Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Michael Herrmann über die Berufung der Frau S H, vertreten durch Mag. M B, Rechtsanwalt in G, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 19.07.2002, Zl.: III/S 23.967/01, wie folgt entschieden:
Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) Folge gegeben das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und 3 VStG eingestellt.
Mit dem im Spruch genannten Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt, sie habe am 28.06.2001 (richtigerweise am 29.06.2001), um ca. 07.20 Uhr, in G, Abfahrt G-Nord (Fahrtrichtung stadteinwärts), im Bereich der Einmündung der J (Auffahrt R), ca. 30 m stadteinwärts des Km. 0,8, als Lenkerin des PKW, die J in Richtung stadteinwärts befahrend, den Fahrstreifen gewechselt, ohne sich vorher überzeugt zu haben, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich gewesen sei, wodurch es zu einem Verkehrsunfall mit Personenschaden gekommen sei.
Hiedurch habe sie eine Übertretung des § 11 Abs 1 StVO begangen und wurde hiefür eine Geldstrafe in der Höhe von ? 110,00 (2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Mit Schreiben vom 20.08.2002 wurde fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung eingebracht, wobei ua. ausgeführt wurde, dass der Vorwurf eines Verstoßes gegen § 11 Abs 1 StVO zur Gänze unzutreffend sei.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark stellt hiezu Nachfolgendes fest:
Da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Entsprechend der Anzeige der Bundespolizeidirektion Graz vom 05.07.2001 befuhr Frau P K am 29.06.2001, um ca. 07.20 Uhr, von der Phyrnautobahn (A 9) kommend den rechten Fahrstreifen der Abfahrt G-Nord in Richtung stadteinwärts als Lenkerin des PKW. Die Berufungswerberin wiederum befuhr zu diesem Zeitpunkt als Lenkerin des PKW die J bzw. in Folge die Einmündung der J in die Abfahrt G-N in Fahrtrichtung stadteinwärts. Im Genaueren befuhr Frau K damals mit ihrem PKW den rechten Fahrstreifen der Abfahrt G-N in Richtung stadteinwärts gesehen, währenddessen sich die Berufungswerberin mit ihrem PKW auf dem Beschleunigungsstreifen, welcher wiederum in die Abfahrt G-N einmündet, befunden hat. Im Bereich der Einmündung des Beschleunigungsstreifens in die Abfahrt G-N, ca. 30 m stadteinwärts des Km 0,8, stieß die linke Vorderecke des PKW, gelenkt von der Berufungswerberin, gegen die vordere rechte Tür des PKW, gelenkt von Frau K. Nach den Angaben von Frau K begann die Berufungswerberin vom Beschleunigungsstreifen auf den rechten Fahrstreifen der Abfahrt G-N zu wechseln und erfolgte der Anstoß auf dem rechten Fahrstreifen der Abfahrt G-N bzw. J. Die Berufungswerberin wiederum gab an, dass der Anstoß auf dem Beschleunigungsstreifen erfolgte. In Folge des Zusammenstoßes gerieten beide Fahrzeuge ins Schleudern bzw. entstand an beiden Fahrzeugen Sachschaden. Weiters wurde Frau K bei dem Unfall leicht verletzt. Gemäß § 11 Abs 1 StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrtrichtung nur ändern oder den Fahrstreifen wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist. Gemäß § 19 Abs 6 StVO haben Fahrzeuge im fließenden Verkehr den Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die von Nebenfahrbahnen, von Fußgängerzonen, von Wohnstraßen, von Haus- oder Grundstücksausfahren, von Garagen, von Parkplätzen, von Tankstellen, von Feldwegen oder dergleichen kommen. Hinsichtlich des gegenständlichen der Berufungswerberin zur Last gelegten Sachverhaltes ist nunmehr wie folgt auszuführen:
Eine Vorrangverletzung beim Einordnen in den fließenden Verkehr nach § 19 Abs 6 StVO und kein Fahrstreifenwechsel nach § 11 Abs 1 StVO liegt vor, wenn ein Lenker den Beschleunigungsstreifen der Autobahn benützt und hiebei durch Überfahren der Begrenzungslinie einen Lenker am rechten Fahrstreifen der Autobahn behindert. So gehört der Beschleunigungsstreifen nach § 2 Abs 1 Z 6 c StVO noch nicht zur Fahrbahn der Autobahn, da er dem Einordnen in den (schneller) fließenden Autobahnverkehr dient. Während die Fahrstreifen einer Fahrbahn durch Leitlinien voneinander getrennt sind, ist der Beschleunigungsstreifen nach § 55 Abs 3 StVO durch eine Begrenzungslinie von der Fahrbahn der Autobahn abgegrenzt. Die Tatsache, dass § 46 Abs 2 StVO den Lenkern beim Einfahren in die Autobahn die Benützung des Beschleunigungsstreifens vorschreibt, um sich in den fließenden Autobahnverkehr einzuordnen, lässt darauf schließen, dass der Beschleunigungsstreifen zu den benachrangten Verkehrsflächen nach § 19 Abs 6 StVO gegenüber dem fließenden Verkehr gehört. So zählt § 19 Abs 6 StVO diese Verkehrsflächen nur demonstrativ auf (vgl. Urteil des OGH vom 29.04.1992, GZ.: 2 Ob 12/92). Da von der erstinstanzlichen Behörde innerhalb der im § 31 Abs 2 VStG vorgeschriebenen Verjährungsfrist von 6 Monaten ab dem Abschluss der strafbaren Tätigkeit keine alle relevanten Sachverhaltselemente umfassende Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs 2 und 3 VStG gesetzt wurde, konnte eine Berichtigung des Tatbestandes nach § 11 Abs 1 StVO in jenen nach § 19 Abs 6 StVO seitens der entscheidenden Behörde nicht vorgenommen werden. Zusammenfassend war somit ohne weiters Eingehen auf das Berufungsvorbringen die Einstellung zu verfügen.