Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Monica Voppichler-Thöni über die Berufung des Herrn R. V., 6345 Kössen, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bernhard H.d, 6020 Innsbruck, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 12.08.2002, Zahl VK-532-2002, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind Euro 30,--, zu bezahlen.
Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wird insofern präzisiert, als der Spruch nach der Wortfolge ?Sie sind als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges? zu lauten hat:
?mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 Tonnen entgegen dem dort deutlich sichtbar aufgestellten Verbotszeichen ?Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t? gefahren.?
Im Übrigen bleibt der Spruch des Straferkenntnisses unberührt.
Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Tatzeit: 01.10.2001 gegen 19.55 Uhr
Tatort: Gries a. Br., auf der A 13, von Strkm 34,49 bis Strkm 33,85,
in Richtung Innsbruck
Fahrzeug: Sattelkraftfahrzeug, KU-6xxx und KU-6yyy
1. Sie sind als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges entgegen dem Verbotszeichen ?Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t? gefahren.?
Dadurch habe der Berufungswerber eine Verwaltungsübertretung nach § 52 lit a Z 7a iVm § 99 Abs 3 lit a StVO 1960 begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) sowie ein Verfahrenskostenbeitrag verhängt wurden.
In der fristgerecht dagegen erhobenen Berufung brachte der Berufungswerber durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter im Wesentlichen vor, dass er sich in einer Notstandssituation befunden habe, weil er mit seinem - mit brennbarem Leim beladenen - Tankwagen, im Tunnel an einer unübersichtlichen Stelle hinter stehenden Fahrzeugen stehen bleiben hätte sollen. Dies hätte jedoch eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben des Berufungswerbers und der anderen Verkehrsteilnehmer dargestellt. Aus diesem Grund sei der Berufungswerber ohne Gefährdung anderer an den stehenden Fahrzeugen vorbeigefahren. Nach Verlassen des Tunnels habe er sich wieder in die rechte Spur einordnen wollen, dies habe ihm jedoch keiner der LKW-Lenker ermöglicht, weshalb er sich entschlossen habe, die 640 m lange und auf der gesamten Strecke einsehbare Fahrverbotsstrecke zu passieren. Der Berufungswerber habe somit umsichtig und verantwortungsbewusst gehandelt, indem er im Tunnel nicht angehalten habe. Bezüglich des Strafausmaßes führte der Berufungswerber an, dass er bisher nicht auffällig, sondern stets bemüht gewesen sei, die umfangreichen Bestimmungen, die einen Berufskraftfahrer treffen, einzuhalten. Außerdem verfüge er als LKW-Lenker nur über ein geringes Einkommen. Durch die Verhängung einer derart hohen Strafe könne er seinen laufenden Zahlungs- und Unterhaltsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Er beantrage daher, die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel möge der Berufung Folge geben, das angefochtene Straferkenntnis beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen, in eventu von einer Bestrafung des Beschuldigten Abstand nehmen und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 21 Abs 1 VStG einstellen, in eventu der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol wolle in Stattgebung der Berufung das Straferkenntnis aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen, in eventu von einer Bestrafung des Beschuldigten Abstand nehmen und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen, in eventu die verhängte Geldstrafe schuld- und tatangemessen herabsetzen
.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den erstinstanzlichen Akt.
Aufgrund des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafaktes steht der von der Berufungsbehörde angenommene und dem angefochtenen Straferkenntnis zugrunde gelegte Sachverhalt als erwiesen fest. Dieser wird vom Berufungswerber in objektiver Hinsicht auch ausdrücklich zugestanden.
In subjektiver Hinsicht wendet der Berufungswerber jedoch ein, dass er sich in einer Notstandssituation befunden habe.
Der Unabhängige Verwaltungssenat hat wie folgt erwogen:
Unter Notstand im Sinne des § 6 VStG kann nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht; es muss sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln (VwGH 27.05.1987, 87/03/0112; 17.02. 1992, 91/19/0328 ua). Die bloße Möglichkeit einer Gefahr reicht nicht aus (vgl VwGH 18.05.1993, 93/05/0071). Ein strafbefreiender Notstand ist daher nur dann gegeben, wenn eine Verwaltungsübertretung zur Abwendung einer dem Beschuldigten unmittelbar drohenden Gefahr erfolgt, die so groß ist, dass er sich in unwiderstehlichem Zwang befindet, eher die in Betracht kommende Vorschrift zu übertreten, als das unmittelbar drohende Übel über sich ergehen zu lassen (VwGH 25.02.1981, 2985/79 ua). Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein:
Das bloß allgemein gehaltene Vorbringen des Berufungswerbers, das Verweilen mit einem Tankfahrzeug an einer unübersichtlichen Stelle in einem Tunnel stelle eine unmittelbar drohende Gefahr für sein eigenes Leben und das der anderen Verkehrsteilnehmer dar, und sein Verweis auf die zahlreichen Verkehrsunfälle mit Schwerkraftfahrzeugen in Tunnels in den letzten Jahren vermögen die Annahme eines Notstandes iSd § 6 VStG jedenfalls nicht zu rechtfertigen. Damit gelingt es dem Berufungswerber nämlich nicht, glaubhaft zu machen, zum Tatzeitpunkt habe tatsächlich eine ?unmittelbar drohende Gefahr für sein Leben und das der übrigen Verkehrsteilnehmer? und nicht nur die Möglichkeit einer solchen bestanden.
Da jeder Kraftfahrzeuglenker stets mit dem Auftauchen von Verkehrshindernissen sowie anderen Verkehrsteilnehmern rechnen und deshalb immer auf Sicht fahren muss, wäre es dem Berufungswerber durchaus möglich und zumutbar gewesen, sein Sattelkraftfahrzeug hinter den stehenden Fahrzeugen im Tunnel anzuhalten, die Weiterfahrt abzuwarten und allenfalls die Warnblinkanlage zu aktivieren. In der Folge hätte er die Fahrt ordnungsgemäß über den Parkplatz und nicht entgegen dem Verbotszeichen ?Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t? fortsetzen können.
Was nämlich den - angeblich - fehlenden Platz für das anschließende Wiedereinordnen anlangt, ist der Berufungswerber auf die Bestimmung des § 16 Abs 1 lit c StVO zu verweisen, der normiert, dass der Lenker eines Fahrzeuges dann nicht überholen darf, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.
Der Berufungswerber hat sich somit keineswegs in einer die Schuld ausschließenden Notstandssituation befunden, als er die Brennerautobahn entgegen dem Verbotszeichen ?Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t? befahren hat, und ist ihm daher die vorgeworfene Verwaltungsübertretung sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen.
Zur Strafbemessung:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß Abs 2 leg cit sind überdies im ordentlichen Verfahren die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Des weiteren sind die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die vom Berufungswerber missachtete Bestimmung dient dazu, die Belastung der Straßen durch Lastkraftwagen so gering wie möglich zu halten. Diesem Interesse hat der Berufungswerber in nicht unerheblichem Ausmaß zuwidergehandelt. Als Verschuldensgrad war zumindest Fahrlässigkeit anzunehmen. Aufgrund einer (nicht einschlägigen) Verwaltungsstrafvormerkung kam dem Berufungswerber der Milderungsgrund der Unbescholtenheit nicht zugute. Auch erschwerend war nichts zu werten.
Die verhängte Geldstrafe liegt im unteren Bereich des Strafrahmens des § 99 Abs 3 lit a StVO, der bis Euro 726,-- reicht und ist schuld- und tatangemessen sowie erforderlich, um den Berufungswerber in Zukunft von gleichartigen Verwaltungsübertretungen abzuhalten. Sie ließe sich auch mit allenfalls ungünstigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen in Einklang bringen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Zur Spruchverbesserung:
In diesem Zusammenhang wird auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach eine den Eintritt der Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung auch dann vorliegt, wenn dem Vertreter des Beschuldigten die Anzeige, aus der sich der von der Behörde angenommene, die in Rede stehende Übertretung betreffende Sachverhalt ergibt, durch Akteneinsicht zur Kenntnis gebracht wird (VwGH 18.05.1988, 87/02/0178).
Im vorliegenden Fall ist der Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für Tirol vom 03.10.2001 zu entnehmen, dass das vom Berufungswerber gelenkte Sattelkraftfahrzeug ein höchstzulässiges Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t aufgewiesen hat. Da der Rechtsvertreter des Berufungswerbers nachweislich am 08.03.2002, sohin innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist, bei der Bundespolizeidirektion Innsbruck Einsicht in den gegenständlichen Akt samt Anzeige genommen hat, war die Berufungsbehörde berechtigt und verpflichtet, das wesentliche Tatbestandselement ?mit einem höchstzulässiges Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t? in den Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses aufzunehmen.