Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufung des Herrn E H, vertreten durch die Rechtsanwälte B, Z, T, G, BM, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leoben vom 09.07.2002, GZ.: 15.1 4565/2001, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung betreffend die Punkte 1.) bis 5.) Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt;
der Berufung betreffend Punkt 6) Folge gegeben und das Straferkenntnis wegen Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Leoben aufgehoben.
Die Bezirkshauptmannschaft Leoben als erste Instanz warf dem Berufungswerber mit Straferkenntnis in den Punkten 1.) bis 5.) Übertretungen der Fischhygieneverordnung und der Nährwertkennzeichnungsverordnung und im Punkt 6.) eine Übertretung des § 8 lit f Lebensmittelgesetz 1975 - LMG l975 wegen Falschbezeichnung eines Lebensmittels vor, dies jeweils mit der Tatzeit 23.07.2001. Die Verantwortlichkeit des Berufungswerbers leitet sich nach dem Straferkenntnis aus seiner Stellung als persönlich haftender Gesellschafter der H-M F-KG mit Sitz in K, ab.
Der Beschuldigte berief gegen das Straferkenntnis und beantragte die Einstellung des Verfahrens. Im Zuge des Berufungsverfahrens legte er zu UVS 30.12-78/2002 eine Urkunde vor, die die Bestellung des G B zum Verantwortlich Beauftragten betrifft.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark gelangt zu folgender Beurteilung:
§ 9 VStG ("besondere Fälle der Verantwortlichkeit") lautet auszugsweise: (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind
berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
(3) Eine natürliche Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist, kann für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen.
(4) Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland
sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist... Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl die Erkenntnisse verstärkter Senate vom 16.01.1987, Zl 86/18/0073, Slg Nr 12375/A, und Zl 86/18/0077) wirkt die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nachgewiesen wird, und tritt erst mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises bei der Behörde ihr gegenüber der namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnorm an die Stelle des zur Vertretung nach außen Berufenen. Es muss bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten eingelangt sein. Von einem aus der Zeit vor der Begehung der Verwaltungsübertretung stammenden Zustimmungsnachweis kann nur dann gesprochen werden, wenn ein die Zustimmung zur Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten betreffendes Beweisergebnis schon vor der Begehung der Tat vorhanden war (etwa in Form einer entsprechenden Urkunde, aber auch einer Zeugenaussage etc). Da dies auf ein erst nach diesem Zeitpunkt zu Stande kommendes Beweisergebnis nicht zutrifft, genügt zur Erbringung des vom Gesetzgeber geforderten Zustimmungsnachweises jedenfalls nicht die Berufung auf eine erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage des verantwortlichen Beauftragten oder anderer Personen, mit der die Zustimmung des Erstgenannten zur Bestellung unter Beweis gestellt werden soll (vgl. die Erkenntnisse vom 17.03.1988, Zl 87/08/0306 und vom 09.06.1988, Zl 86/08/0213 bis 0215).
Die vom Berufungswerber vorgelegte Urkunde lautet wie folgt:
Bestellung eines verantwortlich Beauftragten
I. Parteien
1.1 H M F-KG, K,
1.2. W Gesellschaft mbH, K,
im Folgenden meist ?die Gesellschaft' genannt.
2. G B, pA H M F-KG Werk W,
im Folgenden meist ?Herr B' genannt.
II. Präambel
Herr B
ist für die zu 1.1. und 1.2 angeführten Unternehmen seit Jahren verantwortlich für die Lebensmittelkennzeichnung. Er hat die entsprechenden Etiketten und sonstigen Kennzeichen einzukaufen, deren Aussehen und Angaben zu bestimmen und hat auch dafür zu sorgen, dass die Produkte mit den notwendigen Kennzeichen und Angaben versehen sind. Er hat diesbezügl seine Verantwortlichkeit stets zugestanden. Vor dem 14.3.2000 lag diesbezügl jedoch kein schriftlicher Nachweis vor. Der schriftliche Nachweis vom 14.3.2000 erscheint etwas zu kurz und aus rechtlicher Sicht ergänzungsbedürftig. Aus diesem Grund wird die vor-liegende Urkunde erstellt.
III. Stellung im Betrieb
Herr B ist Leiter des Einkaufes und verantwortlich für den Betrieb W, von dem aus die gesamte Ware der Gesellschaft im Bundesgebiet der Republik Österreich in Verkehr gebracht wird.
IV. Verantwortlichkeit
Herr B ist - wie oben ausgeführt - verantwortlich Beauftragter für die Lebensmittelkennzeichnung.
Er hat dafür zu sorgen, dass in allen Betrieben der Gesellschaft die durch Gesetz oder Verordnung in seinem Verantwortungsbereich vorgeschriebenen Vorgangsweisen strikt eingehalten werden. V. Anordnungsbefugnis
Herr B besitzt uneingeschränkte Anordnungsbefugnis in seinem Verantwortungsbereich und hat Normübertretungen zu verhindern, allenfalls trotzdem eintretende
Normübertretungen sofort abzustellen und auch der Gesellschaft von der Normübertretung und der von ihm deshalb und zur Verhinderung weiterer Normübertretungen gesetzten Maßnahmen zu verständigen.
K, am 16.3.2000
(Unterschrift:)
H M F-KG
(Unterschrift:)
W GesellschaftmbH
(Unterschrift:)
als hiermit zustimmender Verantwortlich Beauftragter
G B
Diese Urkunde lässt klar erkennen, dass sie sich
(unter anderem) auf die H-M F-KG bezieht, als deren persönlich haftender Gesellschafter der Berufungswerber zur Verantwortung gezogen wurde; sie enthält mit "Lebensmittelkennzeichnung" einen klar abgegrenzten Bereich, weist dem verantwortlichen Beauftragten die uneingeschränkte Anordnungsbefugnis in seinem Verantwortungsbereich zu und enthält schließlich die Zustimmungserklärung des verantwortlichen Beauftragten. Der sachliche Bereich "Lebensmittelkennzeichnung" umfasst die Übertretungen betreffend die Punkte 1.) bis 5.), nicht aber 6.):
Wenn es in der Präambel der Urkunde heißt, dass der verantwortliche Beauftragte dafür zu sorgen hat, "dass die Produkte mit den notwendigen Kennzeichen und Angaben versehen sind", umfasst dies Kennzeichnungsvorschriften, wie sie etwa in der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, aber auch in der Verordnung über die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln oder in der Fischhygieneverordnung enthalten sind. Eine falsche Bezeichnung im Sinn des § 8 lit f LMG hingegen ist keine vom Gesetz verlangte Kennzeichnung, sondern bloß eine Bezeichnung, die nur von der Verbotsnorm des § 7 Abs 1 lit c LMG in Schranken gehalten wird, sonst aber frei gewählt werden kann. Daher hat G B für die Einhaltung des § 8 lit f LMG keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung übernommen. In den übrigen Punkten aber ist er an Stelle des Berufungswerbers Adressat der verletzten Verwaltungsvorschriften was zur Folge hat, dass der Berufungswerber die Übertretungen 1.) bis 5.) nicht begangen hat. Das Straferkenntnis ist aufzuheben und das Verfahren einzustellen. Zu Punkt 6.): Bei einer Falschbezeichnung handelt es sich um ein Begehungsdelikt (zB VwGH 93/10/0/180 vom 16.12.1996). Da das beanstandete Lebensmittel im Werk W der H M F-KG in Verkehr gebracht wurde, war die Bezirkshauptmannschaft Leoben für die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens im Punkt 6.) nicht zuständig. Der Bescheid ist diesbezüglich aufzuheben. Die zuständige Behörde wird - wie schon behandelt - zu berücksichtigen haben, dass sich die Bestellung des G B zum verantwortlichen Beauftragten nicht auf Übertretungen wegen Falschbezeichnung gemäß § 8 lit f LMG bezieht. Weiter ist auf die Bestimmung des § 32 Abs 3 VStG hinzuweisen, wonach eine Verfolgungshandlung, die gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen gerichtet ist, auch als Verfolgungshandlung gegen die verantwortlichen Beauftragten gilt.