Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl-Heinz Liebenwein über die Berufung des Herrn Dr. E M, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 25.07.2002, Zl.: III/S-15.035/02, wie folgt entschieden:
Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit dem im Spruch genannten Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 28.02.2002 von 22.36 bis 22.47 Uhr in G, gegenüber H, D, als Lenker des Kraftfahrzeuges (PKW), das Fahrzeug auf einer Straßenstelle abgestellt, die nur durch Verletzen eines gesetzlichen Verbotes erreicht werden konnte.
Wegen Verletzung des § 24 Abs 1 lit n StVO wurde über ihn daher gemäߧ 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von ?
36,00, für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 18 Stunden verhängt. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung, in der zunächst der Spruch bekämpft wird, der nicht ausführt, wodurch eigentlich das gesetzliche Verbot verletzt worden sei. Da es zumindest 2 Möglichkeiten gäbe, auf den D zu gelangen, hätte es einer entsprechenden Konkretisierung bedurft, um welche Verwaltungsübertretung es sich eigentlich handle. Es sei zu beachten, dass der Schutzweg auch bei einem Einbiegen in die H etwas gequert werden müsse und am Vorfallsort kein Gehsteig mehr vorhanden sei. Des Weiteren sei die Fällung des Straferkenntnisses in Folge Verletzung von Verwaltungsvorschriften unzulässig gewesen, da nach Ausstellung einer Organstrafverfügung keine Strafverfügung ergangen sei. Zusammenfassend werde daher der Antrag gestellt, der Berufung stattzugeben, das bekämpfte Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen:
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine ? 2.000,00 übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung hatte unter Hinweis auf § 51e Abs 2 Z 1 VStG zu entfallen. Auf Grundlage des der Berufungsbehörde vorliegenden Verfahrensaktes der Strafbehörde erster Instanz in Verbindung mit dem Ergebnis des ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahrens werden nachstehende Feststellungen getroffen:
Der Berufungswerber parkte am 28.02.2002 von 22.36 bis 22.47 Uhr das Fahrzeug in G, gegenüber dem Haus H, D. Dieser, vom Berufungswerber im Übrigen außer Streit gestellte Umstand, wurde vom Meldungsleger RI J S II aufgrund dessen dienstlicher Wahrnehmungen festgestellt. Den schlüssigen Angaben des Berufungswerbers zufolge ist dieser von der H kommend auf den D eingefahren und zwar nach dem im Bereich der B befindlichen Schutzweg durch eine Öffnung der in diesem Bereich nicht mittels Kette verbundenen, aufgestellten Steinboller. In rechtlicher Hinsicht ist dazu auszuführen:
Dem Berufungswerber wurde - im Übrigen ohne zumindest in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses konkret darauf hinzuweisen, wodurch - vorgeworfen, durch Verletzen eines gesetzlichen Verbotes mit seinem Fahrzeug auf den konkreten Tatort zugefahren zu sein und dieses in der Folge dort tatzeitlich abgestellt zu haben.
Gemäß § 24 Abs 1 lit n StVO ist das Halten und das Parken verboten auf Straßenstellen, die nur durch das Verletzen eines gesetzlichen Verbotes (zB. nach § 7 Abs 4 oder nach § 52 Z 1) erreicht werden können.
Sinn dieses Verbotes ist es, Lenker davon abzuhalten, andere Verkehrsverbote wie zB. Fahr- oder Abbiegeverbote zu übertreten und dadurch andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden oder die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zu beeinträchtigen, um zu einem Abstellplatz zu gelangen (vgl. dazu RZ 137 zu § 24 Abs 1 lit n StVO in Dittrich-Veit StVO 1960). Wie aus dem Verfahrensakt der belangten Behörde zu ersehen ist, ging diese von einem verpönten Verhalten des nunmehrigen Berufungswerbers insoferne aus, als dieser bei der Zufahrt zu seinem späteren Abstellplatz einen Gehsteig an unzulässiger Stelle (zumindest) überquert und somit die Bestimmungen des § 8 Abs 4 StVO verletzt hat.
Gemäß § 8 Abs 4 StVO ist die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art und die Benützung von Radfahranlagen mit Fahrzeugen, die keine Fahrräder sind, insbesondere mit Motorfahrrädern verboten. Dieses Verbot gilt nicht: Z 1: Für das Überqueren von Gehsteigen, Gehwegen und Radfahranlagen mit Fahrzeugen auf den hiefür vorgesehenen Stellen. Unter der im Sinne des § 8 Abs 4 StVO angeführten, verpönten Benützung von Gehsteigen ist nach Ansicht der erkennenden Behörde nicht nur das Befahren mit Fahrzeugen schlechthin, sondern auch das Abstellen auf diesen zu verstehen, weshalb im Anlassfall (nur) die zuletzt zitierte Bestimmung als Verwaltungsstrafnorm heranzuziehen gewesen wäre, die vom Berufungswerber übertreten wurde und nicht die Bestimmung des § 24 Abs 1 lit n StVO 1960. Im Übrigen konnte an sich von einem Verbot des Zufahrens zu dem vom Berufungswerber letztlich gewählten Abstellplatz nicht nur in Ermangelung entsprechender Straßenverkehrszeichen nicht von vorneherein ausgegangen werden, zumal der weiträumige Vorplatz des G D dem äußeren Anschein nach grundsätzlich durchaus auch als Abstellplatz für Kraftfahrzeuge in Frage kommen kann. Wiederholte Beobachtungen der erkennenden Behörde haben im Übrigen auch gezeigt, dass dieser Platz de facto tatsächlich immer wieder zum Abstellen von Kraftfahrzeugen - wenngleich auch nach Ansicht der Berufungsbehörde in rechtswidriger Weise - verwendet wird. In diesem Zusammenhang ist auf die Stellungnahme des Straßenamtes der Stadt G vom 18.11.2002 hinzuweisen, der zufolge es sich beim gegenständlichen Vorplatz um eine weiträumige Gehsteigfläche handelt. Dieser Ansicht vermag die Berufungsbehörde durchaus zu folgen, woraus sich entgegen der diesbezüglichen Meinung des Berufungswerbers ergibt, dass dieser im Ergebnis nicht nur über einen Gehsteig zugefahren, sondern sein Fahrzeug auf diesem auch abgestellt hat. Mit diesem Verhalten hat er auch der zitierten Ausnahmebestimmung des § 8 Abs 4 Z 1 StVO zuwidergehandelt. Wie bereits erwähnt, stellt das dargestellte Verhalten des Berufungswerbers demnach einen Verstoß gegen § 8 Abs 4 StVO 1960 dar, der jedoch im Anlassfall seitens der belangten Behörde nicht verfolgt wurde, weshalb es angesichts der Fassung des Spruchs im angefochtenen Straferkenntnis in Verbindung mit dessen in dieser Hinsicht keine Klarheit schaffenden Begründung der erkennenden Behörde verwehrt war, diesen allenfalls abzuändern. Ein nunmehr - erstmalig - erfolgender Vorhalt im angeführten Sinn würde nämlich außerhalb der Frist des § 31 Abs 2 VStG einer unzulässigen Auswechslung der als erwiesen angenommenen Tat gleichkommen (vgl. VwGH 15.03.1979, 3055/78 ua.) Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat. Da der Berufungswerber zufolge der obigen Ausführungen die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, war daher spruchgemäß zu entscheiden, der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.