TE UVS Salzburg 2002/09/25 18/10154/7-2002nu

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Veröffentlicht am 25.09.2002
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg erlässt durch das Einzelmitglied Mag. Peter Nußbaumer über die Berufung des S in S, vertreten durch Rechtsanwälte S OEG in W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 17.05.2002, Zahl 30306/369-19204-2000.1, folgendes Erkenntnis:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG wird  Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben. Das Verwaltungsstrafverfahren wird gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

Text

Begründung:

Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten zur Last gelegt, er habe es als gemäß § 9 Abs 2 VStG bestellter verantwortlich Beauftragter der Firma L GmbH in A, N 319, zu verantworten, dass die Firma - wie anlässlich einer Kontrolle am 26.6.2000 um 12.00 Uhr in A, N 319, festgestellt wurde - das Lebensmittel ?Italienische Nektarinen, Klasse I? im Selbstbedienungskühlregal zum Verkauf feilgeboten und somit in Verkehr gebracht habe, obwohl die Nektarinen auch nach längerer Lagerung nicht den zum Verzehr erforderlichen Reifezustand aufgewiesen haben, der ihre charakteristischen Eigenschaften bedingt. Das Lebensmittel ist daher nach den Bestimmungen des § 8 lit c LMG als unreif zu beurteilen und unterliegt daher dem Verbot des § 7 Abs 1 lit b LMG.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß § 8 lit c iVm § 7 Abs 1 lit b LMG iVm § 9 Abs 2 VStG wurde über den Beschuldigten eine Geldstrafe in Höhe von ? 500,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) verhängt.

 

Der Beschuldigte hat durch seine ausgewiesenen Vertreter hiegegen rechtzeitig schriftliche Berufung eingebracht. Ihm werde vorgeworfen, als verantwortlicher Beauftragter der L GmbH dafür verantwortlich zu sein, dass italienische Nektarinen in Verkehr gebracht worden sind, obwohl diese als unreif beurteilt worden seien. An der gegenständlichen Verwaltungsübertretung treffe ihn kein Verschulden. Es wäre darauf hinzuweisen, dass die Erkennbarkeit des Mangels nur eingeschränkt vorliege, wenn man die beanstandete Ware vor sich habe. Dabei sei zu übersehen, dass italienische Nektarinen täglich an jede Filiale in größeren Mengen geliefert würden. Allfällige Überprüfungen müssten daher auf Stichproben beschränkt sein. Keinesfalls sei es erforderlich, dass jedes Lebensmittel jeder einzelne Charge untersucht werde. Berücksichtigt man diese unbestreitbare Tatsache, komme man zum Ergebnis, dass die beanstandeten Nektarinen durchaus auch bei Stichproben übersehen hätten werden können, ohne dass deswegen irgendjemand ein Vorwurf zu machen sei. Selbst wenn man davon ausginge, dass einem Angestellten ein Versehen unterlaufen sei und die Nektarinen zu Unrecht ?freigegeben? wurden, begründet dies noch lange nicht sein Verschulden. Es widerspreche dem Verschuldensprinzip im Strafrecht, würde das Verschulden einer Person einer anderen zugerechnet. Dass ihr HACCP-Plan nicht ausreichen würde, um die Qualität der vertriebenen Lebensmittel sicherzustellen, sei im Verfahren erster Instanz nicht hervorgekommen. Im Gegenteil, die Behörde erster Instanz habe festgehalten, dass im Laufe der Arbeitsschritte der Mangel auf jeden Fall hätte auffallen müssen. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass die einzelnen Angestellten von den Filialleitern und Filialleiter-Stellvertretern überwacht würden. Die Überwachung beziehe sich einerseits auf die Ausführung der Tätigkeit und andererseits auf die Qualität der Ware nach den Kontrollen. Diese Überwachung geschehe laufend im Zuge des täglichen Dienstes und nicht bloß stichprobenartig. Selbstverständlich sei es den Filialleitern bzw. deren Stellvertretern ebenfalls nicht möglich, jedes einzelne Lebensmittel auf seine ordnungsgemäße Beschaffenheit zu überprüfen.

Im übrigen sei die verhängte Geldstrafe von ? 500,-- viel zu hoch. Es sei davon auszugehen, dass die nicht dem Gesetz entsprechenden Nektarinen noch im Laufe des Probenziehungstages aussortiert worden wären, andererseits sei ein Schaden für den Verbraucher nicht zu erwarten gewesen. Wenn die Mängel so auffällig gewesen seien, wie das von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Salzburg beschrieben worden ist, würde kein Verbraucher die Nektarinen kaufen. Letztendlich habe auch noch die Kontrolle an der Kassa sichergestellt, dass die Verbraucher, welche die Mängel übersehen, ordnungsgemäße Ware erhielten.

 

In der Sache wurde am 7.8.2002 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

Der Beschuldigte ließ sich durch seinen Rechtsbeistand vertreten. Zeugenschaftlich einvernommen wurden ein Organ der Lebensmittelaufsicht, weiters Herr S.

Herr Mag. J hat als Sachverständiger für Lebensmitteluntersuchung ein Gutachten erstattet.

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat hiezu gemäß § 51 c VStG durch ein Einzelmitglied erwogen:

 

Der Beschuldigte ist verantwortlicher Beauftragter der Firma L GmbH. In dieser Funktion war er zum Tatzeitpunkt (26.6.2000) hinsichtlich der Filialen B, K und A für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortlich.

 

In der L Filiale A, N 319, wurde am 26.6.2000 um 12:00 Uhr das Lebensmittel ?Italienische Nektarinen, Klasse I? im Selbstbedienungsregal zum Verkauf angeboten. Die Lebensmittelpolizei des Amtes der Salzburger Landesregierung hat zu diesem Zeitpunkt eine Probe gezogen und noch am selben Tag der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Salzburg übermittelt. Die Untersuchung ergab, dass die Nektarinen als unreif zu beurteilen waren; auch nach etwa einer einwöchigen Lagerung war keine Nachreifung der Nektarinen bis zur Genusstauglichkeit festzustellen.

 

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs 1 lit b LMG 1975 ist es verboten, Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe in Verkehr zu bringen, die verdorben, unreif, nachgemacht, verfälscht oder wertgemindert sind, ohne dass dieser Umstand deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist.

Gemäß § 8 lit c LMG sind Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe unreif, wenn sie noch nicht die Beschaffenheit erreicht haben, die ihre bestimmungsgemäße Verwendung erlaubt oder ihre charakteristischen Eigenschaften bedingt.

Gemäß § 74 Abs 2 Z 1 LMG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, die unreif oder wertgemindert sind, wenn dieser Umstand nicht deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist oder wenn sie auch mit einer solchen Kenntlichmachung nicht in Verkehr gebracht werden dürfen, in Verkehr bringt, und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu ? 7.260,-- zu bestrafen.

 

Der Beschuldigtenvertreter hat in der Berufungsverhandlung vorgebracht, der Tatvorwurf gegen den Beschuldigten entspreche nicht dem Gesetz, weil bei dem Vorwurf, dass Nektarinen feilgeboten wurden, obwohl die Nektarinen auch nach längerer Zeit nicht den zum Verkehr erforderlichen Reifezustand aufgewiesen haben, davon auszugehen sei, dass dieses Lebensmittel nicht als unreif sondern als verdorben im Sinn des § 7 Abs 1 lit b erster Fall bzw. § 8 lit b LMG anzusehen sei.

Dieser Einwand ist verfehlt. Bei einem unreifen Lebensmittel ist zwar - im Sinne der Definition von ?verdorben? gemäß § 8 lit b) LMG ? auch die bestimmungsgemäße Verwendbarkeit wesentlich vermindert oder ausgeschlossen, es handelt sich jedoch bei der Reife um die speziellere Eigenschaft, die damit der allgemeineren Beurteilung als verdorben vorgeht. Als unreif können nämlich nur Lebensmittel eingestuft werden, die einem Reifeprozess unterliegen ? also insbesondere Obst, Gemüse oder Käse.

 

Für den vorliegenden Tatvorwurf ist es im übrigen unerheblich, ob die Nektarinen nach einer Nachreifung den gebotenen Reifegrad erreicht hätten oder nicht, weil gemäß § 74 Abs 2 Z 1 LMG der Zustand der Ware zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens maßgeblich ist.

 

Der Tatvorwurf entspricht jedoch aus einem anderen Grund nicht dem Gesetz:

Aus § 7 Abs 1 lit b iVm § 74 Abs 2 Z 1 LMG ergibt sich, dass das Inverkehrbringen von unreifen Lebensmitteln nur dann untersagt ist, wenn dieser Umstand nicht deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist. Das Fehlen einer entsprechenden Kenntlichmachung der Unreife ist somit Tatbestandselement der vorliegenden Verwaltungsübertretung. In der Berufungsverhandlung hat sich zwar ergeben, dass vorliegend keine entsprechende Kenntlichmachung erfolgt ist, eine Berichtigung des Tatvorwurfes ist jedoch nur unter Einhaltung der Bestimmungen über die Verfolgungsverjährung zulässig.

 

Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist.

Die Verfolgungsfrist beträgt für Übertretungen des LMG gemäß § 74 Abs 5 LMG ein Jahr.

 

Eine Verfolgungshandlung muss, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt u. a. wegen eines bestimmten strafbaren Sachverhaltes erfolgen. Dies erfordert, dass sie sich auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat (vgl Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Aufl, S 923).

 

Im vorliegenden Verfahren enthalten sämtliche Verfolgungsschritte innerhalb Jahresfrist (ab dem Inverkehrbringen) keinen Hinweis auf das Tatbildmerkmal der mangelnden Kenntlichmachung der Unreife. Erst in der Berufungsverhandlung wurde ein Zeuge in Anwesenheit des Beschuldigtenvertreters dazu befragt.

Damit war das Verwaltungsstrafverfahren wegen zwischenzeitlich eingetretener Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen.

Schlagworte
Inverkehrbringen von unreifen Lebensmitteln
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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