel ?V? (die so genannte Pille danach) unter der Adresse ?http://www.p.at/main.htm? vorgestellt - das Produkt wurde beschrieben indem Zusammensetzung, Dosierung und Wirkungsweise des Präparates erläutert wurden - und somit beworben hat, obwohl gemäß § 51 Z 1 Arzneimittelgesetz für Arzneimittel, die der Rezeptpflicht unterliegen keine Werbung, welche für Verbraucher bestimmt ist, betrieben werden darf.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 84 Z 9 iVm § 51 Z 1 Arzneimittelgesetz BGBl Nr 185/1983 in der geltenden Fassung
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von S 9000, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen und 12 Stunden, gemäß § 84 Z 9 Arzneimittelgesetz in Verbindung mit § 9 Abs 2 VStG 1991 Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
S 900 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 9900 (entspricht 719,46 Euro). Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.?
In der gegen dieses Straferkenntnis fristgerecht erhobenen Berufung brachte die Berufungswerberin ua vor, dass auf der inkriminierten Webside ganz allgemein Auskunft über die Wirkungsweise und den Anwendungsbereich der Pille danach gegeben worden sei.
Am 28.12.2000 erfolgte durch das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen eine Anzeige, in welcher der Firma G zur Last gelegt wurde, im Internet das Produkt ?V? als Methode der Verhütung nach ungeschütztem oder unzureichend geschütztem Geschlechtsverkehr beschrieben und die Dosierung und Wirkungsweise dieses Präparates dargelegt zu haben. Dieses Präparat sei eine rezeptpflichtige Arzneimittelspezialität und werde von der G vertrieben.
Die Ausführungen im Internet seien als verbotene Werbung iSd § 51 Z 1 AMG zu qualifizieren, sodass gegen § 84 Z 9 des Arzneimittelgesetzes verstoßen worden sei.
Dieser Anzeige liegen Internetausdrücke aus der Webside www.p.at bei.
Die erste Seite dieser Webside beinhaltet eine allgemeine Information über die Pille danach und bietet die Möglichkeit nachfolgende Links aufzurufen: ?Notfall?, ?Fragen?, ?Forum?, ?Links?.
Unter der Internetseite www.p.at/info werden die Produkteigenschaften des Produktes ?V 750 Mikrogramm - Tabletten? zusammengefasst. So werden die Zusammensetzung dieses Produktes, die Darreichungsform, die klinischen Anwendungsgebiete, die Dosierung, die Art und Dauer der Anwendung, die Gegenanzeigen, die Warnhinweise und Vorsichtmaßnahmen für die Anwendung, die Wechselwirkungen mit anderen Mitteln angeführt und Bemerkungen für den Fall der Schwangerschaft bzw Stillzeit und Hinweise zur Beeinflussung der Verkehrstüchtigkeit gemacht. Im Übrigen werden weitere Nebenwirkungen des Produktes und die Auswirkungen von Überdosierungen dargestellt. Auch werden die pharmakologischen Eigenschaften und weitere pharmazeutische Angaben dieses Produktes angeführt. Als Zulassungsinhaber wird die L und als Datum der Zulassung der 2.5.2000 angeführt. Auch wird ausgeführt, dass dieses Produkt apothekenpflichtig ist. Mit Schriftsatz vom 22.1.2001 wurde seitens der G-GesmbH bekannt gegeben, dass die Berufungswerberin hinsichtlich des Marketingbereiches Therapie als verantwortliche Beauftragte im Sinne des § 9 Abs 2 VStG bestellt worden ist, und dass der gegenständliche Vorwurf unter diesen Bereich zu subsumieren ist. Eine von der Berufungswerberin unterfertigte Bestellungserklärung vom 10.2.1998 wurde beigelegt.
Mit Schriftsatz vom 28.6.2001 wurde der erkennenden Behörde durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mitgeteilt, dass mit der Indikation ?Notfallkontrazeption innerhalb von 72 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder bei Versagen einer Verhütungsmethode? in Österreich derzeit die Arzneimittelspezialitäten ?V 750 Mikrogramm - Tabletten? und ?Postinor - Tabletten? zugelassen sind.
Am 7.9.2001 wurde vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien eine mündliche Verhandlung durchgeführt. In dieser brachte die Berufungswerberin vor, dass die Internetseite ?p.at? von der G-GmbH ins Internet gestellt, angemeldet und betreut werde. Es werde nicht bestritten, dass die im Akt unter Seite 4 bis 15 erliegenden Internet-Ausdrucke der Internetseite ?p.at? am 20.2.2000 in der gestalteten Form aus dem Internet abgerufen werden konnten und auch abgerufen wurden. Unmittelbar nach Kenntniserlangung der Ansicht der Erstbehörde, wonach die Produkteigenschaftsbeschreibung von Medikamenten auf der Internet-Seite ?p.at? rechtswidrig ist, sei die im erstinstanzlichen Akt
erliegende (AS 6 bis 10) Zusammenfassung der Produkteigenschaften aus dem Internet herausgenommen worden. Bei dieser Zusammenfassung handle es sich um eine von der Zulassungsbehörde zur Kenntnis genommene und bescheidmäßig genehmigte Fachinformation im Sinne des AMG und orientiere sich diese ausschließlich an dem im AMG bzw den Nebenverordnungen zwingend vorgeschriebenen Pflichttext. Mit der inkriminierten Einschaltung sei dieser Pflichttext weder im Sinne einer werblichen Maßnahme erweitert noch verkürzt worden. Es handle sich dabei um jenen Text, der entsprechend dem AMG in so genannte Austria-Kodex niedergeschrieben und enthalten sei. Der Austria-Kodex könne von jedermann, also auch von einem Laien, käuflich erworben werden.
Die Berufungswerberin legte in dieser Verhandlung als Beilage 1) einen Seminarprospekt eines Seminars vom 14.6.2000, als Beilage
2) eine von ihr erstellte Kurzzusammenfassung der wesentlichsten Kernaussagen des zwischen 10.40 Uhr und 11.50 Uhr gehaltenen Seminarvortrages vom 14.6.2000 und als Beilage 3) eine Kopie ihrer Mitschrift bezüglich dieser Vortragseinheit vor. In diesem Vortrag sei durch MR Dr Michtner und Dr Schuster (beide BM für soziale Sicherheit und Generationen) die Auffassung vertreten worden, dass die Verbreitung einer bloßen und ungekürzten Fachinformation, wie es die Zusammenfassung AS 6 bis AS 10 darstelle, niemals als Werbung im Sinne des § 51 Arzneimittelgesetz zu qualifizieren sei. Als solche könne allenfalls nur eine gekürzte Fachinformation eingestuft werden. Weiters brachte die Berufungswerberin vor, dass auch die Verbreitung von ungekürzten und nicht ergänzenden Studienergebnissen keine Werbebotschaft darstellen würde.
Außerdem habe sie am 4.7.2000 ein Gespräch mit Fr Dr K, Prof H, Dr M und Dr S im Gesundheitsministerium geführt, welches auf Grund ihres ausdrücklichen Wunsches und einer Terminvereinbarung erfolgt sei.
In diesem Gespräch sei ihr mitgeteilt worden, dass eine Fachinformation auf einer Homepage der Fa G dann zulässig sei, wenn diese vollständig sei. Zum damaligen Zeitpunkt habe es noch nicht die Homepage ?p.at? gegeben, sodass die Berufungswerberin auch nicht in der Lage gewesen sei, diese Homepage bzw den darauf befindlichen Text dem Ministerium zur Stellungnahme vorzulegen.
Es seien von ihr bei diesem Termin zwei Fragen an das Ministerium herangetragen worden; nämlich ob 1) es sich bei der Pille danach um ein Notfall-Produkt handle und ob 2) eine Fachinformation auf einer Homepage durch ein Passwort geschützt sein müsse, sodass diese Homepage nur über Passwort durch befugte Ärzte abgerufen werden kann.
Daraufhin sei der Auftrag gegeben worden, auf der Homepage ?p.at? die gegenständliche Fachinformation einzuscannen. Am 28.8.2000 sei die Fachinformation jedenfalls über Internet ohne Benutzung eines Passwortes abrufbar gewesen.
Auf Grund der Informationen, welche die Berufungswerberin erhalten habe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass das angelastete Tatbild erfüllt worden sei. Doch selbst im Fall einer Tatbilderfüllung wäre diese nicht subjektiv vorwerfbar gewesen, zumal die Berufungswerberin auf die Rechtsinformation der für diese Informationen zuständigen höchsten Behörde berechtigt vertrauen habe dürfen.
Die ins Internet gestellte Fachinformation habe nicht dem Zweck einer Absatzwerbung gedient. Ihr Zweck habe ausschließlich darin bestanden, das interessierte Publikum darüber aufzuklären, dass es sich im Falle einer Anwendung einer Pille danach nach Meinung des in diesen Fragen als Opinion-Leader zu bezeichneten Prof DDr H um keine Abtreibung handle. Diese Aufklärung sei deshalb erforderlich gewesen, da unmittelbar vor dem Entschluss der Fa G, ins Internet zu gehen, in der Zeitung ?News? ein mehrseitiger Artikel
betreffend das Produkt V veröffentlicht worden sei. Darin sei dieses Produkt in die Nähe einer Abtreibungspille gerückt worden. Aus der Fachinformation gehe dagegen konkludent hervor, dass das Produkt V nicht als Abtreibungspille zu qualifizieren sei. Aus der vorgelegten Beilage 1) ist ersichtlich, dass das Thema des Seminars vom 14.6.2000 folgenden Titel hatte:
?was darf Pharma - PR? ?. Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen der Patientenkommunikation zu ethischen Arzneimitteln. Aus dieser Ankündigung ist ersichtlich, dass bei diesem Seminar unter anderem auch darüber informiert werden sollte, was bei Presseinformationen für Laienmedien zu beachten ist und was der Begriff ?Werbung? im Arzneimittelrecht für PR-Maßnahmen bedeute. Auch war die Klärung der Frage, wie viel Produktinformation auf einer Webside frei zugänglich sein dürfe, Gegenstand des Seminars.
Auf der vorgelegten Beilage 2) (Seminarzusammenfassung) steht, dass eine Fachinformation zur Verbraucheraufklärung dann keine Werbung sei, wenn alle Teile wiedergegeben werden.
Aus der von der Berufungswerberin beigelegten Mitschrift (Beilage 3) ist ersichtlich, dass im Seminar die Meinung vertreten wurde, dass eine Fachinformation bzw eine Geschäftsinformation dann keine Werbung ist, wenn der Text unverändert bleibt. Auch habe demnach Dr M mitgeteilt, dass die Fachinformation zur Verbraucheraufklärung dann keine Werbung sei, ?wenn nicht bestimmte ausgew (?daher wohl ausgewiesen?) sind.?
Mit Schriftsatz von 9.10.2001 teilte das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen mit, dass dieses die Rechtsansicht vertrete, dass die Wiedergabe der vollständigen und ungekürzten Fachinformation einer bestimmten Arzneispezialität für sich allein nicht als Werbung im Sinne des Arzneimittelgesetzes zu qualifizieren ist. Darüber hinausgehende Informationen auf der Homepage einer bestimmten Arzneimittelfirma dürfen jedoch lediglich allgemeinen wissenschaftlichen Inhalts sein und müssen in diesem Fall sämtliche für die jeweilige Indikation zugelassenen Produkte ohne Hervorhebung eines bestimmten Produktes einbezogen und genannt sein.
Mit Schriftsatz vom 14.11.2001 teilte die Berufungswerberin mit, dass bis zum 1.8.2001 außer dem Produkt ?V? kein weiteres Produkt mit der gegenständlichen Indikation in Österreich als Arzneimittelspezialität zugelassen gewesen ist.
Anlässlich eines am 11.7.2002 durchgeführten Telefonates des erkennenden Mitgliedes mit Frau H (Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen) wurde diesem mitgeteilt, dass das Produkt ?Po - Tabletten? erstmals am 13.3.2001 als Arzneimittel zugelassen worden ist. Das Arzneimittel ?V? ist erstmals am 2.5.2001 zugelassen worden.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:
Die Berufungswerberin hat -wie zuvor ausgeführt- nicht bestritten, dass zum Tatzeitpunkt der im Spruch des Straferkenntnisses angelastete Sachverhalt vorgelegen war.
Aufgrund der Mitteilungen des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung ist davon auszugehen, dass am 20.12.2000 als ?pilledanach? in Österreich lediglich das Produkt V 750 Mikrogramm - Tabletten als Arzneimittel für die Indikation ?Notfallkontrazeption innerhalb von 72 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder bei Versagen einer Verhütungsmethode? zugelassen gewesen war.
§ 51 Arzneimittelgesetz lautet wie folgt:
?Arzneimittelwerbung, die für Verbraucher bestimmt ist, darf
nicht für
1.
Arzneimittel, die der Rezeptpflicht unterliegen,
2.
Arzneimittel, die nicht der Rezeptpflicht unterliegen, deren Bezeichnung aber das gleiche Fantasiewort oder den gleichen wissenschaftlich üblichen Ausdruck wie die Bezeichnung eines rezeptpflichtigen Arzneimittels enthält, und
3. homöopathische Arzneispezialitäten, die nicht durch Bescheid zugelassen wurden,
betrieben werden.?
Gemäß § 84 Z 9 Arzneimittelgesetz idF BGBl Nr 379/1996 begeht eine mit bis zu ATS 100.000,-- zu ahnende Verwaltungsübertretung, wer eine nicht den §§ 50 bis 56 Arzneimittelgesetz entsprechende Werbung durchführt. Wie aus dem Ermittlungsverfahren hervorgekommen ist, war am 20.12.2000 lediglich das Produkt V 750 Mikrogramm - Tabletten als Arzneimittel zugelassen. Nach Ansicht des erkennenden Senates stellt der bloße Abdruck der gegenständlichen Produktinformationen des Produktes ?V?, wie sie am 20.12.2000 im Internet eingelesen werden konnten, nur dann eine Werbung im Sinne des § 51 Arzneimittelgesetzes dar, wenn durch diese Fachinformationen der Eindruck erweckt wird, dass im Falle einer bestimmten Indikation ein bestimmtes Produkt im Vergleich zu anderen Produkten in besonderer Hinsicht zur Einnahme angezeigt erscheint oder aber, dass ein Produkt auch für andere als die zugelassenen Indikationen eine positive Wirkung entfaltet. Hinsichtlich dieser Rechtsauffassung teilt der erkennende Senat daher auch die Auffassung des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen.
Da im gegenständlichen Fall 1) am 20.12.2000 nur das Produkt ?V 750 - Mikrogramm - Tabletten? als Arzneimittel für die Indikation ?Notfallkontrazeption innerhalb von 72 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder bei Versagen einer Verhütungsmethode? in Österreich zugelassen war, 2) die gegenständlichen Informationen nicht über die bloße Fachinformation hinausgehende Informationen über das Produkt enthielten, 3) der Gesamteindruck der gesamten Webside nicht geeignet ist, andere Arzneimittelprodukte (inclusive Konkurrenzprodukte) abzuqualifizieren bzw in ihrem indikationsgemäßen Absatz zu beeinträchtigen und 4) durch die gegenständliche Webside Konsumenten nicht zu einem
angebrachten Konsum des Produktes animiert werden, stellt die gegenständliche Produktinformation keine unzulässige Bewerbung eines Arzneimittels im Sinne des § 52 des Arzneimittelgesetzes dar.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.