TE UVS Niederösterreich 2002/07/31 Senat-PL-01-0094

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Veröffentlicht am 31.07.2002
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Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben.

 

Das Strafverfahren wird eingestellt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG, BGBl Nr 51, in der derzeit geltenden Fassung und §§ 24 und 45 Abs 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl Nr 52, in der derzeit geltenden Fassung.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber wegen Übertretung des § 16 Abs 2 lit a StVO 1960 nach § 99 Abs 3 lit a leg cit eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,--(? 145,35) und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt. Im Spruch dieses Straferkenntnisses wurde es als erwiesen angesehen, dass der Berufungswerber am 27. Dezember 2000, um 10,10 Uhr, auf der W*********** (A1), im Gemeindegebiet P****, nächst Strkm. 49,6, in Fahrtrichtung W***, mit dem Sattel-KFZ, GM-***AH und GM-***AE ein mehrspuriges Kraftfahrzeug auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen ?Überholen für LKW verboten? (§ 52 Z 4c StVO 1960) mit der Zusatztafel ?für LKW über 7,5 t?, gekennzeichnet ist, links überholt hat.

 

Dagegen hat der Berufungswerber fristgerecht und vollinhaltlich Berufung erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, dass das Schwerfahrzeug, welches er überholt habe, auf dem Pannenstreifen gefahren sei. Der Pannenstreifen stelle keinen Teil der Fahrbahn dar und sei daher auch das Vorbeibewegen an einem wohl in gleicher Richtung, jedoch am Pannenstreifen fahrenden Fahrzeug, kein Überholen. Des weiteren werde auf die vom Bundesministerium für Inneres vertretene Rechtsmeinung verwiesen, wonach vom Vorschriftszeichen des § 52 lit a Z 4c StVO Sattelkraftfahrzeuge nicht umfasst seien. Der Berufungswerber stellte daher den Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu auf Absehen von einer Bestrafung gemäß § 21 Abs 1 VStG.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Gemäß § 16 Abs 2 lit a StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges außer den in Abs 1 angeführten Fällen mehrspurige Kraftfahrzeuge auf Straßenstrecken, die durch das Vorschriftszeichen ?Überholen verboten? gekennzeichnet sind, nicht überholen; es darf jedoch überholt werden, wenn rechts zu überholen ist.

 

Das Vorschriftszeichen des § 52 lit a Z 4c zeigt an, dass mit Lastkraftfahrzeugen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t das Überholen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen verboten ist.

 

§ 2 Abs 2 StVO 1960 verweist hinsichtlich der Begriffsbestimmungen für Fahrzeuge auf die kraftfahrrechtlichen Vorschriften. Als Sattelkraftfahrzeug gilt gemäß § 2 Z 10 KFG 1967 ein Sattelzugfahrzeug (Z 11) mit einem so auf diesem aufliegenden Sattelanhänger (Z 12), dass ein wesentlicher Teil seines Eigengewichtes oder, bei gleichmäßiger Verteilung der Ladung auf der Ladefläche, seines Gesamtgewichtes vom Sattelzugfahrzeug getragen wird. Gemäß Z 11 der genannten Bestimmung gilt als Sattelzugfahrzeug ein Kraftwagen, der nach seiner Bauart und Ausrüstung dazu bestimmt ist, einen Sattelanhänger (Z 12) so zu ziehen, dass ihn dieser mit einem wesentlichen Teil seines Eigengewichtes oder, bei gleichmäßiger Verteilung der Ladung auf der Ladefläche, seines Gesamtgewichtes belastet. Als Sattelanhänger gilt gemäß Z 12 der angeführten Bestimmung ein Anhänger, der nach seiner Bauart und Ausrüstung dazu bestimmt ist, so mit einem Sattelzugfahrzeug (Z 11) gezogen zu werden, dass er dieses mit einem wesentlichen Teil seines Eigengewichtes oder, bei gleichmäßiger Verteilung der Ladung auf der Ladefläche, seines Gesamtgewichtes belastet.

 

Laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Frage, ob ein Sattelkraftfahrzeug unter den Begriff ?Lastkraftfahrzeug? unterstellt werden muss, auf den Schutzzweck der Norm an. Zweck der Bestimmung ?Überholen für Lastkraftfahrzeuge verboten? des § 52 lit a Z 4c ist es, jenen Gefahren vorzubeugen, die auf dem betreffenden Straßenstück durch das Überholen durch Kraftfahrzeuge mit einem bestimmten Gesamtgewicht hervorgerufen werden und die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zu gewährleisten. In Beziehung auf diesen Schutzzweck stellt ein Sattelkraftfahrzeug aufgrund der in § 2 Z 10 KFG 1967 umschriebenen Verbindung zwischen Sattelzugfahrzeug und Sattelanhänger eine Einheit dar, sodass die Unterstellung von Sattelkraftfahrzeugen unter den Begriff ?Lastkraftfahrzeuge? gerechtfertigt erscheint (siehe auch VwGH vom 24.04.1991, 91/03/0068).

 

Dem Berufungswerber ist jedoch, unbeschadet des Umstandes, dass gegenständlich ein Überholmanöver vorlag, dahingehend zu folgen, wenn er vorbringt, es treffe ihn an der Übertretung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden.

Es trifft zu, dass mit Erlass des Bundesministerium für Inneres vom 27. Dezember 1999, Zl Abteilung III/3, die Auffassung vertreten wurde, dass ein Sattelkraftfahrzeug kein Lastkraftfahrzeug sei und § 52 lit a Z 4c StVO daher für Sattelkraftfahrzeuge nicht gelte. Insbesondere auch im Kommentar ?StVO ? Die österreichische Straßenverkehrsordnung nach der 20 Novelle?, Neuauflage 8/98, Herausgeber: ARBÖ, Auto-, Motor- und Radfahrerbund Österreichs, S 378, Anmerkung zu § 52 lit a Z 4c StVO wird die Auffassung vertreten, dass für Spezialkraftwagen, Sattelkraftfahrzeuge und Sattelzugfahrzeuge dieses Überholverbot nicht gelte. Es ist davon auszugehen, dass der Berufungswerber alles getan hat, um sich über die auf dem Gebiet seines Berufes erlassenen Vorschriften und deren Auslegung zu informieren. Eine Klarstellung in Bezug auf die Begriffe ?Sattelkraftfahrzeug? und ?Lastkraftfahrzeug? durch eine Novellierung der maßgeblichen Gesetztesstellen ist bis zum Zeitpunkt der Erlassung dieser Berufungsentscheidung noch immer nicht erfolgt.

 

Es kann daher dem Berufungswerber ein Verschulden nicht zur Last gelegt werden, zumal die von ihm vorgebrachte Auffassung mitunter auch in Publikationen vertreten wird.

 

Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren hiezu nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.

 

Von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war gemäß

§ 51e Abs 2 Z 1 VStG abzusehen, da sich bereits aus der Aktenlage ergab, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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