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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des KFG 1967 betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung mangels tatsächlicher Wirksamkeit der angefochtenen Bestimmungen bzw infolge Zumutbarkeit des VerwaltungsrechtswegesSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 7. November 1996 wurde über die nunmehrige Antragstellerin eine Geldstrafe von S 8.000,-, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Tagen verhängt, weil sie am 10. August 1996 um 16.07 Uhr im Gemeindegebiet von Pöndorf auf der Korbernaußer Landesstraße bei Strkm 6,973 mit einem Motorrad die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 85 km/h überschritten hatte. Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Antragstellerin Berufung.
1.2. Mit dem beim Verfassungsgerichtshof am 30. Mai 1997 eingelangten Antrag begehrt die Einschreiterin die gänzliche bzw. teilweise Aufhebung des §66 Abs2 liti KFG 1967 sowie des §73 Abs3 KFG 1967, jeweils idF der 18. KFG-Novelle, BGBl. 1995/162, als verfassungswidrig.
Die Bundesregierung bestreitet in einer Äußerung die Zulässigkeit des Antrages und verteidigt die Verfassungsmäßigkeit der genannten Bestimmungen.
2. Über die Zulässigkeit des Antrages nach Art140 Abs1 B-VG wurde erwogen:
2.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die "Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist; ...".
2.2. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur - beginnend mit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 - ausführte, erfordert die Antragslegitimation nicht nur, daß die antragstellende Partei behauptet, unmittelbar durch die als verfassungswidrig angefochtene Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sondern auch, daß dieses Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation bildet dabei der Umstand, daß das angefochtene Gesetz die Rechtssphäre der betreffenden Person berührt und - im Falle der Verfassungswidrigkeit - verletzt. Jedoch nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsberechtigung zu; es ist vielmehr auch notwendig, daß unmittelbar durch das Gesetz selbst - tatsächlich - in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen wird. Ein solcher, die Antragslegitimation begründender Eingriff in die Rechtssphäre einer Person muß jedenfalls nach Art und Ausmaß durch das Gesetz eindeutig bestimmt sein und die rechtlich geschützten Interessen des Betroffenen nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen.
2.3. Nach dem Antragsvorbringen hatte die Kraftfahrbehörde zum Zeitpunkt der Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof kein Verfahren über die Entziehung der Lenkerberechtigung eingeleitet. Der Verfassungsgerichtshof geht daher davon aus, daß der Antragstellerin bislang die Lenkerberechtigung nicht entzogen wurde. Die angefochtenen Gesetzesbestimmungen sind daher für die Antragstellerin tatsächlich nicht wirksam geworden. Der Antrag ist sohin schon aus diesem Grund zurückzuweisen.
Aber auch dann, wenn aufgrund eines Strafbescheides erster Instanz ein Verfahren über die Entziehung der Lenkerberechtigung gegen den Antragsteller eingeleitet worden wäre, wäre der Antrag zurückzuweisen, weil es an einem "unmittelbaren" Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers fehlen würde, stünde doch dem Antragsteller zur Abwehr der - ihm durch die angebliche Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmungen entstandenen - Rechtsverletzung ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung. Ein solcher - die Antragslegitimation ausschließender - zumutbarer Weg besteht grundsätzlich nämlich dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das dem von der generellen Rechtsnorm Betroffenen letztlich Gelegenheit bietet, die Einleitung eines amtswegigen Normenprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof anzuregen. In einem allfälligen Verfahren über die Entziehung der Lenkerberechtigung muß es dem Beschuldigten durchaus zugemutet werden, den administrativen Instanzenzug auszuschöpfen und sodann beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde nach Art144 B-VG zu erheben und darin seine Bedenken gegen die generelle Norm vorzubringen.
3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Kraftfahrrecht, Lenkerberechtigung, FührerscheinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:G324.1997Dokumentnummer
JFT_10018799_97G00324_00