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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §35 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des A S in Wien, geboren am 2. März 1962, vertreten durch Dr. Helge Doczekal, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. Juli 2001, Zl. SD 594/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. Juli 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen pakistanischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer befinde sich seit Dezember 1992 durchgehend im Bundesgebiet und sei angeblich als Zeitungszusteller tätig. Mit Urteil vom 10. Jänner 2001 sei er wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit anderen durch Verwendung einer falschen Urkunde, nämlich eines auf einen Fantasienamen lautenden und eine fingierte Unterschrift tragenden Antragsformulars, eine private Telefongesellschaft dazu verleitet habe, eine Kundenummer und einen Pincode zu nennen. Dadurch sei es dem Beschwerdeführer und auch anderen Personen, die Kenntnis von dieser Kundennummer und dem Pincode erlangt hätten, möglich gewesen, Auslandsgespräche über diese Telefongesellschaft abzuwickeln, wodurch im Tatzeitraum von 13. April 1999 bis 17. Mai 1999 ein Vermögensschaden von über einer Million Schilling entstanden sei. Diese Verurteilung erfülle zweifellos den in § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG normierten Sachverhalt. Die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer sei verheiratet und für drei Kinder sorgepflichtig. Seine Familie lebe allerdings in Pakistan. Familiäre Bindungen im Bundesgebiet bestünden nicht. Angesichts des mehrjährigen rechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers sei das Aufenthaltsverbot mit einem Eingriff in das Privatleben verbunden. Dieser sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz des Vermögens Dritter) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Wer, wie der Beschwerdeführer, vorsätzlich Betrugshandlungen begehe und überdies gewerbsmäßig, d. h. zur Erzielung einer fortlaufenden Einnahme, vorgehe, lasse seine geringe Verbundenheit mit maßgeblichen Rechtsvorschriften erkennen. Die Art und Schwere des der Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhaltens und insbesondere die genannte Gewerbsmäßigkeit ließen eine positive Verhaltensprognose für den Beschwerdeführer nicht zu.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei zunächst auf die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Diese Integration werde in ihrer sozialen Komponente jedoch durch das schwerwiegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers gemindert. Auch unter Bedachtnahme auf den Mangel jeglicher familiärer Bindungen im Bundesgebiet sei das dem Beschwerdeführer insgesamt zuzuschreibende Interesse am Verbleib im Bundesgebiet zwar nicht als gering, jedoch auch nicht als besonders ausgeprägt zu bezeichnen. Dem stehe das maßgebliche öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen und am Schutz des Eigentums Dritter gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die gegenteiligen öffentlichen Interessen. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes im April und Mai 1999 sei das Aufenthaltsverbot nicht im Grund des § 38 FrG unzulässig.
Da sonst keine besonderen zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben seien, habe die Behörde von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Auf Grund der unstrittig feststehenden Verurteilung des Beschwerdeführers kann die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
1.2. Der Beschwerdeführer hat einen schweren Betrug unter Verwendung einer falschen Urkunde begangen, wobei er im Zeitraum von 13. April 1999 bis 17. Mai 1999 einen Schaden von über einer Million Schilling herbeigeführt hat. Unstrittig ist er dabei auch gewerbsmäßig, also in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger strafbarer Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), vorgegangen. Aus diesen Umständen hat die belangte Behörde zu Recht den Schluss gezogen, dass für den Beschwerdeführer keine positive Verhaltensprognose erstellt werden könne. Auf Grund der gewerbsmäßigen Vorgangsweise und des hohen verursachten Schadens können auch die Umstände, dass der Beschwerdeführer (nach den Feststellungen der belangten Behörde) nur einmal verurteilt worden ist und seit der Begehung der Straftat bereits ein Zeitraum von zwei Jahren und zwei Monaten verstrichen ist, zu keiner anderen Betrachtungsweise führen. Die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme ist daher gerechtfertigt.
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die belangte Behörde sei eine Begründung dafür schuldig geblieben, warum eine positive Verhaltensprognose nicht zu erstellen sei, ist ihm zu entgegnen, dass die belangte Behörde ihre negative Verhaltensprognose für den Beschwerdeführer - wie dargestellt zu Recht - auf die Art und Schwere des der Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhaltens, insbesondere auf die gewerbsmäßige Vorgangsweise, gestützt hat.
2. Bei der Interessenabwägung hat die belangte Behörde den rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit acht Jahren und sieben Monaten berücksichtigt. Im Hinblick auf das unstrittige Fehlen familiärer Beziehungen im Inland kommt den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Inland auch unter Berücksichtigung seiner festgestellten Tätigkeit als Zeitungsverkäufer kein entscheidendes Gewicht zu.
Dem steht die große Beeinträchtigung öffentlicher Interessen durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers gegenüber. Im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.
3.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass von der belangten Behörde hätte geprüft werden müssen, "ob nicht allenfalls die Voraussetzungen für die Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach § 38 FrG vorliegen". Weiters wäre zu überprüfen gewesen, "ob dahingehend nicht eine Aufenthaltsverfestigung vorliegt und vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft hätte gemäß § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz verliehen werden können". Da der Beschwerdeführer lediglich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bedingt verurteilt worden sei und § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG nur dann nicht zum Tragen komme, wenn eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verhängt worden sei, erscheine die Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes gegeben.
3.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Da sich der Beschwerdeführer unstrittig erst seit acht Jahren und sieben Monaten im Bundesgebiet befindet, könnte ihm die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG mangels der in der Z. 1 dieser Bestimmung normierten Voraussetzung des mindestens zehnjährigen inländischen Hauptwohnsitzes nicht verliehen werden. Schon aus diesem Grund steht § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG der Verhängung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Mangels zehnjähriger Niederlassung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch nicht gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 iVm § 35 Abs. 3 FrG unzulässig. Das Aufenthaltsverbots-Verbot gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 iVm § 35 Abs. 2 FrG greift schon deshalb nicht, weil der Beschwerdeführer von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt worden ist und sein weiterer Aufenthalt - wie dargestellt - deshalb die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde.
4. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass die belangte Behörde von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen gehabt hätte, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.
5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 11. Oktober 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001180178.X00Im RIS seit
24.01.2002