TE UVS Steiermark 2003/01/09 30.11-112/2002

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Veröffentlicht am 09.01.2003
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Gerhard Wittmann über die Berufung des Herrn M L, St. J idH, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 28.10.2002, GZ.: 15.1 2674/2002, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird die Berufung abgewiesen.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von ? 6,-- binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Text

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 28.10.2002, GZ.: 15.1 2674/2002 wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe am 30.4.2002 um 17.25 Uhr im Ortsgebiet H als Lenker des Kraftfahrzeuges einen Gehsteig benützt, obwohl die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeug aller Art verboten sei. Dadurch habe der Berufungswerber eine Verwaltungsübertretung gemäß § 8 Abs 4 StVO begangen und verhängte die Erstbehörde über ihn eine Geldstrafe von ? 30,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 18 Stunden Ersatzarrest).

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Berufungswerber fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung, wobei er ausführte, dass er diese Entscheidung nicht verstehen könne. Schon aufgrund der Tatsache, dass auf diesen Gehsteigen LKWs parken bzw. halten würden und hier die Gendarmerie tatenlos zusehe bzw. gerade nicht zufällig vorbeifahre, frage er sich, warum der Gehsteig sein Behindertenfahrzeug nicht aushalten solle. Außerdem halte er dort ja nicht, weil ihm fad sei, sondern, weil er 1. eine schwere Gehbehinderung habe und 2. weil es meistens in den Gemeinden und Städten keine Behindertenparkplätze gäbe, und wenn, dann irgendwo an einer abgelegenen Allee. Außerdem würden an diesen Stellen weder Fußgänger noch andere Verkehrsteilnehmer durch das Abstellen seines Fahrzeuges behindert, da dieser Gehsteig ca. 3 m breit sei und er selber wisse, wie wichtig es sei, Gehsteige benützen zu können, speziell, weil er behindert sei. Weiters bemerkte der Berufungswerber noch, dass er aufgrund seiner Behinderung in Pension gehen könne und sich vom Staat Österreich aushalten lassen könne. Er gehe jedoch einer Arbeit nach, sei nebenbei noch selbständig und werde sogar noch dafür bestraft, weil er behindert sei. Dies sei absurd. Er bitte aufgrund des oben dargelegten Sachverhaltes von einer Bestrafung abzusehen bzw. eine befreiende "Gesetzeslücke" nicht auszuschließen und das Strafverfahren einzustellen, anderenfalls bitte er ihn persönlich vorzuladen, um diese Verstöße zu erörtern. Am 9.1.2003 fand vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung statt, zu der der Berufungswerber ohne Angabe von Gründen nicht erschien. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark ist bei seiner Entscheidung von folgender Sach- und Rechtslage ausgegangen: Am 30.4.2002 um 17.25 Uhr hielt der Berufungswerber mit seinem Fahrzeug im Ortsgebiet von Hartberg auf Höhe M auf dem Gehsteig.

Dieser festgestellte Sachverhalt basiert auf der im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt befindlichen Organstrafverfügung, welche dem Berufungswerber von einem Beamten des Gendarmeriepostens H am 30.4.2002 ausgestellt wurde. Der Berufungswerber selbst bestreitet nicht, zur Tatzeit am Tatort sein Fahrzeug gehalten zu haben.

Gemäß § 8 Abs 4 StVO ist die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art und die Benützung von Radfahranlagen mit Fahrzeugen, die keine Fahrräder sind, insbesondere mit Motorfahrrädern, verboten.

Dadurch, dass der Berufungswerber am 30.4.2002 um 17.25 Uhr seinen PKW am Gehsteig auf Höhe des Hauses M gehalten, also damit den Gehsteig benutzt hat, hat er gegen die Bestimmung des § 8 Abs 4 StVO verstoßen.

Die Argumentation des Berufungswerbers konzentriert sich im Wesentlichen darauf, dass er aufgrund seiner schweren Gehbehinderung einen Behindertenausweis nach § 29 b StVO besitze und er im Übrigen auch keine Fußgänger oder andere Verkehrsteilnehmer behindert habe, da der Gehsteig ca. 3 m breit gewesen sei. In § 29 b StVO sind zwar einige Ausnahmen für stark gehbehinderte Personen hinsichtlich des Haltens und Parkens vorgesehen, es findet sich aber keine generelle Ausnahmebestimmung für stark gehbehinderte Personen, dass sie mit ihren Fahrzeugen am Gehsteig halten dürfen. Auch wenn die Behinderten-Parkplätze in der Nähe besetzt gewesen sein sollten, so wäre der Berufungswerber dennoch nicht berechtigt gewesen, sein Fahrzeug rechtswidrig am Gehsteig zu halten. Dem Berufungswerber musste diese Problematik auch bekannt sein, wurde er doch bis zum nunmehrigen Tatzeitpunkt bereits zweimal wegen Übertretungen hinsichtlich eines vorschriftswidrigen Haltens und Parkens ermahnt. In seinem Einspruch gegen die Strafverfügung im erstinstanzlichen Verfahren gab der Berufungswerber an, dass er deswegen am Gehsteig gehalten habe, da an diesem Tag sein Opa gestorben sei und er bei der Bestattung W gewesen sei. Darin kann aber keine Notstandssituation im Sinne des § 6 VStG gesehen werden, zumal darunter nur ein Fall der Kollision von Rechten und Pflichten verstanden werden kann, indem jemand sich oder einen anderen aus schwerer, unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht. Als Merkmal des Notstandes hat eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen zu gelten (vgl. VwGH 13.11.1981, 81/02/0252; 27.5.1987, 87/03/0112 u.v.a.). Für das Vorliegen einer Übertretung nach § 8 Abs 4 StVO ist auch nicht eine konkrete Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer erforderlich, sodass auch dem Umstand, dass der Gehsteig (möglicherweise) 3 m breit gewesen sei, keine Bedeutung zukommt. Strafbemessung:

Erschwerungs- und Milderungsgründe liegen nicht vor. Wie sich bereits aus der eigenen Verantwortung des Berufungswerbers ergibt, wusste er, dass er nicht berechtigt war, sein Fahrzeug am Gehsteig abzustellen. Sein Verschulden kann daher als nicht nur geringfügig angesehen werden.

Der Strafrahmen für die dem Berufungswerber vorgeworfene Verwaltungsübertretung beträgt gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO bis zu ? 726,--.

Hinsichtlich der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wird von jenen Angaben ausgegangen, die der Berufungswerber in einem Vorverfahren anlässlich der Berufungsverhandlung am 2.8.2002 im Verfahren zu GZ.: UVS 30.11-46/2002 machte (monatliches Nettoeinkommen ? 1.090,--, kein Vermögen, Sorgepflichten für ein Kind, außergewöhnliche Belastungen im Zusammenhang mit seiner dauernd starken Gehbehinderung).

Aufgrund der eben aufgelisteten Strafzumessungskriterien erscheint die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe als durchaus angemessen und gerechtfertigt, zumal sich die Geldstrafe ohnedies nur im untersten Bereich des Strafrahmens bewegt und überdies bereits die in der Strafverfügung vom 24.6.2002 verhängte Geldstrafe von ? 50,-- im nunmehr angefochtenen Straferkenntnis erheblich herabgesetzt wurde.

Eine Anwendung des § 21 VStG (Absehen von der Strafe und allenfalls Ausspruch einer Ermahnung) kam bereits aufgrund des nicht nur geringfügigen Verschuldens nicht in Betracht. Im Übrigen wurde der Berufungswerber bereits zweimal wegen Halte- und Parkdelikten ermahnt und sollte ihm dadurch vor Augen gehalten werden, dass es eben auch für stark gehbehinderte Personen gesetzliche Beschränkungen hinsichtlich des Abstellens ihrer Fahrzeuge gibt. Die Bestimmung des § 29 b StVO regelt eindeutig, welche Ausnahmebestimmungen es für dauernd stark gehbehinderte Personen gibt, sodass nicht nachvollzogen werden kann, inwieweit eine "Gesetzeslücke" vorhanden sein soll. Gemäß § 64 Abs 1 VStG ist in jedem Straferkenntnis und in jeder Entscheidung eines unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Betrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Gemäß § 64 Abs 2 VStG sind die Kosten für das Strafverfahren erster Instanz mit 10 % der verhängten Strafe, für das Berufungsverfahren mit weiteren 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit ? 1,50 zu bemessen. Darauf stützt sich die im Spruch vorgenommene Kostenentscheidung.

Schlagworte
Behindertenausweis Ausnahme Halteverbot Gehsteig Ermahnung Verschulden
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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