Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 99/18/0322 E 27. Februar 2003Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des F H, (geboren 8. Juni 1979), in Wien, vertreten durch Dr. Harald Bisanz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 20. Mai 1999, Zl. Fr-158/99, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen einen Aufenthaltsverbotsbescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 20. Mai 1999 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das von der Bundespolizeidirektion Salzburg mit Bescheid vom 17. November 1998 gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen.
In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer unter anderem Folgendes ausgeführt: Die Erstbehörde hätte den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 18. Jänner 1999 mit dem Argument abgewiesen, dass es sich bei dem antragsbegründenden Vorbringen um einen Verständnisirrtum gehandelt hätte und dass es einem sorgfältigen Menschen zuzumuten wäre, bei Nachfrage sich über die rechtlichen Konsequenzen der gegen ihn beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahmen ausreichend zu informieren. Die Erstbehörde würde dabei übersehen, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers mit der auf Grund der Anhaltung "im PGH" (PGH: Polizeigefangenenhaus) eingeschränkten persönlichen Freiheit und dem damit verbundenen Unvermögen, einen Rechtsbeistand und/oder Dolmetscher zu Rate zu ziehen, der Rechts- und Sprachunkenntnis des Beschwerdeführers und dem Erfordernis des Verfassens einer Berufung in der deutschen Sprache begründet worden wäre. Der Ansicht der Erstbehörde, es wäre dem Beschwerdeführer zuzumuten, sich ausreichend zu informieren, und er hätte eine Übersetzung des Bescheides nicht ausdrücklich verlangt, wäre entgegen zu halten, dass es sich einerseits bei der Beiziehung eines Dolmetschers um ein in § 39a AVG gesetzlich normiertes Erfordernis handle, und dass dieses die Notwendigkeit der Beiziehung eines Rechtsbeistandes keinesfalls zu ersetzen vermöchte. Entgegen der Auffassung der Erstbehörde wäre es nicht Aufgabe des zur fremdenpolizeilichen Amtshandlung beigezogenen Dolmetschers, den Fremden über die rechtlichen Konsequenzen zu informieren oder ihm als Rechtsbeistand mit sachkundigen Informationen bezüglich allfälliger Berufungen zu dienen. Die Erstbehörde hätte übersehen, dass der Beschwerdeführer selbst bei Kenntnis des Bescheidinhalts beim Verfassen einer Berufung vor unüberwindlichen Hindernissen gestanden wäre. Die Feststellung der Erstbehörde, der Beschwerdeführer hätte eine Übersetzung des Bescheides "laut eigenen Angaben auch nicht ausdrücklich verlangt", wäre aktenwidrig. Vielmehr hätte der Beschwerdeführer "im PGH" ausdrücklich den Wunsch nach einem Rechtsbeistand geäußert. Diesem Begehren wäre jedoch nicht Rechnung getragen worden. Die Erstbehörde würde es als ausreichend ansehen, dass im Aufenthaltsverbotsverfahren ein Dolmetscher hinzugezogen worden wäre. Es wäre jedoch unzutreffend, dass dies einen mit den österreichischen Gesetzen nicht vertrauten und der deutschen Sprache nicht mächtigen Asylwerber in die Lage versetzen würde, ein etwaiges Rechtsmittel zu ergreifen. Die Erstbehörde widerlegte das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht, wonach zum einen Rechtsmittel im fremdenpolizeilichen Verfahren in deutscher Sprache zu verfassen wären, und dass ihm dies auf Grund der Unkenntnis dieser Sprache unmöglich gewesen wäre. Zum anderen hätte der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung geltend gemacht, dass er sich über die formalen und inhaltlichen Erfordernisse eines gültigen Rechtsmittels auf Grund des Nichtaufliegens der diesbezüglichen Rechtsvorschriften in einer ihm verständlichen Sprache "im PGH" nicht hätte informieren können. Auch auf dieses Vorbringen wäre die Erstbehörde nicht eingegangen.
Dazu führte die belangte Behörde Folgendes aus: Der Beschwerdeführer vertrete mit seinen Berufungsausführungen die Auffassung, dass sein Vorbringen - auf Grund der Anhaltung im Polizeigefangenenhaus (PGH) und dem damit verbundenen Unvermögen, einen Rechtsbeistand und/oder Dolmetscher beizuziehen, seiner Rechts- und Sprachunkenntnis und dem Erfordernis des Verfassens der Berufung in deutscher Sprache - begründet wäre. Grundsätzlich gelte, dass die Partei an der Versäumung der Frist kein Verschulden treffen dürfe. Selbst ein unabwendbares Ereignis sei nicht als Wiedereinsetzungsgrund anzuerkennen, wenn der Eintritt durch die Partei zumindest fahrlässig verursacht worden sei. Die belangte Behörde habe zu prüfen, ob es sich tatsächlich um ein für den Beschwerdeführer unabwendbares Ereignis handle bzw. ob ihn kein oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe. Mit seinen Ausführungen vertrete der Beschwerdeführer die Ansicht, dass er nur durch das Nichtverstehen der deutschen Sprache bzw. wegen der mangelhaften Übersetzung nicht in der Lage gewesen wäre, einen Rechtsbeistand beizuziehen. Auch wäre ihm das Verfassen einer Berufung in deutscher Sprache nicht möglich gewesen. Zu den mangelnden Sprachkenntnissen sei festzustellen, dass ein derartiger Mangel keinen Wiedereinsetzungsgrund darstelle. Auch wenn man einen solchen Rechtsnachteil in Betracht ziehe, sei die Wiedereinsetzung wegen Verschuldens des Beschwerdeführers nicht zu bewilligen. Er führe an, dass ein Verständnisirrtum zur Versäumung der Rechtsmittelfrist geführt hätte. Festzustellen sei, dass es für ihn jedenfalls habe ersichtlich sein müssen, dass die Behörde beabsichtige, ein Verfahren gegen ihn durchzuführen. Ausgehend davon, dass er illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und in der Folge - bei dem Versuch, illegal nach Deutschland zu gelangen - festgenommen und an die österreichischen Behörden rückgestellt worden sei, habe er damit rechnen müssen, dass die Behörde eines für ihn fremden Staates massiv gegen derartige Beeinträchtigungen des Interesses an einem geordneten Grenzkontroll- und Fremdenwesen vorgehe. Er habe in Kenntnis des gegen ihn anhängigen Verfahrens den Bescheid, mit dem gegen ihn ein Aufenthaltsverbot erlassen worden sei, eigenhändig übernommen. Dass ihm dieser Bescheid, wie er behaupte, nicht übersetzt worden sei, obwohl eine Dolmetscherin anwesend gewesen sei, stelle kein bloß minderes Versehen seinerseits dar, weil es für jedermann offenkundig sei, dass mit dem Leisten einer Unterschrift mitunter wesentliche Folgen verbunden seien. Es wäre geradezu die Pflicht des Beschwerdeführers gewesen, auf das Übersetzen dieses Bescheides zu bestehen. Dass diese Übersetzung verweigert worden wäre, sei nach der Aktenlage durch Nichts zu belegen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorweg ist festzuhalten, dass - insoweit stimmen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens überein - die Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den genannten Aufenthaltsverbotsbescheid vom 17. November 1998 versäumt wurde, somit die wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages erfüllt ist (vgl. § 71 Abs. 1 AVG).
2. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass er der deutschen Sprache nicht mächtig sei, und ihm bei der Zustellung des Aufenthaltsverbotsbescheides dieser nicht übersetzt, sondern lediglich von einer Dolmetscherin mitgeteilt worden sei, dass über ihn ein Aufenthaltsverbot verhängt würde. Nach Aushändigung des Aufenthaltsverbotsbescheides hätte er im Gefangenenhaus erfolglos darauf gedrungen, ihm einen Rechtsbeistand zur Verfügung zu stellen. Mangels ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache sei er ohne Rechtsbeistand nicht in der Lage gewesen, ein den Anforderungen eines begründeten Berufungsantrages genügendes Rechtsmittel zu erheben. Zum einen habe er keine konkrete Kenntnis vom Bescheidinhalt gehabt, zum anderen hätte eine allenfalls von ihm ohne Rechtsbeistand verfasste Berufung zwangsläufig zu einem gänzlichen Fehlen der Begründung des Berufungsantrages geführt. Dass dem Beschwerdeführer der Inhalt des Aufenthaltsverbotsbescheides nicht übersetzt worden sei, werde von der belangten Behörde implizit dadurch zugestanden, dass sie ausführe, der Beschwerdeführer hätte die Übersetzung des Bescheidinhaltes gar nicht verlangt. Aber nicht einmal eine Übersetzung des Aufenthaltsverbotsbescheides hätte den Beschwerdeführer in die Lage versetzt, ohne Rechtsbeistand eine den Bestimmungen des AVG entsprechende, der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienliche Berufung zu verfassen. Es sei nicht Pflicht einer Verfahrenspartei, auf vollständige Übersetzung eines ihr aus sprachlichen Gründen nicht verständlichen Bescheides zu dringen, sondern vielmehr treffe die Behörde eine Manuduktionspflicht dahin, eine Verfahrenspartei darüber aufzuklären, dass sie ohne Übersetzung der Bescheidbegründung nicht in die Lage versetzt werde, ein taugliches Rechtsmittel ausführen zu können. Es müsse sichergestellt sein, dass ein Fremder gerade wegen der Einengung seiner Freiheit während der Schubhaft den von ihm gewünschten Rechts- oder sonstigen Beistand rechtzeitig erhalte. Mit seinem diesbezüglichen Vorbringen hätte sich die belangte Behörde im Verwaltungsverfahren auseinander setzen müssen, weshalb auch der für die Frage des Vorliegens eines Wiedereinsetzungsgrundes maßgebliche Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben sei.
3. Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist einer Partei, die dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurde dem Beschwerdeführer anlässlich seiner im Beisein eines Dolmetschers durchgeführten Einvernahme vor der Erstbehörde am 16. November 1998 (u.a.) zur Kenntnis gebracht, dass er "wegen illegaler Einreise/illegalen Aufenthalts im Verwaltungsstrafverfahren bestraft werde", gegen ihn "die Schubhaft zur Vorbereitung der Erlassung einer Ausweisung/eines Aufenthaltsverbotes bzw. zur Durchsetzung dieser Maßnahme erlassen" werde, gegen ihn "ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung/eines Aufenthaltsverbotes eingeleitet" werde, und dass beabsichtigt sei, ihn in seine Heimat ab- bzw. in sein Herkunftsland zurückzuschieben. Der Beschwerdeführer bestätigte mit seiner Unterschrift, dass ihm der Inhalt der Niederschrift dieser Einvernahme übersetzt worden sei und er alles verstanden habe. Lediglich einen Tag später, am 17. November 1998, wurde dem Beschwerdeführer der in Rede stehende Aufenthaltsverbotsbescheid im Amte zugestellt, was er ebenfalls mit seiner Unterschrift bestätigte. Auf dem Boden seines Vorbringens, dass ihm von der bei der Zustellung anwesenden Dolmetscherin mitgeteilt worden sei, dass es sich um einen Aufenthaltsverbotsbescheid handle, hätte der Beschwerdeführer auf Grund seiner Einvernahme am 16. November 1998, bei der er alles verstanden habe, den amtlichen (behördlichen) Charakter des ihm am 17. November 1998 ausgehändigten Schriftstückes und die auf Grund der im gegebenen Zusammenhang bestehenden Wahrscheinlichkeit der damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen erkennen müssen. Auf dem Boden der hg. Rechtsprechung wäre es ihm daher zumutbar gewesen, sich aus eigenem - ohne ausdrückliche Belehrung, dass dies möglich sei - um die Erlangung einer Hilfestellung für die Abfassung eines Rechtsmittels zu bemühen (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 2. März 1999, Zl. 99/18/0032). Der Beschwerdeführer bringt zwar diesbezüglich (wie erwähnt) vor, "im PGH ... ausdrücklich den Wunsch nach einem Rechtsbeistand geäußert" zu haben, er legt aber nicht dar, selbst konkrete Schritte zur Erlangung einer solchen Hilfestellung - wie etwa die versuchte Kontaktaufnahme mit einer Hilfsorganisation oder das Ersuchen um Hilfestellung an einen Bediensteten des Gefangenenhauses - gesetzt zu haben, und dass diese angesichts der näheren Umstände seiner Schubhaft erfolglos geblieben seien (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1998, Zl. 95/18/0379), vielmehr hat er in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (den er diesbezüglich in seiner Berufung gegen den Erstbescheid wiedergibt, vgl. OZ. 15 und OZ. 20 der von der Erstbehörde geführten Verwaltungsakten) lediglich darauf hingewiesen, dass er von den Telefonnummern der in der Flüchtlingsberatung tätigen Organisationen keine Kenntnis gehabt habe, und darüber hinaus im Polizeigefangenenhaus der Zugang zu einem Telefonbuch und die Benützung des Telefons in der Praxis nur mit erheblicher Verzögerung oder oft nur auf Grund wiederholter Anfragen des Schubhäftlings gewährt würde.
Darin, dass es der Beschwerdeführer sohin verabsäumt hat, zumutbare Maßnahmen zur Wahrung der ihm im Aufenthaltsverbotsverfahren offen stehenden Rechtsverfolgungsmöglichkeiten zu ergreifen, kann nicht bloß ein minderer Grad des Versehens im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG erblickt werden (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 99/18/0032).
Vor diesem Hintergrund geht auch die Verfahrensrüge fehl, der Sachverhalt sei für die Frage des Vorliegens eines Wiedereinsetzungsgrundes in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben.
4. Da somit dem bekämpften Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. Oktober 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999180325.X00Im RIS seit
23.01.2002