TE UVS Tirol 2003/02/11 2002/22/207-1

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Veröffentlicht am 11.02.2003
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Josef Hauser über die Berufung des Herrn H. S., 6600 Reutte, vertreten durch den Sachwalter Herrn Thomas Sch., 6632 Ehrwald, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 22.05.2002, Zahl VA-24-2002-SIK, betreffend Übertretungen nach der StVO, wie folgt:

 

I.

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung gegen Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses Folge gegeben, das Straferkenntnis in diesem Punkt behoben und das Verfahren insofern gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

 

II.

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die Berufung gegen Spruchpunkt 2., 3., und 4. des Straferkenntnisses als unbegründet abgewiesen.

 

Nach § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Beschuldigte einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 20 % der verhängten Strafen, das sind gesamt Euro 21,60, zu bezahlen.

Text

Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 22.05.2002, Zahl VA-24-2002-SIK, wurde dem Berufungswerber, Folgendes zur Last gelegt:

 

?Tatzeit: 20.01.2002 um 19.15 Uhr

Tatort: Reutte, B 198 bei km 75,25

Fahrzeug: elektr. Rollstuhl

 

1. Sie haben das angeführte Fahrzeug auf öffentlichen Straßen gelenkt und haben sich trotz Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organes der Straßenaufsicht geweigert, sich Blut abnehmen zu lassen, obwohl vermutet werden konnte, dass Sie sich beim Lenken in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden haben. Die Verweigerung erfolgte am 20.01.2002 um 21.00 Uhr am Posten in Reutte.

2. Sie haben als Lenker eines Fahrzeuges, vom Parkplatz/Feldweg kommend, den im fließenden Verkehr fahrenden Fahrzeuglenker durch Kreuzen der Fahrbahn zu unvermitteltem Bremsen/Ablenken seines Fahrzeuges genötigt.

3. Sie haben nach einem Verkehrsunfall, mit dem Ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, das von Ihnen gelenkte Fahrzeug nicht sofort angehalten.

4. Sie haben es unterlassen, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem Ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten bzw der Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, unterblieben ist.

 

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1.

§ 99 Abs 1 lit c iVm § 5 Abs 2 StVO

2.

§ 19 Abs 7 in Verbindung mit § 19 Abs 6 und § 99 Abs 3 lit a Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960)

 3. § 4 Abs 1 lit a und § 99 Abs 2 lit a Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960)

 4. § 4 Abs 5 erster Satz und § 99 Abs 3 lit b Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960).?

 

Über den Beschuldigten wurde deshalb wegen der Übertretung des § 5 Abs 2 StVO 1960 eine Geldstrafe von Euro 1.162,00, Ersatzfreiheitsstrafe 16 Tage, und wegen der Übertretungen nach § 19 Abs 7 in Verbindung mit § 19 Abs 6 leg cit, § 4 Abs 1 lit a leg cit und § 4 Abs 5 erster Satz leg cit jeweils eine Geldstrafe von Euro 36,00, Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 24 Stunden, verhängt.

 

Die Erstinstanz hat zunächst die Zustellung des betreffenden Straferkenntnisses an den Beschuldigten verfügt, obwohl für diesen mit Beschluss des Bezirksgerichtes Reutte vom 13.12.2001, GZ 1 P 830/96k, Herr Thomas Sch., 6632 Ehrwald, als Sachwalter für alle Angelegenheiten bestellt worden ist. Erst mit Schreiben vom 26.09.2002, GZ VA-24-2002-SIK, hat die Erstinstanz über Hinweis des Sachwalters, dass ihm kein Straferkenntnis zugegangen sei, die nochmalige Zustellung einer Ausfertigung des Straferkenntnisses vom 22.05.2002 an diesen veranlasst.

 

Mit der am 03.10.2002 zur Post gegebenen Eingabe hat der Sachwalter des Beschuldigten gegen die mit dem betreffenden Straferkenntnis ausgesprochene Verwaltungsstrafe sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach Berufung erhoben und dabei im Wesentlichen ausgeführt, es werde bestritten, dass die Behörde unter den gegebenen Umständen überhaupt berechtigt sei, eine derartige Verwaltungsstrafe auszusprechen. Auch seien die Aussagen derart widersprüchlich, dass dies zu keiner Verwaltungsstrafe führen könne.

 

 

Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:

 

Zur Rechtzeitigkeit der Berufung:

Gemäß § 63 Abs 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser.

 

Für den Beschuldigten ist ein Sachwalter bestellt, der alle Angelegenheiten zu besorgen hat.

Die Zustellung des Straferkenntnisses konnte daher wegen fehlender Prozessfähigkeit iSd § 9 AVG rechtswirksam nur an diesen erfolgen. Das Straferkenntnis ist daher erst mit Zustellung an den Sachwalter rechtswirksam geworden. Folglich hat erst mit diesem Zeitpunkt die Berufungsfrist zu laufen begonnen. Die am 03.10.2002 zur Post gegebene Berufung erweist sich daher jedenfalls als fristgerecht.

 

Zum Sachverhalt:

Die Berufungsbehörde sieht folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Der Berufungswerber, hat am 20.01.2002 um 19.15 Uhr im Ortsgebiet von Reutte mit einem elektrischen Rollstuhl die B 198 bei km 75,25 ohne ausreichende Bedachtnahme auf den fließenden Verkehr gequert, wodurch der Lenker eines auf der B 198 in Fahrtrichtung Reutte fahrenden PKW?s mit dem Kennzeichen RE-xxx veranlasst worden ist, sein Fahrzeug nach rechts zu verreißen und dieser gegen einen Schneehaufen geprallt ist. Durch den Unfall ist am PKW leichter Sachschaden entstanden. Der Berufungswerber hat in der Folge nur kurz angehalten und ist sodann ohne nähere Nachschau wegen allfälliger Unfallfolgen mit dem elektrischen Rollstuhl in Richtung Fritz-Engl-Straße weitergefahren. Um 19.40 Uhr wurde der Beschuldigte mit seinem Rollstuhl von Beamten des Gendarmeriepostens Reutte angehalten. Nachdem diese bei dem Berufungswerber Alkoholisierungssymptome wahrgenommen haben, haben sie ihn aufgefordert, sich am Gendarmerieposten Reutte einer Untersuchung des Alkoholgehaltes der Atemluft zu unterziehen. Da er nicht in der Lage war, den Alkomattest durchzuführen (Brechreiz bei Einführen des Plastikmundstückes in den Mundraum, kein ausreichendes Blasvolumen), wurde der Berufungswerber in weiterer Folge mit seinem Einverständnis einer ärztlichen Untersuchung durch den stellvertretenden Sprengelarzt unterzogen. Vom beigezogenen Arzt wurde dabei eine mittlere Beeinträchtigung durch Alkoholkonsum festgestellt. In der Folge wurde der Berufungswerber durch Herrn Rev. Insp. T. aufgefordert, sich Blut abnehmen zu lassen. Dies hat der Berufungswerber verweigert, wobei er allerdings nicht über die Folgen einer Verweigerung der Blutabnahme informiert worden ist. Außerdem wurde ihm vom Beamten nach Rücksprache mit dem Journaldienst der Bezirkshauptmannschaft Reutte mitgeteilt, dass in diesem speziellen Fall keine Blutabnahme mehr notwendig sei.

 

Die vorstehenden Sachverhaltsfeststellungen über den Unfallhergang ergeben sich aus der Anzeige des Gendarmeriepostens Reutte vom 23.01.2002, Zahl 238/1/2002 TAN, und zwar insbesondere der darin festgehaltenen Aussage des unfallbeteiligten Fahrzeuglenkers D. L.. Wenn der Beschuldigte bestreitet, unvermittelt die Fahrbahn gequert zu haben, so ist dies für die Berufungsbehörde nicht glaubhaft. Bereits das nachfolgende Unfallgeschehen, nämlich das Verreißen des Fahrzeuges durch den Fahrzeuglenker, stellt ein deutliches Indiz dafür dar, dass der Beschuldigte bei Querung der Fahrbahn auf den fließenden Verkehr nicht hinreichend Bedacht genommen hat. Weiters ist es für die Berufungsbehörde unerfindlich, welche Umstände den gegenbeteiligten Fahrzeuglenker veranlasst haben sollten, den Beschuldigten fälschlich zu beschuldigen.

Dass der Beschuldigte den Unfall wahrgenommen hat, hat dieser gegenüber dem erhebenden Gendarmeriebeamten zunächst zwar bestritten, anlässlich seiner Befragung durch die Bezirkshauptmannschaft Reutte aber zugestanden. Dass er in der Folge nur kurz angehalten und sodann ohne Verständigung der nächsten Gendarmeriedienststelle die Fahrt in Richtung Lebenshilfe fortgesetzt hat, wird auf Grund der Angaben des gegenbeteiligten Kraftfahrzeuglenkers bzw den Angaben in der Anzeige des Gendarmeriepostens Reutte ebenfalls als erwiesen angesehen. Der Beschuldigte hat bei seiner Einvernahme durch die Bezirkshauptmannschaft Reutte außerdem selbst angegeben, dass er, nachdem ihn der gegenbeteiligte Fahrzeuglenker gefragt habe, ob er verletzt sei, dies verneint und sodann die Fahrt in Richtung Lebenshilfe fortgesetzt habe.

Dass beim Beschuldigten eine mittlere Beeinflussung durch Alkohol vorgelegen hat, ergibt sich aus dem Gutachten des beigezogenen Arztes, der zweifelsfrei über die entsprechende Fachkunde verfügt, derartige Feststellungen zu treffen.

Was die Vorgänge am Gendarmerieposten Reutte anlangt, ergeben sich die vorstehenden Sachverhaltsfeststellungen ebenfalls aus der Anzeige des Gendarmeriepostens Reutte vom 23.01.2002 sowie aus dem von der Erstinstanz angeforderten ergänzenden Bericht des Gendarmeriebeamten Rev. Insp. T.

 

 

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I.

Nach § 5 Abs 2 StVO 1960 sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand

1.

ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder

2.

als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

 

Nach § 5 Abs 4a leg cit sind Organe der Straßenaufsicht weiters berechtigt, Personen, bei denen eine Untersuchung gemäß Abs 2 aus Gründen, die in der Person des Probanden gelegen sind, nicht möglich war und die verdächtig sind, sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu befinden, zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden, bei einer Bundespolizeibehörde tätigen oder bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden Arzt zur Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes zu bringen.

 

Gemäß § 5 Abs 5 leg cit sind die Organe der Straßenaufsicht weiters berechtigt, Personen, von denen vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt oder zum diensthabenden Arzt einer öffentlichen Krankenanstalt zu bringen, sofern eine Untersuchung gemäß Abs 2

1. keinen den gesetzlichen Grenzwert gemäß Abs 1 erreichenden Alkoholgehalt ergeben hat oder

2. aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war.

Wer zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem Arzt gebracht wird, hat sich einer Untersuchung durch diesen zu unterziehen.

 

Nach § 5 Abs 6 leg cit ist an Personen, die gemäß Abs 4a zu einem Arzt gebracht werden, eine Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vorzunehmen; die Betroffenen haben diese Blutabnahme vornehmen zu lassen.

 

Gemäß § 99 Abs 1 lit c StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von Euro 1.162,00 bis Euro 5.813,00, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, sich Blut abnehmen zu lassen.

 

Unter Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses wird dem Beschuldigten die Verweigerung der Blutabnahme vorgeworfen. Der Beschuldigte weist allerdings darauf hin, dass er über die Rechtsfolgen einer Verweigerung der Blutabnahme nicht informiert worden sei und man ihm außerdem mitgeteilt habe, dass in diesem speziellen Fall keine Blutabnahme erforderlich ist. Dieses Vorbringen ist eindeutig dahingehend zu interpretieren, dass sich der Beschuldigte auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum beruft, also einen die Bestrafung ausschließenden Schuldausschließungsgrund geltend macht.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschuldigte nach Ansicht der Berufungsbehörde im Recht.

Gemäß § 5 Abs 2 VStG entschuldigt die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in mehreren Erkenntnissen mit der Frage nach dem Vorliegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums auseinandergesetzt und wiederholt auf die Verpflichtung hingewiesen, sich über die maßgebenden Rechtsvorschriften zu informieren. Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings zugestanden, dass die Rechtsauskunft eines Behördenorganes auf die Beurteilung der Schuldfrage Einfluss ausüben kann (VwGH 30.04.1969, 1050/68 ua).

Unstrittig ist, dass der Beschuldigte vom anwesenden Gendarmeriebeamten nicht auf die Folgen einer Verweigerung der Blutabnahme hingewiesen wurde. Nach Rücksprache mit der Bezirkshauptmannschaft Reutte wurde dem Beschuldigten außerdem mitgeteilt, dass in diesem speziellen Fall keine Blutabnahme erforderlich sei. Bei dieser Sachlage ist es aber nach Ansicht der Berufungsbehörde entschuldbar, wenn dem Beschuldigten, dessen Verhalten zwar objektiv das Tatbild einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs 6 StVO 1960 erfüllt, der Verstoß gegen eine gesetzliche Verpflichtung nicht bewusst geworden ist. Der Beschuldigte hat sich über Aufforderung durch die Gendarmeriebeamten einer ärztlichen Untersuchung durch den Sprengelarzt zur Feststellung der Alkoholisierung unterzogen. Nachdem er auf seine Erklärung hin, eine Blutabnahme nicht durchführen zu lassen, vom Organ der Straßenaufsicht die Auskunft erhalten hat, eine Blutabnahme sei in diesem speziellen Fall nicht erforderlich, konnte er nach Ansicht der Berufungsbehörde entschuldbar davon ausgehen, dass er mit der Zustimmung zur ärztlichen Untersuchung seinen straßenverkehrsrechtlichen Pflichten vollends nachgekommen ist und er durch die Verweigerung zur zusätzlich geforderten Blutabnahme keine Verwaltungsübertretung begeht.

 

Das Verwaltungsstrafverfahren war daher in diesem Punkt spruchgemäß einzustellen.

 

Zu Spruchpunkt II.:

1. Gemäß § 19 Abs 6 StVO 1960 haben Fahrzeuge im fließenden Verkehr den Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die von Nebenfahrbahnen, von Fußgängerzonen, von Wohnstraßen, von Haus- oder Grundstücksausfahrten, von Garagen, von Parkplätzen, von Tankstellen, von Feldwegen oder dgl kommen.

Nach § 19 Abs 7 leg cit darf, wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

 

Gemäß § 99 Abs 3 lit a begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 726,00, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

 

Auf Grund der seitens der Berufungsbehörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen steht fest, dass das Verhalten des Beschuldigten das Tatbild einer Übertretung des § 19 Abs 7 iVm Abs 6 StVO 1960 erfüllt.

Hinsichtlich der inneren Tatseite ist von Fahrlässigkeit auszugehen. Der gegenbeteiligte Fahrzeuglenker hat glaubhaft angegeben, dass er den Beschuldigten beim Kebab-Stand wahrgenommen und dieser sodann unvermittelt die Fahrbahn überquert habe. Es hat also offenbar bereits zu Beginn der Straßenquerung eine Sichtbeziehung zum sich nähernden PKW bestanden. Indem der Beschuldigte dennoch die Fahrbahn gequert und dadurch den im Vorrang befindlichen PKW-Lenker zum Auslenken veranlasst hat, möglicherweise weil die Straßenverhältnisse und damit die Möglichkeit zum Abbremsen von ihm falsch eingeschätzt wurden, hat er jedenfalls die gebotene Sorgfalt unterlassen.

Die unter Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisse erfolgte Bestrafung ist sohin dem Grunde nach zu Recht erfolgt.

 

Auch gegen die Strafhöhe ergeben sich nach Ansicht der Berufungsbehörde keine Bedenken.

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach Abs 2 sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die dem Beschuldigten zur Last gelegte Übertretung hat zu einem Unfall mit Sachschaden geführt, hat mithin bei der Strafbemessung zu berücksichtigende nachteilige Folgen nach sich gezogen. Weiters war erschwerend zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte bei der Tatbegehung alkoholisiert war, wobei die ärztliche Untersuchung eine mittlere Beeinflussung durch Alkohol ergeben hat. Mildernd erwies sich lediglich der Umstand, dass für den Beschuldigten bislang keine Strafvormerkungen aufscheinen.

Im gegenständlichen Fall wurde der gesetzliche Strafrahmen nur zu knapp 5 % ausgeschöpft. Gewichtet man nun die vorangeführten Umstände, so ist eine Geldstrafe in dieser geringen Höhe ungeachtet der bescheidenen Einkommensverhältnisse des Beschuldigten dennoch erforderlich, um dem Unrechtsgehalt der Tat hinreichend Rechnung zu tragen. Auch spezialpräventive Erwägungen sprechen gegen eine nochmalige Herabsetzung der Geldstrafe.

Wenn der Beschuldigte in diesem Zusammenhang die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe bemängelt, so ist ihm entgegenzuhalten, dass die Festlegung einer Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der Uneinbringlichkeit vom Gesetzgeber zwingend vorgesehen ist, der Behörde insofern also kein Ermessensspielraum verbleibt.

 

 

2. Gemäß § 4 Abs 1 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht,

a)

wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

b)

wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,

 c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

 

Gemäß § 99 Abs 2 lit a StVO 1960 begeht der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von Euro 36,00 bis Euro 2.180,00, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen zu bestrafen, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs 1 und 2 zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt.

 

Die angeführten Gesetzesbestimmungen stellen klar, dass die betreffenden Verhaltenspflichten jeden treffen, welche mit einem Unfall in ursächlichem Zusammenhang steht. Die Bestimmung bezieht sich also nicht nur auf Personen, die den Unfall verschuldet oder mitverschuldet haben, sondern auf alle Personen, deren Verhalten mit dem Verkehrsunfall im Zusammenhang steht.

Dass das Verhalten des Beschuldigten in ursächlichem Zusammenhang mit dem nachfolgenden Verkehrsunfall mit Sachschaden gestanden hat, steht für die Berufungsbehörde außer Zweifel. Der ursächliche Zusammenhang ist nach der sog Kausalitätstheorie zu prüfen. Es ist also zu fragen, ob auch bei Wegdenken des betreffenden Verhaltens der Unfall eingetreten wäre. Dies ist nach Ansicht der Berufungsbehörde zu verneinen. Hätte der Beschuldigte die Querung der Fahrbahn unterlassen, wäre es eindeutig nicht zum nachfolgenden Unfallgeschehen gekommen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Beschuldigten und dem Unfall mit Sachschaden steht daher außer Zweifel, womit diesen aber ua die vorangeführten Verpflichtungen gemäß § 4 Abs 1 StVO 1960 getroffen haben. Der Beschuldigte bringt nunmehr vor, dass er kurz angehalten, nach Aussteigen des Fahrzeuglenkers und Verneinung der Frage, ob ihm etwas passiert sei, die Fahrt jedoch in Richtung Lebenshilfe fortgesetzt habe. In diesem Zusammenhang ist nun auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Anhaltepflicht nach § 4 Abs 1 lit a StVO 1960 zu verweisen. Demnach ist Zweck der Bestimmung des § 4 Abs 1 lit a nicht nur, das Fahrzeug kurzfristig anzuhalten, sondern auch den sonstigen Lenkerverpflichtungen nachzukommen. Der Lenker hat sich daher nach dem Anhalten zB auch zu vergewissern, ob durch den Unfall eine Situation entstanden ist, die von ihm weitere Maßnahmen, insbesondere nach § 4 Abs 1 lit b und c oder Abs 5 StVO 1960, erfordert (vgl VwGH 15.04.1971, 1305/70 ua). Legt man diese Judikatur auf den gegenständlichen Fall an, so ist der Beschuldigte durch das von ihm behauptete kurzfristige Anhalten seiner Verpflichtung nach § 4 Abs 1 lit a StVO 1960 nicht nachgekommen. Der Beschuldigte wäre vielmehr dazu angehalten gewesen, sich vor Fortsetzung der Fahrt über allfällige Unfallsfolgen zu informieren, insbesondere abzuklären, ob allenfalls ein Sachschaden am gegenbeteiligten Kraftfahrzeug entstanden ist und ihn damit Verpflichtungen nach § 4 Abs 5 StVO 1960 treffen. Da er dies unterlassen hat, hat er jedenfalls den objektiven Tatbestand einer Übertretung nach § 4 Abs 1 lit a leg cit erfüllt. Hinsichtlich der inneren Tatseite ist zumindest Fahrlässigkeit anzunehmen. Der Beschuldigte hat gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Reutte selbst eingestanden, dass er den Unfall wahrgenommen hat. Das Unfallsgeschehen, nämlich das Abkommen von der Fahrbahn und Anfahren an einen Schneehaufen, hat jedenfalls die Möglichkeit eines Sachschadens indiziert. Es stellt daher nach Ansicht der Berufungsbehörde eine Verletzung der gebotenen Sorgfalt dar, wenn der Beschuldigte dennoch ohne eingehende Erkundigung über die Unfallsfolgen seine Fahrt fortgesetzt hat. Bei Beachtung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt hätte der Beschuldigte sohin eine Übertretung des § 4 Abs 1 lit a StVO 1960 vermeiden können.

 

Die Bestrafung unter Spruchpunkt 3. des angefochtenen Straferkenntnisses ist sohin ebenfalls zu Recht erfolgt.

 

Auch gegen die Strafbemessung ergeben sich keine Bedenken. Bezüglich der rechtlichen Grundlagen für die Strafbemessung wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Über den Beschuldigten wurde lediglich die Mindeststrafe verhängt. Die Voraussetzung für eine außerordentliche Milderung der Strafe gemäß § 20 VStG bzw für ein Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG liegen gegenständlich nach Ansicht der Berufungsbehörde aber nicht vor. Vor allem im Hinblick auf die ärztlich festgestellte Alkoholisierung kann weder von einem erheblichen Überwiegen der Milderungsgründe noch von einem besonders geringfügigen Verschulden des Berufungswerbers ausgegangen werden.

 

3. Nach § 4 Abs 5 StVO 1960 haben die in Abs 1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen oder Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

Nach § 99 Abs 3 lit b leg cit begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 726,00, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer in anderer als der in Abs 2 lit a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalles nicht Hilfe leistet.

 

Dass der Beschuldigte weder die nächste Gendarmeriedienststelle verständigt noch mit dem gegenbeteiligten Fahrzeuglenker Name und Anschrift ausgetauscht hat, steht außer Streit. An der Tatbildmäßigkeit einer Übertretung des § 4 Abs 5 StVO 1960 kann daher kein Zweifel bestehen. Hinsichtlich der inneren Tatseite ist wiederum zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen. Dass dem Beschuldigten ein allfälliger Sachschaden nicht bewusst geworden ist, kann dessen Verhalten nicht entschuldigen. Wie bereits oben ausgeführt, hätte sich der Beschuldigte bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt vergewissern müssen, dass am Fahrzeug des gegenbeteiligten Lenkers kein Sachschaden eingetreten ist. Da der betreffende Lenker offenbar von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Schneehaufen geprallt ist, konnte der Beschuldigte nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass dies zu keinen Schäden am betreffenden PKW geführt hat. Indem er nähere Erkundigungen unterlassen hat, ist ihm hinsichtlich der Nichtbeachtung der gesetzlichen Verpflichtungen gemäß § 4 Abs 5 StVO 1960 jedenfalls ein Verschulden anzulasten.

 

Somit ist auch die Bestrafung des Beschuldigten wegen Übertretung des § 4 Abs 5 StVO 1960 dem Grunde nach zu Recht erfolgt ist.

 

Gegen die Strafhöhe ergeben sich auch in diesem Punkt keine Bedenken. Die Strafhöhe bewegt sich wiederum im untersten Bereich des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens. Ungeachtet der äußerst bescheidenen Einkommenssituation des Beschuldigten ist eine Strafe in der verhängten Höhe jedenfalls erforderlich, um den Unrechtsgehalt der Übertretung zu unterstreichen. Die betreffende Schutznorm soll die vollständige und rasche Erfassung von Unfallgeschehen mit Sachschaden garantieren und insbesondere einen Schadensausgleich sicherstellen. Vor allem generalpräventive Erwägungen sprechen daher gegen eine nochmalige Herabsetzung der im Hinblick auf den gesetzlich vorgesehenen Strafrahmen ohnedies äußerst gering bemessenen Strafe. Außerdem kann auch nicht von einem geringen Verschulden des Beschuldigten ausgegangen werden. Aufgrund des Unfallgeschehens, das den Eintritt eines Sachschadens jedenfalls indiziert hat, stellt das Unterbleiben näherer Erkundigungen jedenfalls einen nicht unerheblichen Sorgfaltsverstoß daher.

 

Im Ergebnis war daher die Berufung gegen Spruchpunkt 2., 3. und 4. des angefochtenen Straferkenntnisses als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte
Unfall, Sorgfalt, vergewissern
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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