TE UVS Steiermark 2002/08/13 30.12-24/2002

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.08.2002
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufung des Herrn F L, vertreten durch Dr. R & P, Rechtsanwälte in G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 13.2.2002, GZ.: 15.1 14854/2001, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Laut Straferkenntnis hat der Beschuldigte als handelsrechtlicher Geschäftsführer der L S GmbH mit Sitz in U eine Verletzung des § 3 Abs 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG (Tatzeit: August 2001 bis 5.10.2001) zu verantworten, für die er mit einer Geldstrafe belegt wurde.

Laut Begründung bezweifelte die erste Instanz, dass die Bestellungsurkunde betreffend Bestellung des J H zum verantwortlichen Beauftragten die Rechtsmaterie Ausländerbeschäftigungsgesetz umfasse und verneinte eine rechtswirksame Bestellung.

In seiner Berufung gegen das Straferkenntnis machte der Beschuldigte unter anderem geltend, es mangle an seiner Verantwortlichkeit, da ein verantwortlicher Beauftragter für die L S GmbH bestellt worden sei. Seitens des Hauptzollamtes Graz langte innerhalb der 14-Tage-Frist keine Stellungnahme zur Berufung ein. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark gelangt auf Grund der Aktenlage zu folgender Beurteilung:

Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der L S GmbH mit Sitz in der politischen Gemeinde U und der Geschäftsanschrift U, Zweiter handelsrechtlicher Geschäftsführer ist N W. Am 6.4.2000 wurde im Firmenbuch der Firmenname L Gesellschaft mbH auf L S GmbH geändert. Am 21. September 1998 langte beim Arbeitsinspektorat Graz eine Urkunde ein, die unter dem Firmennamen den Titel trägt "Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 23 ArbIG und § 9 VStG". Unter Punkt 1.) scheint der Arbeitgeber "Fa. L GmbH, A- U" auf, im Punkt 2.) ist der verantwortliche Beauftragte J H genannt, Punkt 3.) umschreibt den räumlichen Geltungsbereich: Bundesgebiet der Republik Österreich. Im Punkt 4.) ("Sachlicher Geltungsbereich") heißt es:

Wir bestellen Herrn H als leitenden Angestellten gemäß Art 23 ArbIG und § 9 VStG 1991 zum verantwortlichen Beauftragten für den Bereich des Fuhrparks. Er ist mit der Durchführung sämtlicher bezughabenden Fuhrparkagenden beauftragt und allein verantwortlich. Weiters ist Herr H mit der Überwachung von arbeitsrechtlichen Normen beauftragt. Insbesondere hat Herr H auch für die Einhaltung der Bestimmungen des Arbeitsschutzes, des Arbeitszeit- und ruhegesetzes sowie des Kollektivvertrages für das Güterbeförderungsgewerbe, Sorge zu tragen. Punkt 5.): "Die Bestellung erfolgte am 16.9.1998 durch Herrn N W, Geschäftsführer der L GesmbH", Punkt 6.) enthält die Zustimmungserklärung und Unterschrift des Herrn H und Punkt 7.) bringt zum Ausdruck, dass der Geschäftsführer N W die Meldung erstattete. Das Arbeitsinspektorat Graz vertrat in seiner Stellungnahme vom 16. August 2001 in erster Instanz die Ansicht, der Punkt 4.) "Sachlicher Geltungsbereich" enthalte nicht die Verantwortung für Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes. Es ist somit zu prüfen, ob diese und die weiteren Voraussetzungen für die Rechtswirksamkeit der Bestellung des J H zum verantwortlichen Beauftragten vorliegen. § 9 VStG ("besondere Fälle der Verantwortlichkeit") lautet auszugsweise: (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. (2)Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

(3) Eine natürliche Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens

ist, kann für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen.

(4) Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. ... § 28 a Abs 3 AuslBG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 68/2002: Die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 und 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, in der jeweils geltenden Fassung, für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes wird erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist. Dies gilt nicht für die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten auf Verlangen der Behörde gemäß § 9 Abs 2 VStG. Unter den Voraussetzungen für die Wirksamkeit des Adressatenwechsels in Bezug auf die Normen des Verwaltungsstrafrechts ist als erste zu nennen, der interne Akt der Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten und dessen Nachweis gegenüber der Behörde (VwGH 93/10/0064 vom 26.9.1994, Zl. 96/10/0104 vom 20.12.1999). Diese Bestellung erfolgt im Innenverhältnis in der Regel durch zivilrechtliche Vereinbarung (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II² (2000), Fn 12 zu § 9 VStG). Es handelt sich demnach dabei weder um einen Akt der Vertretung noch einen solchen der Geschäftsführung, weshalb dem Umstand keine Bedeutung zukommt, dass die beiden Geschäftsführer die Gesellschaft gemeinsam oder jeweils mit einem Prokuristen vertreten. Bestellung und Zustimmung können grundsätzlich formfrei erfolgen; hinsichtlich der Zustimmung wird von § 9 Abs 4 VStG ausdrücklich die Nachweislichkeit verlangt. Dies bedeutet nichts anders, als dass das Beweisergebnis, mit dem die Zustimmung dokumentiert wird, aus der Zeit vor Begehung der strafbaren Handlung stammt, etwa in Form einer entsprechenden Urkunde, aber auch einer Zeugenaussage (VwGH Zl. 92/18/0176, 0181 vom 24.3.1994). Nicht verlangt wird hingegen, dass die Bestellung durch eine Urkunde nachgewiesen wird, die von den zur Vertretung nach außen Berufenen unterfertigt wurde (VwGH Zl. 97/11/0332-0335 vom 26.3.1998). In einem anderen vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall langte beim Arbeitsinspektorat eine Urkunde mit der Überschrift "Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 23 Abs 1 ArbIG" ein, die namens des Auftraggebers von einem Prokuristen unterschrieben war, aus der sich aber kein Hinweis ergab, dass es daneben einen Bestellungsakt durch die zur Vertretung nach außen Berufenen gegeben hätte, weshalb die Bestellung unwirksam war (VwGH Zl. 96/02/0274 vom 4.10.1996). Als ausreichend wurde es angesehen, wenn sich zB. im urkundlichen Nachweis betreffend die Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten ein Hinweis findet, dass ihn der Vorstand vorher mündlich zum verantwortlichen Beauftragten bestellt hat (VwGH Zl. 92/18/0176, 0181 vom 24.3.1994). Zusammenfassend ist zum Nachweis der Bestellung auszuführen, dass in Fällen, in denen die Mitteilung an das Arbeitsinspektorat (seit 01.07.2002: die Zollbehörde) nicht zugleich die Bestellung des verantwortlichen Beauftragten erhält, in der Regel zumindest ein schriftlicher Hinweis vorhanden sein muss, aus dem sich die vorhergehende, wenn auch nur mündliche Bestellung des verantwortlichen Beauftragten ergibt. Sind mehrere zur Vertretung nach außen Berufene vorhanden, ist zu fragen, ob und in welcher Art und Weise sie sich an der Bestellung beteiligen müssen. Im Fall des Erkenntnisses Zl. 97/11/0332-0335 sah es der Verwaltungsgerichtshof als ausreichend an, dass einer von zwei handelsrechtlichen Geschäftsführern einer GmbH die Bestellungsurkunde unterschrieb, da sich die Mitteilung (an das Arbeitsinspektorat, zugleich Bestellungsurkunde) der GmbH zurechnen ließ, der Firmenwortlaut der Gesellschaft vollständig angegeben war und die Mitteilung offenbar unter Verwendung eines amtlichen Vordruckes erfolgte. Dies erscheint insofern nicht überzeugend, als sich der Verwaltungsgerichtshof nicht damit auseinander setzte, ob der zweite Geschäftsführer an der Bestellung überhaupt beteiligt war. Um dem Nachweis der Bestellung Genüge zu tun, ist zu fordern, dass in einem solchen Fall die Bestellung so vorzunehmen ist, dass sie nach Zivilrecht allen zur Vertretung nach außen Berufenen zugeordnet werden kann. Im hier zu beurteilenden Fall wurde die Bestellung des J H zum verantwortlichen Beauftragten laut Urkunde vom 16.9.1998 ausdrücklich durch den Geschäftsführer N W vorgenommen, sie bezog sich aber laut deren Punkt 1.) auf den Arbeitgeber: Firma L GmbH, und laut Punkt 4.) bediente sich N W hiebei der "Wir-Form" ("Wir bestellen Herrn H ..."). Daraus ergibt sich nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates genügend klar, dass N W die Bestellung nicht nur im eigenen Namen vornahm, sondern dabei auch im Auftrag des zweiten Geschäftsführers F L handelte, womit der zivilrechtliche Vorgang ausreichend nachgewiesen erscheint. Wie angeführt, wurde nach der Bestellung des verantwortlichen Beauftragten der Firmenname von L Gesellschaft mbH in L S GmbH geändert: Da durch diese Firmenänderung die Identität der Gesellschaft nicht geändert wurde und vor allem nicht jene weitreichenden Folgen eintraten wie die Auflösung der Gesellschaft, die durch deren Übernahme ausgelöst werden, hat die Änderung der Firma auf die Bestellung des verantwortlichen Beauftragten keinen Einfluss (vgl. VwGH 93/10/0064 vom 26.9.1994, Zl. 96/10/0104 vom 20.12.1999). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs umfasst die Zuständigkeit für Personal und arbeitsrechtliche Angelegenheiten auch die Einhaltung der Vorschriften nach dem AuslBG (VwGH Zl. 95/09/0320 vom 15.9.1998). Wenn nun Punkt 4.) der Bestellungsurkunde die "Überwachung von arbeitsrechtlichen Normen" einschließt, ist ein prinzipieller Unterschied zwischen arbeitsrechtlichen Angelegenheiten und arbeitsrechtlichen Normen insofern nicht zu erkennen, als sich die Überwachung von arbeitsrechtlichen Normen auf arbeitsrechtliche Angelegenheiten bezieht. Daher erstreckt sich der sachliche Geltungsbereich der Verantwortungsübernahme des Herrn J H entgegen der Ansicht der ersten Instanz und entgegen der Ansicht des Hauptzollamtes auch auf die Einhaltung des AuslBG, wie dies die Vertreter des Beschuldigten bereits in der schriftlichen Stellungnahme vom 24.9.2001 im Punkt 2.) in erster Instanz ausgeführt haben. Weiter muss der Behörde eine "entsprechende Anordnungsbefugnis" im Sinne des § 9 Abs 4 VStG nachgewiesen werden: So findet etwa "die Leitung der Filiale und die damit verbundene Verantwortlichkeit ihre Entsprechung u.a. in der sich auf die Einhaltung aller die Filiale betreffenden Verwaltungsvorschriften (also auch des Arbeitszeitgesetzes) beziehenden Anordnungsbefugnis der zum Leiter bestellten Person". (VwGH Zl. 90/19/0323 vom 22.10.1990). Wenn im Punkt 4.) der Bestellungsurkunde J H als leitender Angestellter bezeichnet wurde, und es weiter heißt "Er ist mit der Durchführung sämtlicher bezughabenden Fuhrparkagenden beauftragt und allein verantwortlich" lässt sich daraus ableiten, dass er auch mit jener Anordnungsbefugnis ausgestattet wurde, die es ihm ermöglicht, seine Verantwortung wahrzunehmen. Zusammenfassend ergibt sich daher, dass die Verantwortung für Übertretungen des AuslBG im Bereich der L S GmbH bereits vor der Tatzeit (26.3.2001 bis 31.3.2001) auf den verantwortlichen Beauftragten überging, und der Beschuldigte selbst diese Übertretung nicht begangen hat. Das Straferkenntnis ist aufzuheben und das Verfahren einzustellen. Dies steht einer Verfolgung des verantwortlichen Beauftragten trotz Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist nicht entgegen (§ 32 Abs 3 VStG).

Schlagworte
verantwortlicher Beauftragter Bestellungsakt Bestellungsurkunde Wirkungsbereich Anordnungsbefugnis
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten