Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Monica Voppichler-Thöni über die Berufung des Herrn E. H., pA N. Transport L. GmbH, 6393 St. Ulrich a.P., , gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 05.08.2002, Zahl SG-65-2001, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) iVm §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz (VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber spruchgemäß nachfolgender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Sie haben es als verantwortlicher Beauftragter der Arbeitgeberin N. Transport L. GmbH, 6393 St. Ulrich a.P., zu verantworten, dass - wie anlässlich einer durch BI B. auf der B 100 bei Km 142,6 im Gemeindegebiet von Sillian/ Arnbach Fahrtrichtung Italien am 20.08.2001 um 03.40 Uhr durchgeführten Kontrolle festgestellt - der Arbeitnehmer der oben bezeichneten Gesellschaft, Herr B. A. F., geb am 26.09.1966 als Lenker des Lkws, Kennzeichen KB-xxxx und KB-yyyy, nach den vorliegenden Schaublättern
1) in der Zeit vom 19.08.2001, 16.15 Uhr bis 20.08.2001, 03.35 Uhr
mit einer Lenkzeit von 11 Stunden und 14 Minuten
beschäftigt wurde, obwohl nach Artikel 6 Abs 1 der EG-VO 3820/85 in Verbindung mit dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe die gesamte Lenkzeit innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Einsatzzeit 9 Stunden, zweimal in der Woche 10 Stunden nicht überschreiten darf.
2) von 19.08.2001, 16.15 Uhr bis 20.08.2001, 03.35 Uhr
keine Lenkpause von mindestens 45 Minuten
eingelegt hat, obwohl nach Artikel 7 Abs 1 und 2 der EG-VO 3820/85 in Verbindung mit dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe nach einer Lenkzeit von 4,5 Stunden eine Lenkpause von mindestens 45 Minuten einzulegen ist.?
Dadurch habe der Berufungswerber zu Spruchpunkt 1.) eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs 1a Z 4 Arbeitszeitgesetz 1969 idF BGBl 446/1994 in Verbindung mit Artikel 6 Abs 1 Unterabsatz 1 der EG-Verordnung 3820/85 und zu Spruchpunkt 2.) eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs 1a Z 6 AZG in Verbindung mit
Artikel 7 Abs 1 und 2 der EG-Verordnung 3820/85 begangen, weshalb über ihn gemäß § 28 Abs 1a AZG zu Spruchpunkt 1.) eine Geldstrafe in Höhe von Euro 363,36 (Ersatzfreiheitsstrafe 120 Stunden) und zu Spruchpunkt 2.) eine Geldstrafe in Höhe von Euro 145,34 (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) sowie ein Verfahrenskostenbeitrag verhängt wurden.
In der fristgerecht dagegen erhobenen und als Einspruch bezeichneten Berufung brachte der Berufungswerber vor, dass die Angabe der Lenkzeit von 11 Stunden und 40 Minuten nicht richtig sei. Tatsächlich habe Herr B. das Fahrzeug 10 Stunden und 47 Minuten, also um 47 Minuten zu lange, gelenkt. Wie er bereits in seiner Rechtfertigung festgestellt habe, sei Herr B. anlässlich seiner Einschulung ganz klar darauf hingewiesen worden, dass die Lenk- und Ruhezeiten einzuhalten seien. Herr Bauer habe bereits vorher eine mehrjährige Praxis gehabt, sodass ihm die Regeln bekannt gewesen seien, trotzdem habe er sie ihm noch einmal erklärt. Im Rahmen der laufenden Kontrollen der Tachoblätter habe er einen Verstoß festgestellt und ihn noch einmal verwarnt. Schließlich sei Herr B. entlassen worden, da er sich nicht an die Anweisungen gehalten habe. Im Unternehmen bestünden ganz konkrete Kontrollmaßnahmen bezüglich der Lenk- und Ruhezeiten und seien im betreffenden Fall auch die entsprechenden Konsequenzen gezogen worden. Als Anlage übersende er daher die Kopie der Verwarnung, der Abmeldebestätigung sowie der von Herrn B. unterschriebenen Einschulung. Er bitte daher um Aufhebung des Straferkenntnisses.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den erstinstanzlichen Akt. Weiters holte die Berufungsbehörde mit Schreiben vom 08.01.2003 eine Stellungnahme des Arbeitsinspektorates Innsbruck ein:
Mit Schreiben vom 04.02.2003 teilte Herr Andreas Schm. vom Arbeitsinspektorat Innsbruck mit, dass bei objektiven Verstößen gegen Arbeitszeitvorschriften durch Lenker von Kraftfahrzeugen von Arbeitgebern immer wieder der Einwand gegen die Annahme ihres Verschuldens erhoben werde, der Arbeitgeber könne Übertretungen der Arbeitszeitvorschriften, die trotz Belehrungen über die Vorschrift und trotz Aufforderung sie einzuhalten von den Lenkern ohne Wissen und Willen des Arbeitgebers begangen worden seien, immer erst im Nachhinein feststellen, auf ihre Einhaltung aber nicht unmittelbar einwirken. Gerade deshalb, weil in der Regel eine unmittelbare Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften durch Lenker seitens des Arbeitgebers nicht zumutbar sei, komme der Verpflichtung des Arbeitgebers, ein dem konkreten Betrieb entsprechendes Kontrollsystem einzurichten und darüber hinaus alle sonstigen Maßnahmen zu treffen, die erforderlich seien, um die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften sicher zu stellen, besondere Bedeutung zu. Nur wenn der Arbeitgeber beweise, dass ein Verstoß gegen Arbeitszeitvorschriften durch einen Lenker trotz Bestehens und Funktionierens eines solchen, von ihm im Einzelnen darzulegenden Systems ohne sein Wissen und ohne seinen Willen erfolgt sei, könne ihm der Verstoß in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nicht zugerechnet werden. Die bloße Belehrung der Arbeitnehmer, die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitsruhegesetzes einzuhalten, wenn dies auch in Form einer Dienstanweisung erfolge, sowie eine stichprobenartige, regelmäßig durchgeführte Überwachung würden jedoch nicht ausreichen. Es sei auch nicht Aufgabe der Behörde, ein abstraktes Modell eines den Anforderungen entsprechenden Kontrollsystem zu entwerfen; sie habe vielmehr die Tauglichkeit des konkreten Systems zu prüfen. Im konkreten Fall könne das Kontrollsystem nicht funktioniert haben, da laufend Übertretungen des AZG im Unternehmen stattfinden würden. Es werde daher beantragt, das Strafverfahren abzuschließen und den Beschuldigten antragsgemäß zu bestrafen. Wie aus den beigelegten Kopien der Schaublätter entnommen werden könne, betrage die Lenkzeit 11 Stunden und 14 Minuten.
Der Unabhängige Verwaltungssenat hat wie folgt erwogen:
Gemäß Art 6 Abs 1 Unterabsatz 1 EG-VO 3820/85 darf die Gesamtlenkzeit zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit 9 Stunden nicht überschreiten. Sie darf zweimal pro Woche auf 10 Stunden verlängert werden.
Gemäß Art 7 Abs 1 und 2 der EG-VO 3820/85 ist nach einer Lenkzeit von 4,5 Stunden eine Unterbrechung von mindestens 45 Minuten einzulegen, sofern der Fahrer keine Ruhezeit nimmt. Diese Unterbrechung kann durch Unterbrechungen von jeweils mindestens 15 Minuten ersetzt werden, die in die Lenkzeit oder unmittelbar nach dieser so einzufügen sind, dass Absatz 1 eingehalten wird.
§ 28 Abs 1a Z 4 und 6 AZG idF BGBl I 88/1999 haben folgenden Wortlaut:
?(1a) Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die
...
4. Lenker über die gemäß Art 6 Abs 1 Unterabsatz 1 oder Abs 2 der Verordnung (EWG) Nr 3820/85 zulässiges Lenkzeit hinaus einsetzen;
...
6. Lenkpausen gemäß Art 7 Abs 1, 2 oder 4 der Verordnung (EWG) Nr 3820/85 nicht gewähren;
?
sind, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde, soweit es sich um Betriebe handelt, die der bergbehördlichen Aufsicht unterstehen, von der Berghauptmannschaft mit einer Geldstrafe von S 1.000,-- bis S 25.000,-- (Euro 72,67 bis Euro 1.816,82) zu bestrafen.?
Für den vorliegenden Fall sind weiters folgende Bestimmungen des § 28 Arbeitszeitgesetz idF BGBl I 99/1999 von wesentlicher Bedeutung:
?(3) Kommt im internationalen Straßenverkehr als verletzte Verwaltungsvorschrift je nach Fahrtstrecke entweder eine Bestimmung dieses Bundesgesetzes oder die entsprechende Vorschrift der Verordnung (EWG) Nr 3820/85 in Frage, genügt abweichend von § 44a Z 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl Nr 52, als Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift die Angabe des entsprechenden Gebotes oder Verbotes der Verordnung (EWG) Nr 3820/85.
(4) Für Verstöße gegen die im Abs 1a und 1b angeführten Rechtsvorschriften im internationalen Straßenverkehr beträgt die Verjährungsfrist abweichend von § 31 Abs 2 VStG ein Jahr.?
Nach § 28 Abs 3 AZG ist demnach - in Fällen wie dem vorliegenden - zu unterscheiden, ob es sich um einen internationalen oder einen innerstaatlichen Straßenverkehr handelt, bei ersterem ist ferner die Unterscheidung zu treffen, ob es sich um einen innergemeinschaftlichen oder einen Straßenverkehr von bzw nach Drittländern handelt. Ein diesbezüglicher Hinweis im Spruch eines verurteilenden Straferkenntnisses ist daher als notwendiges Tatbestandsmerkmal erforderlich (vgl VwGH 20.02.2001, 2000/11/0294), um eine ausreichende tatsächliche Individualisierung der Tat zu erreichen und damit dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG zu entsprechen (vgl VwGH 23.10.2001, 2000/11/0273).
Ein Fehlverhalten des Arbeitgebers bzw dessen Bevollmächtigten ist daher jeweils danach zu beurteilen, welche Fahrtstrecke der Lenker gewählt hat, welches Fahrzeug verwendet wurde und welcher Art der ?Straßenverkehr? war.
Im vorliegenden Fall wurde dem Berufungswerber in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 26.02.2002 und im angefochtenen Straferkenntnis nur vorgehalten, dass er es als verantwortlicher Beauftragter der Arbeitgeberin ?N. Transport Logistik GmbH? zu verantworten habe, dass der Arbeitnehmer Herr B. A. F. als Lenker des Lkws mit den Kennzeichen KB-XY und KB-XY in der Zeit vom 19.08.2001, 16.15 Uhr bis 20.08. 2001, 03.35 Uhr mit einer Lenkzeit von 11 Stunden und 14 Minuten beschäftigt worden sei und er vom 19.08.2001, 16.15 Uhr bis 20.08.2001, 03.35 Uhr keine Lenkpause von mindestens 45 Minuten eingelegt habe. Dadurch habe er zu Faktum 1.) eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs 1a Z 4 AZG iVm Art 6 Abs 1 Unterabsatz 1 EG-VO 3820/85 und zu Faktum 2.) eine Übertretung nach § 28 Abs 1a Z 6 AZG iVm Art 7 Abs 1 und 2 EG-VO 3820/85 begangen.
Nicht vorgehalten wurde ihm dagegen, dass der - bei der vom Berufungswerber zu vertretenden ?N. Transport L. GmbH? beschäftigte - Lenker ?im Rahmen der Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr mit einem Fahrzeug mit einem Gesamtgewicht über 3,5 Tonnen? während der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses genannten Zeiten die gesetzlich zulässige Lenkdauer überschritten und die Lenkpause nicht eingehalten habe.
Nach § 31 Abs 1 VStG ist aber die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Nach 28 Abs 4 AZG beträgt die Verjährungsfrist in Fällen wie dem vorliegenden - abweichend von § 31 Abs 2 VStG - ein Jahr ab dem Zeitpunkt, ab dem die strafbare Handlung abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.
Nach § 32 Abs 2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigter gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung, etc), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat. Um den Eintritt der Verfolgungsverjährung auszuschließen, muss die Verfolgungshandlung wegen eines bestimmten Sachverhaltes erfolgen und sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente beziehen. Nur dann unterbricht eine Verfolgungshandlung die Verjährung.
Da dem Berufungswerber im vorliegenden Fall innerhalb der einjährigen Verjährungsfrist niemals vorgeworfen wurde, dass er es zu verantworten habe, dass der genannte Lenker ?im Rahmen der Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr mit Fahrzeugen mit einem Gesamtgewicht über 3,5 Tonnen? tätig gewesen sei und dabei sowohl die Lenkdauer überschritten als auch die Lenkpause nicht eingehalten habe, ist eine Verbesserung des Spruches infolge eingetretener Verfolgungsverjährung nicht möglich ist und war daher spruchgemäß zu entscheiden.