Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 in Verbindung mit § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben.
Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.
Mit dem bekämpften Straferkenntnis wurde der Rechtsmittelwerber schuldig befunden, am ** ** **** in S******** ein Sattelkraftfahrzeug, beladen mit Gefahrgut Klasse 2 Ziffer 1 F ADR, UN 1954, 4 Flaschen zu je 50 Liter, 3 Flaschen zu je 10 Liter, insgesamt 230 Liter, Klasse 2 Ziffer 1 A ADR, UN 1002, 1 Flasche zu 20 Liter und Klasse 2 Ziffer 8 A ADR, 5 leere Gefäße, letzte Ladgüter UN 1954 und UN 1002 beladen war, gelenkt zu haben, wobei er kein den Vorschriften nach Rn 10381 Abs 1 lit a entsprechendes Beförderungspapier, keine schriftlichen Weisungen und keine den Bestimmungen der Rn 10240 Abs 1 lit a ADR entsprechenden Feuerlöscher mitgeführt hat und die Beförderungseinheit vorne und hinten nicht mit zwei rechteckigen rückstrahlenden, senkrecht angebrachten orangefarbenen Tafeln versehen war.
Dadurch habe er sich vier Verwaltungsübertretungen nach dem GGBG schuldig gemacht und wurde hiefür mit vier Geldstrafen in der Höhe von je ? 145,35 (Ersatzfreiheitsstrafe je 50 Stunden) bestraft.
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung beantragte der Rechtsmittelwerber die Behebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu die Verhängung von nur einer Geldstrafe. Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die ?Handwerkerbefreiung? vorgelegen habe.
In der Berufungsverhandlung führte der Rechtsmittelwerber aus wie folgt:
?Ich habe am ** ** **** das im Straferkenntnis angeführte Fahrzeug gelenkt. Die Beladung war, wie auf der einheitlichen Prüfliste (EG 95/50) angeführt und nicht wie im Straferkenntnis angeführt. Im Straferkenntnis ist eine Flasche zu 20 l Gefahrgut der Klasse II Z 1A ADR, UN 10002 angeführt, welche nicht geladen war. Es stimmt, dass ich bei der Beförderung kein Beförderungspapier, keine schriftlichen Weisungen und keine orangefarbenen Tafeln mitgeführt habe. Ich habe jedoch einen Feuerlöscher (groß) mitgeführt. Bezüglich der behaupteten Handwerkerbefreiung gebe ich an, dass Herr P******* und ich gemeinsam die Firma C** O************** P******* & P****** OEG führen. Diese Firma beschäftigt sich mit Rohrbruchsuche, Kabelfehlersuche u ä. Dazu wird unter anderem das bei der Beförderung mitgeführte Gas benötigt. Ich habe vor der Kontrolle bei der OMV auf einer Feuerlöschleitung einen Rohrbruch gesucht und dabei die Gase benötigt. Ich bin in der Folge kurz zum Firmensitz gefahren, da ein Gerät defekt war und ich dieses austauschen musste und danach war ich zu einem weiteren Einsatzort unterwegs. Auf dieser Fahrt fand die Kontrolle statt. Frau D***** ist im Büro beschäftigt und weiß auch, dass die Gase für unsere Arbeit benötigt werden.?
Eine Mitarbeiterin der Firma P******* & P****** OEG führte als Zeugin aus:
?Ich bin Gründungsmitglied der Firma P******* & P****** OEG und seit der Gründung der Firma im Jahr **** bei dieser Firma beschäftigt. Die Firma befasst sich mit Rohrbruchsuche, Kabelfehlermessungen usw. Zur Rohrbruchsuche werden diverse Gase benötigt, welche hineingeblasen werden um die schadhafte Stelle zu finden. Pressluft wird zur Entleerung der Leitungen benötigt. Aufgrund der Ladung für die heutige Verhandlung habe ich im Terminkalender vom ** ** **** nachgesehen und dabei festgestellt, dass der Berufungswerber an diesem Tag zuerst einen Termin in Wolkersdorf, in der Folge bei der OMV in Schwechat und in weiterer Folge in Baden hatte. Bei dem Einsatz in Baden hat es sich um eine Rohrbruchsuche gehandelt.
Ich mache die Buchhaltung alleine und habe noch nie eine Rechnung über eine Flasche zu 20 l Gefahrgut der Klasse II Z 1A ADR UN 1002 gesehen. Aus diesem Grund kann ich mir nicht vorstellen, dass eine derartige Flasche mitgeführt worden ist.?
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:
Gemäß § 27 Abs 2 Z 9 GGBG begeht, wenn die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe in der Höhe von ? 72,-- bis ? 3633,-- (zum Tatzeitpunkt S 1000,-- bis S 50000,--) zu bestrafen, wer als Absender gefährliche Güter entgegen § 13 Abs 1 zur Beförderung auf der Straße übergibt.
Die selbe Strafe droht nach Ziffer 10 und 11 der zitierten Gesetzesstelle den, der als Lenker entgegen § 13 Abs 2 eine Beförderungseinheit, mit der gefährliche Güter befördert werden, in Betrieb nimmt oder lenkt oder als Lenker entgegen § 13 Abs 3 Begleitpapiere oder Ausstattungsgegenstände nicht mitführt.
Gemäß Rn 2009 lit c ADR in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung gelten die Vorschriften dieser Anlage nicht für Beförderungen, die von Unternehmen in Verbindung mit ihrer Haupttätigkeit durchgeführt werden, wie Lieferungen für Baustellen im Hoch- und Tiefbau, oder im Zusammenhang mit Messungen, Reparaturen und Wartungsarbeiten, in Mengen, die 500 Liter je Verpackung nicht übersteigen und die die Höchstmengen gemäß Rn 10011 nicht überschreiten. Beförderungen, die von diesem Unternehmen zu ihrer internen oder externen Versorgung durchgeführt werden, fallen jedoch nicht unter diese Ausnahmeregelung.
Im erstinstanzlichen Verfahren wurde das Zutreffen dieser Ausnahmeregelung verneint, da eine Berechnungszahl für Kleinmengen nach Rn 10011 ADR nach Rechtsmeinung des BMI nicht anzuwenden sei, da leere Gefäße keinen Multiplikationsfaktor hätten.
Entgegen dieser Rechtsmeinung vertritt die erkennende Behörde die Auffassung, dass die verfahrensgegenständlichen leeren ungereinigten Gefäße, welche nach Rn 10011 unbegrenzt unter diese Ausnahmeregelung fallen, schon auf Grund des Umstandes, dass sie unbegrenzt in die Ausnahmeregelung fallen, keines Multiplikationsfaktors bedürfen, um die Gesamtsumme, welche die Summe 1000 nicht überschreiten darf, zu errechnen. Daraus folgt, dass bei Errechnung der Gesamtsumme der mitgeführten Gefahrgüter die Höchstmengen gemäß Rn 10011 ADR nicht überschritten wurden.
Aus der Verantwortung des Rechtsmittelwerbers, bestätigt durch die Zeugenaussage der Mitarbeiterin der Firma P******* & P****** OEG, ergibt sich zweifelsfrei, dass es sich beim gegenständlichen Transport um einen solchen gehandelt hat, welcher unter die Ausnahmeregelung der Rn 2009 lit c ADR (?Handwerkerbefreiung?) fällt. Aus diesem Grunde war das Mitführen des Beförderungspapieres, der schriftlichen Weisungen und des Feuerlöschers sowie des Anbringen der orangefarbenen Tafeln nicht erforderlich.
Der Rechtsmittelwerber hat daher die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht begangen, weshalb der Berufung Folge zu geben und das Strafverfahren einzustellen waren.