Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl Ruiner über die Berufung des Herrn O K, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld vom 14.5.2002, GZ.: 15.1 408/2001, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der angefochtene Bescheid behoben, von der Fortführung des Verfahrens abgesehen und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Berufungswerber eine Übertretung des§ 2 Abs 1 Z 1 LGBl. Nr. 158/75 zur Last gelegt und hiefür gemäß § 3 Abs 1 LGBl. Nr. 158/75 eine Geldstrafe von ?
30,-- (30 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Gemäß § 64 VStG wurde als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens ein Betrag von ? 3,-- vorgeschrieben.
Gegen diese Entscheidung wurde rechtzeitig die Berufung eingebracht, im Wesentlichen Verjährung eingewendet und im Übrigen unter Hinweis auf die zahlreichen Eingaben beantragt, den Wahrheitsbeweise anzutreten, wobei der Wahrheitsgehalt seiner Behauptungen durch 12 Hausbewohner, die als Zeugen zur Verfügung stünden, erbracht werden könne.
Hinsichtlich der Verjährungseinrede ist darauf hinzuweisen, dass nach § 56 Abs 1 VStG die Verwaltungsübertretung der Ehrenkränkung dann zu verfolgen und zu bestrafen ist, wenn der Verletzte binnen 6 Wochen von dem Zeitpunkt an, an dem er von der Verwaltungsübertretung und der Person des Täters Kenntnis erlangt hat, bei der zuständigen Behörde einen Strafantrag stellt. Bezogen auf den mit 4.1.2001 datierten und inkriminierten Brief, der von Herrn J M am 8.1.2001 erhalten wurde, endete die 6-Wochen-Frist am 19.2.2001. Die Privatanklage des Privatanklägers wurde, wie aus dem Akt ersichtlich, am 15.2.2001 bei der belangten Behörde eingebracht. Danach fühlte sich der Privatankläger durch den Vorwurf der Präpotenz sowie durch die Behauptung, dass er Freunde "nur zum Ausnützen und Intrigen lancieren und als Zuhörer für seine Tratschgeschichten" benötige und dass der Berufungswerber darin anführte, dass Begegnungen mit ihm und seiner Gattin nur noch "peinlich" seien, in seiner Ehre gekränkt. Gemäß § 51 e Abs 2 VStG hatte eine öffentliche, mündliche Berufungsverhandlung zu entfallen.
Aus dem Akteninhalt wird festgestellt, dass das mit 4.1.2001 datierte und inkriminierte Schreiben des Berufungswerbers an Herrn J M unter anderem aufweist, dass dieses "in Kopie an alle Nachbarn geht", des weiteren gab Herr J M sowie dessen Gattin A M bei deren Zeugeneinvernahme vom 26.7.2001 im Wesentlichen übereinstimmend an, dass dieses Schreiben "ohne Kuvert vor die Wohnungstür des Herrn J M gelegt und jeweils eine Kopie dieses Schreibens an der Ankündigungstafel neben den Postkästen im Vorhaus des Mehrparteienwohnhauses aufgehängt" wurde. Diese Ankündigungstafel befindet sich direkt neben den Postkästen und konnte somit das inkriminierte Schreiben von jedermann, der das Haus betritt, somit von 7 Wohnungsinhabern sowie auch von sämtlichen diese besuchenden Personen eingesehen und gelesen werden. Mit Eingabe vom 1.10.2002 gab der Berufungswerber an, dass er den inkriminierten Brief per Aushang am schwarzen Brett den Miteigentümern des Hauses kundgetan hatte, damit auch diese wissen, was sich der Privatankläger sowie dessen Gattin alles erlauben, ganz abgesehen von deren Manieren auch den Miteigentümern und letztlich dem Berufungswerber gegenüber. Diese Feststellungen gründen sich auf die Zeugenaussagen des Privatanklägers sowie dessen Gattin und dem im Akt erliegenden inkriminierten Brief sowie der ergänzenden Eingabe des Berufungswerbers vom 1.10.2002. In rechtlicher Hinsicht ist hiezu Nachstehendes auszuführen:
Gemäß § 2 Abs 1 Z 1 des LGBl. 1975/158 idgF begeht, sofern die Tat nicht nach den §§ 111 bis 117 des Strafgesetzbuches, BGBl. Nr. 60/1974 eine gerichtlich strafbare Handlung darstellt, die Verwaltungsübertretung der Ehrenkränkung, wer vorsätzlich einen anderen einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet wäre, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen. Die gerichtlichen Tatbilder der §§ 111, 113 und 115 StGB und die landesgesetzlich normierten Ehrenkränkungen unterscheiden sich in erster Linie dadurch, dass bei den Ehrenkränkungen die Wahrnehmbarkeit (§§ 111 und 113) bzw. die öffentliche Begehung oder die Begehung von mehreren Leuten (§ 115) nicht gegeben ist. Der Tatbestand nach § 2 Abs 1 Z 1 LGBl. 1975/158 liegt somit nur bei Fehlen einer Mindestpublizität vor, so etwa bei Beleidigungen unter vier Augen oder Beleidigungen nach § 115 StGB vor höchstens zwei vom Täter und vom Angegriffenen verschiedenen Personen, oder Beleidigungen in verschlossenen Briefen.
Gemäß § 69 StGB wird eine Handlung dann öffentlich begangen, wenn sie unmittelbar von einem größeren Personenkreis wahrgenommen werden kann. Es wird dabei darauf abgestellt, ob die Handlung unmittelbar von einem größeren Personenkreis wahrgenommen werden kann, wobei die zitierte Gesetzesbestimmung nicht von Wahrnehmung spricht, sondern ausschließlich von einer konkreten Wahrnehmbarkeit. Ein größerer Personenkreis im Sinne der zitierten Gesetzesstelle ist jedenfalls schon dann gegeben, wenn die inkriminierte Handlung von etwa 10 Menschen wahrgenommen werden kann, wobei es hiebei, wie bereits ausgeführt, nicht auf die tatsächliche Wahrnehmbarkeit der inkriminierten Handlung ankommt. Die als Ehrenkränkung im Sinne des § 2 Abs 1 Z 1 LGBl. 1975/158 geltend gemachten Passagen im Schreiben vom 4.1.2001 sind somit auf Grund der Tatsache, dass dieses Schreiben, gerichtet an den Privatankläger, an der Ankündigungstafel im Vorhaus des Mehrparteienwohnhauses angebracht wurde, für Dritte wahrnehmbar. Daraus folgt, dass die behauptete Ehrenkränkung in einer für Dritte wahrnehmbaren Weise erfolgte und die vom Berufungswerber gesetzte Handlung auch unmittelbar von einem größeren Personenkreis wahrgenommen werden konnte. In diesem Zusammenhang ist auch auf die höchstgerichtliche Judikatur, Lehre und Rechtsprechung hinzuweisen, wonach die Strafbarkeit im Sinne der §§ 111 ff StGB auch bei Beleidigung auf einer offen versendeten Postkarte gegeben ist, weil hiebei stets mit einer Wahrnehmung durch Dritte zu rechnen ist, weshalb auch das Erfordernis der Wahrnehmbarkeit gegeben ist. Desgleichen liegt bereits ein Gerichtsdelikt vor, wenn ein beleidigender Brief diktiert wird, da hiedurch zumindest das Erfordernis der Wahrnehmbarkeit für einen Dritten gegeben ist und dort wo diese Wahrnehmbarkeit zur gerichtlichen Strafbarkeit ausreicht, keine Ehrenkränkung, sondern schon ein Gerichtsdelikt vorliegt (vgl. VwGH 2.10.1989, Slg. 13021A, VwGH ÖJZ 1969, 586 ua.) Im vorliegenden Fall ist somit nicht von einem Fehlen einer Mindestpublizität, der dem Berufungswerber laut Spruch des angefochtenen Bescheides zur Last gelegten Ehrenkränkungen auszugehen, da durch den Anschlag des inkriminierten Schreibens die Wahrnehmbarkeit der inkriminierten Passagen des Schreibens durch sämtliche Hausbewohner, Nachbarn und Besucher des Mehrparteienwohnhauses gegeben war. Die dem Berufungswerber zur Last gelegte Handlung ist somit auch im Sinne des § 69 StGB öffentlich begangen worden, weil davon auszugehen ist, dass das Schreiben vom 4.1.2001 von einem größeren Personenkreis wahrgenommen werden konnte. Daraus folgt, dass die dem Berufungswerber zur Last gelegte Tat eine nach §§ 111 ff StGB gerichtlich strafbare Handlung darstellt. Die belangte Behörde hat somit entgegen der Bestimmung des § 2 Abs 1 letzter Halbsatz LGBl. 1975/158 eine Zuständigkeit wahrgenommen, die ihr jedoch auf Grund dieser Bestimmung nicht zukommt. Auf Grund all dieser Erwägungen war der angefochtene Bescheid daher wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben und wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.