Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Christoph Lehne über die Berufung des Herrn M. L., D-Weißenthurm, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Herbert K. & Dr. Edgar P., 6500 Landeck, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 25.05.2002, Zl VK-2691-2002, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm den §§ 24, 51, 51c und 51e VStG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 07.12.2001 um 11.18 Uhr in Kundl auf der B171 bei km 20,776 bis km 24,109 in Fahrtrichtung Westen den dem Kennzeichen nach bestimmten Sattelzug gelenkt, obwohl aufgrund der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 13.11.2000, Zl IVb-A-44/29-99, das Fahren mit Lastkraftfahrzeugen mit einer höchstzulässigen Gesamtmasse von mehr als 7,5 t auf der B171, Tiroler Straße, im Bereich von km 20,776 bis km 24,109 in der Marktgemeinde Kundl verboten ist und diese Fahrt nicht unter die Ausnahmebestimmungen der Verordnung (§ 2 der Verordnung) fiel.
Wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 43 Abs 1 iVm § 52 Z 7a StVO 1960 iVm § 1 der zitierten Verordnung wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 218,-- nach § 99 Abs 1 lit a StVO 1960 verhängt. Die Verfahrenskosten wurden mit Euro 21,80 bestimmt.
In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung wurde die Übertretung mit folgendem Vorbringen bestritten:
?Im Einzelnen wird ausgeführt wie folgt:
I) Mangelhaftigkeit des Verfahrens:
1) In seiner Eingabe vom 22.02.2002 stellte der Berufungswerber zahlreiche Beweisanträge, welche er in der schriftlichen Stellungnahme vom 25.03.2002 ausdrücklich und vollumfänglich wiederholte. Diese Beweisanträge wurden unter anderem gestellt zur Untermauerung der mangelhaften Beschilderung und damit zur Untermauerung des Kundmachungsmangels und der Gesetzwidrigkeit der Verordnung gleich aus mehreren Gründen:
Auf Grund des geradlinigen, nur eine einzige Straße im Ausmaß von nicht einmal 4 km umfassenden Streckenverlaufs der Verbotsstrecke wäre eine Kundmachung durch Straßenverkehrszeichen (Vorschriftszeichen gemäß § 52 Z 7a StVO) sowie Hinweiszeichen oder Bodenmarkierungen zumutbar gewesen (§ 44 Abs 1 StVO). Deshalb hätte die Verordnung nicht nach § 44 Abs 2b StVO kundgemacht werden dürfen; die Verordnung hätte sich entgegen den dort normierten Voraussetzungen sehr wohl durch Straßenverkehrszeichen ausdrücken lassen (Punkt II lit a der schriftlichen Stellungnahme vom 22.02.2002).
Die Hinweistafeln stehen nicht genau am Beginn der von der Verordnung betroffenen Straßenstrecke, sondern mehr als 5 m davon entfernt (Punkt II 2b der schriftlichen Stellungnahme vom 22.02.2002). Und solche Straßenverkehrszeichen stehen nicht bei jeder Auffahrt (Punkt II 2 lit c der genannten Eingabe). Auf § 44 Abs 2b StVO und auf die Entscheidung des VfGH vom 06.03.2000 zu V-95/99 sei verwiesen.
Ein umfassendes Ermittlungs- und Anhörungsverfahren vor Erlassung der Verordnung unterließ die Behörde. Weder wurde die Berufsgruppe der Transportunternehmer gehört, noch gewährte man vor Erlassung der Verordnung den betroffenen Gemeinden rechtliches Gehör, allen voran den Gemeinden Rattenberg und Kramsach. Seitdem die Verordnung gilt, haben diese Gemeinden wesentlich mehr Verkehr. Auf die Ausführungen in der schriftlichen Stellungnahme unter Punkt II 2d sei erläuternd verwiesen.
Die gemachten Einwendungen des Berufungswerbers zu ? wie aufgezeigt ? einem maßgebenden Sachverhalt (mangelhafte Beschilderung) sollten durch Einholung einer schriftlichen Stellungnahme der Gendarmerie, der zuständigen Straßenmeisterei oder einer anderen kompetenten Stelle bewiesen werden. Die Erstbehörde nahm diese Beweise nicht auf. Sie tat auch nicht dar, warum in dieser Hinsicht der Verantwortung des Beschuldigten kein Glauben geschenkt wurde. Das alles führt zur Rechtswidrigkeit des Straferkenntnisses infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
An dieser Stelle wird ausdrücklich wiederholt der bereits in der schriftlichen Stellungnahme vom 22.02.2002 auf Seite 5 gestellte
Beweisantrag (1),
?eine schriftliche Stellungnahme der Gendarmerie, der zuständigen Straßenmeisterei oder anderer kompetenten Stellen zu folgenden Themen einzuholen:
1) Wo überall sind Verkehrszeichen und Hinweistafeln im Zusammenhang mit dem räumlichen Geltungsbereich dieser Verordnung angebracht?
2) Gibt es Auffahrmöglichkeiten auf die Verordnungsstrecke, auf denen nicht durch Verkehrszeichen oder Hinweistafeln auf das Fahrverbot hingewiesen wird?
3) Decken sich die tatsächlichen Aufstellungsorte mit Beginn und Ende des räumlichen Geltungsbereiches des Fahrverbotes? Verneinendenfalls, sind sie mehr als 5 m vom Beginn und Ende der Verbotsstrecke entfernt aufgestellt?
Des Weiteren werden zum Beweise dieses Vorbringen gestellt die
Beweisanträge (2 ? 4)
auf Ausforschung und Vernehmung des Gemeindesekretärs der Gemeinde Kramsach, eines gewissen Herrn Huber, als Zeuge;
auf Durchführung eines Lokalaugescheines;
auf Vernehmung des Beschuldigten als Partei im Rechtshilfeweg.?
2) Bereits in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 22.02.2002 behauptete der Beschuldigte eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (II3), einen unzureichend bestimmten Verordnungswortlaut (II4) und einen Verstoß der vorliegenden Verordnung gegen Gemeinschaftsrecht (II5).
Im Detail führte der Beschuldigte zu diesen Punkten im besagten Schriftsatz aus wie folgt (Seiten 4 ? 5):
?3) Der Beschuldigte erachtet sich im Gleichheitsgrundsatz verletzt, weil in der streitgegenständlichen Fahrverbotsverordnung vom Fahrverbot generell ausgenommen sind: ?Unaufschiebbare Fahrten mit Lastkraftfahrzeugen des Bundesheeres?. Eine Unterscheidung in diese Richtung ist sachlich nicht gerechtfertigt.
4) Abgesehen davon sind die Ausnahmen vom Fahrverbot in der Verordnung (§2) zu unbestimmt festgelegt. ?Ziel- oder Quellverkehr? kann vieles bedeuten. Diese Begriffstücke hätten näher umschrieben werden müssen und zwar in der Verordnung. Weil das nicht geschah, ist dieser Ausnahmebestimmung zum einen ein sehr weites Verständnis zugrunde zu legen, sodass der Beschuldigte ? er wollte über Order seines Arbeitgebers zur Fa. B. in Kundl zum Wecke des Tankens zufahren ? unter diese Ausnahmebestimmung fällt. Zum anderen muss diese Unbestimmtheit nach der hier vertretenen Auffassung zur Aufhebung der Verordnung führen. Es kann nämlich die das Fahrverbot normierende Bestimmung des § 1 der Verordnung mit den übrigen Bestimmungen dieser Verordnung (den Ausnahmeregelungen in § 2) nur in einem derart engen Zusammenhang stehen, dass die einzelnen Bestimmungen der Verordnung nicht isoliert gesehen werden können. Deshalb wird die Verordnung zur Gänze in Prüfung zu ziehen sein.
5) Würde der deutsche Beschuldigte und dessen deutscher Dienstgeber stets das tun, was die Gendarmerie wollte (Zufahrt über Kramsach), hätten sie einen erheblichen Mehraufwand: Mehrkilometer, Mehrverschleiß der Fahrzeugteile, Mehrzeit, Geschäftsausfälle usw. Man wäre gezwungen anderenorts zu tanken. Schon deshalb ? aber auch wegen des unverhältnismäßig stark eingreifenden Fahrverbots (nur mit wenigen Ausnahmen), verstößt die vorliegende VO gegen Gemeinschaftsrecht. Sie bewirkt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Freiheit des Warenverkehrs und die Dienstleistungsfreiheit; Wettbewerbsverzerrungen sind die Folge. Diese Grundfreiheiten sind unmittelbar anwendbares Recht, dem innerstaatliches Recht nachgeht.?
An dieser Stelle ergeht ? zur Behebung der aufgezeigten Kundmachungsmängel und der sonst in der schriftlichen Stellungnahme vom 22.02.2002 und in der vorliegenden Berufungsschrift aufgezeigten Verordnungsmängel an den UVS nachfolgende
Anregung:
Der UVS wollte beim Österreichischen Verfassungsgerichtshof den Antrag stellen, dass die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 13.11.2000, mit der auf der B171 Tiroler Straße ein Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge erlassen wird, kundgemacht im Boten für Tirol, Nr 1122/2000, als gesetzwidrig aufgehoben wird.
Zum Beweise dieses Vorbringens und insbesondere dazu, dass Herr H. als Gemeindesekretär der Gemeinde Kramsach abgab, dass der Gemeinde Kramsach trotz einer erheblichen Verkehrssteigerung seit Einführung des Fahrverbotes kein Anhörungsrecht vor Erlassung der Verordnung gewährt wurde, stellt der Berufungswerber außerdem den
Beweisantrag,
Herrn Dr. Edgar P., Rechtsanwalt, Adresse am Briefkopf, als Zeugen zu vernehmen.
3) Einen Verfahrensmangel begründet schließlich der Umstand, dass die Erstbehörde dem Beschuldigten nicht ausdrücklich die Möglichkeit gab, seine bescheidenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Unterhaltpflichten offen zu legen. Die verhängte Höhe der Geldstrafe ist zu hoch angesetzt. Das hätte der Beschuldigte durch Nachweis seiner persönlichen Verhältnisse betreffend das Einkommen und Vermögen aufzeigen können.
II) Rechtswidrigkeit des Inhaltes:
1) Dem Berufungswerber wurde mit dem angesprochenen Straferkenntnis zur Last gelegt, ein Sattel-KFZ verbotswidrig gelenkt zu haben. Im Gegensatz dazu richtet sich das Fahrverbot an Lastkraftwagen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 Tonnen (§ 1 der Verordnung). Dem Berufungswerber aber wurde das tatbestandsrelevante Merkmal ?Lastkraftfahrzeug? nicht im Spruch vorgeworfen ? dies entgegen § 44a Z 1 VStG. ?Lastkraftfahrzeug? (vgl § 2 Z 23 StVO, § 2 Z 8 KFG) ist nämlich etwas anderes als ?Sattelkraftfahrzeug? (§ 2 Z 10 KFG). Das erhellt auch aus dem Gesetzestext zu § 52 Z 7b StVO; im dort geregelten ?Fahrtverbot für Lastkraftwagen mit Anhängern? wird im Gesetzestext klargestellt, dass der ?Verkehr von Sattelkraftfahrzeugen und von Zugmaschinen ?? dort gestattet ist. Wäre auch ein Sattelkraftfahrzeug ein Lastkraftfahrzeug im Sinne des Gesetzes, widerspräche diese gesetzliche Anmerkung dem Gesetz (vgl UVS Steiermark, 01.06.1995, 30.2-271/94, RIS-Dokumentennummer JUR/ST/19950601/000003002271/94/01).
2) Abgesehen davon bezieht sich das in der Verordnung formulierte Fahrverbot nicht auf ein gesamtes Lastkraftfahrzeug. Das Lastkraftfahrzeug für sich alleine oder der mitgeführte Anhänger für sich alleine müssen die Tonnenbeschränkung überschreiten. Die diesbezüglichen Einwände des Berufungswerbers bereits in der schriftlichen Stellungnahme vom 22.02.2002 nahm die Behörde nicht zum Anlass, den Spruch zu konkretisieren. Damit ist auch Verjährung eingetreten, abgesehen von einer Verletzung des Konkretisierungsgebotes entsprechend § 44a Z 1 VStG. Im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses bezieht sich nämlich die Gewichtsangabe auf das (gesamte) Fahrzeug ?Sattel-KFZ NR-H2110/NR-H576?. Es geht nicht hervor, welcher Fahrzeugteil (Zugmaschine oder Auflieger) die Tonnenbeschränkung überschritten hätte (vgl UVS Steiermark, 01.08.1995, 30.6-12/95, RIS-Dokumentennummer JUR/ST/19950801/000003006012/95/01).
Abschließend stellt der Berufungswerber nachfolgende
Berufungsanträge:
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol wolle eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen, der vorliegenden Berufung nach unmittelbarer Verfahrensergänzung Folge geben, das angefochtene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein beheben und das wider den Beschuldigten geführte Verwaltungsstrafverfahren einstellen.?
Beweis wurde aufgenommen durch die Einsichtnahme in die Verordnungsakten, die Einholung einer Stellungnahme des Gendarmerieposten Kundl und die Einsichtnahme in den Verordnungsakt.
Aufgrund des Ermittlungsverfahrens ergibt sich zwar, dass der Berufungswerber im Bereich des Fahrverbotes dem den Kennzeichen nach bestimmten Sattelzug gelenkt hat. Gleichzeitig musste jedoch festgestellt werden, dass die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 13.11.2000, Zl IVb-A-44/29-99, nicht ordnungsgemäß kundgemacht ist.
Das Fahrverbot auf der B171 reicht von km 20,776 bis km 24,109 (in der Marktgemeinde Kundl). Laut der Stellungnahme des Gendarmerieposten Kundl vom 26.07.2002 ist das östliche Verkehrszeichen, das den Beginn bzw das Ende des Fahrverbotes bei km 20,776 ankündigt, bei km 20,769 aufgestellt. Das westliche Verkehrszeichen, dass das Ende bzw den Beginn des Fahrverbotes bei km 24,109 anzeigt, ist bei km 24,102 aufgestellt. Das Auffahren auf die Verordnungsstrecke, wobei man nicht durch Verkehrszeichen oder Hinweistafeln auf das Fahrverbot hingewiesen ist, ist über die L211 und weiters über die L48 aus Richtung Breitenbach möglich.
Laut dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 03.07.1986, Zl 86/02/0038, zur Vorschrift des § 44 Abs 1 StVO sind die Straßenverkehrszeichen dort anzubringen, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung beginnt und endet. Differiert der Aufstellungsort eines Straßenverkehrszeichens von der getroffenen Verordnungsregelung um 5 m, kann von einer gesetzmäßigen Kundmachung der Verordnung nicht die Rede sein.
Im gegenständlichen Fall differiert der Aufstellungsort des Straßenverkehrszeichens von der getroffenen Verordnungsregelung um mehr als 5 m, womit keine ordnungsgemäße Kundmachung vorliegt.
Zudem ist das Fahrverbotsverkehrszeichen nicht auf allen Auffahrstrecken kundgemacht und könnte damit nicht verhindert werden, dass Lkw-Lenker über diese Auffahrstrecken die Fahrverbotszone befahren.
Im Gegensatz zu Verordnungsregelungen, die wegen ihrer Kompliziertheit im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden, ist zusätzlich zur gegenständlichen Veröffentlichung im Boten für Tirol auch die ordnungsgemäße Kundmachung durch Verkehrszeichen notwendig. Mangels Vorliegen einer ordnungsgemäß kundgemachten Verordnung ist das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.