Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Felizitas Schiessendoppler-Luchner über die Berufung der Frau S. L., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Tassilo N., 1010 Wien, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 02.05.2002, Zl VK-3020-2001, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG wird der Berufung insoferne Folge gegeben, als das Straferkenntnis zu Punkt 1. und 2. behoben wird und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG zu diesen Punkten eingestellt wird.
Zu Punkt 3. wird der Berufung insoferne Folge gegeben, als gemäß § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird.
Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde der Beschuldigten spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Tatzeit: 17.08.2001 um 14.25 Uhr
Tatort: Kauns, auf der Kaunertalstraße, L18 bei km 4,52 in Fahrtrichtung Kaunertal
Fahrzeug: Pkw, NEW-xxxx
Die Beschuldigte, L. S., geb 1966-11-03, wohnhaft in D-92665 Altenstadt a.d.Wn., hat
1. nach einem Verkehrsunfall, mit dem ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, das von ihr gelenkte Fahrzeug nicht sofort angehalten. Sie fuhr mit hoher Geschwindigkeit an einem Gendarmeriebeamten und mehreren Gemeindearbeitern vorbei, sodass durch das verschmutzte Spritzwasser die Hosen der genannten Personen durchnässt und verschmutzt wurden.
2. es als Lenker eines Fahrzeuges unterlassen, nach einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden, an welchem sie ursächlich beteiligt war, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl sie den Geschädigten ihren Namen und ihre Anschrift nicht nachgewiesen hat. Sie fuhr mit hoher Geschwindigkeit an einem Gendarmeriebeamten und mehreren Gemeindearbeitern vorbei, sodass durch das verschmutzte Spritzwasser die Hosen der genannten Personen durchnässt und verschmutzt wurden.
3. als Lenker eines Fahrzeuges verbotenerweise so schnell gefahren, dass sie andere Straßenbenützer beschmutzt hat, obwohl dies vermeidbar gewesen wäre.?
Der Beschuldigten wurde eine Übertretung zu Punkt 1. nach § 4 Abs 1 lit a und § 99 Abs 2 lit a StVO, zu Punkt 2. nach § 4 Abs 5 StVO und zu Punkt 3. nach § 20 Abs 1 2. Satz und § 99 Abs 3 lit a StVO zur Last gelegt und wurde der Beschuldigten zu Punkt 1. gemäß § 99 Abs 2 lit a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 36,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden), zu Punkt 2. gemäß § 99 Abs 3 lit b StVO ebenfalls eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 36,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) und zu Punkt 3. nach § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 36,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) sowie insgesamt ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens aufgetragen.
Gegen dieses Straferkenntnis hat die Beschuldigte fristgerecht Berufung erhoben und in dieser zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, es sei auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach festzustellen ist, auf welche Entfernung der Lenker die Gefahr einer Beschmutzung von Fußgängern hätte erkennen müssen und ob innerhalb der dann zur Verfügung stehenden Wegstrecke eine Geschwindigkeitsverminderung möglich gewesen wäre, die ein Verspritzen des Wassers verhindert hätte. Die Erstbehörde habe diesem Antrag und somit derartigen Feststellungen nicht entsprochen, weshalb Mangelhaftigkeit des Verfahrens vorliege. Auch sei der Meldungsleger nicht einvernommen worden, dies trotz Antrag der Berufungswerberin. Es liege daher ein Verfahrensmangel vor. Auch sei die Zeugin S. nicht einvernommen worden. Diese hätte als Beifahrer in dem Fahrzeug der Berufungswerberin die von ihr getätigten Angaben bestätigen können. Der generelle Verzicht der Erstbehörde auf die Durchführung sämtlicher Beweisanträge ist als Verfahrensmangel zu bewerten, da in dem Falle, in dem man die Beweise durchgeführt hätte, die Erstbehörde einen wesentlich anderen Sachverhalt festgestellt hätte und in der Folge das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren aufgrund der dadurch gewonnenen Erkenntnisse eingestellt worden wäre.
Es ist unverständlich, dass dem Antrag auf Erstellung einer Skizze und Einvernahme der Meldungsleger nicht stattgegeben worden sei, wo doch diesen sicherlich im obigen Sinne auch die Erstellung einer solchen Skizze zuzumuten gewesen sein müsste.
Die Erstbehörde habe in der eigentlichen Begründung des Straferkenntnisses ausgeführt, dass Voraussetzung für die in der StVO normierte Anhaltepflicht und normierte Meldepflicht als objektives Tatbestandsmerkmal der unbedingte Eintritt eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen vom Eintritt eines derartigen Schaden sei. Wären die Beweise richtig gewürdigt worden, wäre die Erstbehörde zu dem Schluss gekommen, dass 1. kein Verkehrsunfall vorliege und 2. die Berufungswerberin die Beschmutzung der Kleidung eines Dritten habe nicht erkennen können. Weder durch das Fahrverhalten des Fahrzeuges (Aquaplaning etc) noch durch persönliche Beobachtungen habe die Berufungswerberin erkannt, dass sie irgend jemanden angespritzt habe. Auch für sie sei es selbstverständlich, anzuhalten und sich zu entschuldigen, wenn ihr ein solches Verhalten bewusst geworden wäre.
Die nicht getroffene Feststellung, auf welcher Entfernung der Lenker die Gefahr einer Beschmutzung von Fußgängern hätte erkennen müssen und ob innerhalb der dann zur Verfügung stehenden Wegstrecke eine Geschwindigkeitsverminderung möglich gewesen wäre, die ein Verspritzen des Wassers verhindert hätte, werde als sekundärer Verfahrensmangel gerügt. Auch ausgehend von den getroffenen Feststellungen der Erstbehörde habe sie die ihr zur Last gelegten Verwaltungsstraftaten nicht begangen. Dies folge insbesondere daraus, als die subjektive Tatseite nicht erfüllt sei. Eine Verurteilung wegen Nichteinhalten bzw Nichtmeldung eines Unfalles kann nur dann erfolgen, wenn der Kraftfahrzeuglenker vom Unfall überhaupt keine Kenntnis haben konnte. Zwar führe die Erstbehörde verschiedene verwaltungsbehördliche Entscheidungen detailliert an und gebe auch den Anzeigeninhalt des Meldungslegers wieder, jedoch lasse dieselbe in der ganzen Begründung Ausführungen hinsichtlich der subjektiven Tatseite missen. Die Erstbehörde stellte lapidar fest, dass die ihr angelasteten Verwaltungsübertretungen zweifelsfrei feststünden. Aufgrund der getroffenen Feststellungen der Erstbehörde könne hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung der subjektiven Tatseite keine rechtliche Beurteilung folgen und werde dies als sekundärer Verfahrensmangel geltend gemacht.
Es werde beantragt, den Bescheid zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung zu bringen.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt.
Der Berufung kommt aus nachstehenden Gründen Berechtigung zu:
Der Anzeige des Gendarmeriepostens Ried im Oberinntal vom 30.08.2001 zur Zl GZ 1729/1/2001-MAR ist zu entnehmen, dass die Patrouille Ried 1 am 17.08.2001 im Kaunertal den Verkehrsüberwachungsdienst verrichtet habe. Dabei stellten die Beamten gegen 14.20 Uhr fest, dass in Folge der heftigen Regenfälle der Martinsbach übergegangen war, durch die Wiesen rann, Erdreich mitschwemmte und dadurch die Fahrbahn der L18 in ihrer gesamten Breite auf eine Länge von etwa 40 m verschlammt hatte. Während BI M. mit Gemeindearbeitern der Gemeinde Kauns am faggenseitigen Fahrbahnrand stand und das weitere Vorgehen beriet, fuhren etliche Fahrzeuge talein- und auswärts vorbei, die ihre Fahrgeschwindigkeit derart verminderten, dass eine Verschmutzung von Fußgängern vermieden wurde. Gegen 14.25 Uhr fuhr der angezeigte Lenker des blauen VW mit dem Kennzeichen NEW-xxxx mit so hoher Geschwindigkeit taleinwärts, dass das schmutzige Spritzwasser die Hosenbeine des BI M. und der Gemeindearbeiter bis über die Kniehöhe durchnässte und derart verschmutzte, dass BI M. nach Treffen der erforderlichen Maßnahmen heimfahren und Hose und Schuhe wechseln und die Hose zur Wäsche geben musste.
Unmittelbar darauf verlangsamte der Lenker die Geschwindigkeit neuerlich. Der Angezeigte hielt es jedoch nicht für notwendig, anzuhalten und den Sachverhalt abzuklären. Das Kennzeichen konnte eindeutig abgelesen werden.
In der Folge stellte sich aufgrund einer Lenkeranfrage heraus, dass die Beschuldigte zum gegenständlichen Vorfallszeitpunkt das Fahrzeug gelenkt hatte.
Gemäß § 4 Abs 1 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,
a)
wenn sie ein Fahrzeug lenken sofort anzuhalten und
c)
an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben nach der Anordnung des § 4 Abs 5 StVO 1960 die im Abs 1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Voraussetzung für die in den genannten Bestimmungen normierten Verpflichtungen ist, im Falle eines Verkehrsunfalles, bei dem nur Sachschaden eingetreten ist, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl zB das Erkenntnis vom 09.11.1988, Zl 88/03/0047) nicht nur das objektive Tatbestandsmerkmal des Eintrittes eines Sachschadens, sondern in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens; dabei genügt es, wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können.
Im gegenständlichen Fall haben die Meldungsleger festgestellt, dass die Berufungswerberin mit hoher Geschwindigkeit an einem Gendarmeriebeamten und Gemeindearbeiten vorbeigefahren sei, sodass durch das verschmutzte Spritzwasser die Hosen der genannten Personen durchnässt und stark verschmutzt wurden.
Hinsichtlich der Frage, ob das Verschmutzen von Kleidungsstücken einen Sachschaden darstelle, sei auf das Erkenntnis vom 31.10.1990 zu Zl 90/02/0119 verwiesen. Danach ist die Frage zu verneinen, wenn die ?beschädigte? Sache ohne nennenswerten Aufwand in ihre ursprüngliche Lage zurückgebracht werden kann. Im gegenständlichen Fall liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die verschmutzte Wäsche nicht ohne nennenswerten Aufwand durch einen Waschgang in ihre ursprüngliche, saubere Lage zurückversetzt werden konnte.
Es kann daher das Beschmutzen von Kleidungsstücken nicht als Sachschaden angesehen werden. Außerdem geht die Berufungsbehörde davon aus, dass die Lenkerin des gegenständlichen Fahrzeuges aufgrund des übergegangenen Baches und der wetterbedingten erschwerten Straßenverhältnisse das Bespritzen der Gendarmeriebeamten und Gemeindearbeiter nicht wahrgenommen hat. Zum einen ist so was akustisch nicht wahrnehmbar und zum anderen ist es durchaus nachvollziehbar, dass wenn von der linken Seite den Berg herunter eine Schlammlawine bis über die Straße zur rechten Seite fließt, man so konzentriert sein Fahrzeug lenkt, dass man das Anspritzen von Personen, die am Straßenrand stehen, nicht wahrnimmt.
Ausdrücklich wird festgehalten, dass dies natürlich nicht als Kavaliersdelikt bewertet wird, aber ist doch darauf zu verweisen, dass es sich am 17.08.2001 um 14.25 Uhr auf der L18/4,52 im Gemeindegebiet von Kauns um eine naturbedingte Ausnahmesituation gehandelt hat und hätte dies berücksichtigt werden müssen. Die Verpflichtung zur Meldung einer Sachbeschädigung setzt also das Wissen um diese voraus. Eine Verletzung der Vorschrift, bei Unfällen eingetretene Sachbeschädigungen unverzüglich der nächsten Sicherheitsdienststelle anzuzeigen, kann daher nur dann angenommen werden, wenn der Beschädiger von dem Ereignis Kenntnis erlangt hat. Wie schon ausgeführt, geht die Berufungsbehörde davon aus, dass die Beschuldigte tatsächlich nicht wusste, dass sie den Meldungsleger und die Gemeindearbeiter mit Wasser und Schlamm bespritzt hatte. Selbst wenn sie Kenntnis davon erlangt hätte, ist es jedoch ? wie schon eingangs ausgeführt ? nicht zu einer Sachbeschädigung gekommen, sodass die Berufungswerberin auch keine solche zu melden gehabt hatte.
Bezugnehmend auf Punkt 3. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ist auszuführen, dass die Beschuldigte auf einer überfluteten Straße gefahren ist. Es hat sich hierbei um eine Ausnahmesituation im Straßenverkehr gehandelt. Ihr Vorbringen, sie habe sich nicht getraut, das Fahrzeug langsamer zu lenken, aus Angst vor Aquaplaning erklärt ihr Verhalten ausreichend. Sie hat in der Folge zwar die Beinkleider von am Straßenrand stehenden Personen angespritzt. Insgesamt ist dazu auszuführen, dass das Verschulden der Beschuldigten zwar gegeben ist, dieses jedoch unter Bedachtnahme auf die besonderen Umstände zum gegenständlichen Zeitpunkt als geringfügig zu betrachten und die Folgen der Übertretung als unbedeutend zu werten sind, weshalb mit der Anwendung des § 21 VStG das Auslangen gefunden werden konnte.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.