Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Monica Voppichler-Thöni über die Berufung des Herrn Dr. W. P., Rechtsanwalt, 6020 Innsbruck, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 17.09.2002 Zahl S-7303/02, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm §§ 24, 51, 51c und 51e VStG wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 20 Prozent der verhängten Strafe, das sind im gegenständlichen Fall Euro 10,00 zu bezahlen.
Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 20.02.2002 um 22.49 Uhr auf der A 12, von Wörgl kommend, in Richtung Innsbruck fahrend, den PKW I-xxx gelenkt und dabei in Kundl, auf Höhe von Km 22,5 bis 24,5, die elektronische Ausleiteinrichtung für Kontrollen von Omnibussen, Lastkraftwagen, PKW sowie Motorrädern, die zur Kontrolle aktiviert gewesen sei, missachtet und sei auf der A 12 weitergefahren.
Dadurch habe der Berufungswerber eine Verwaltungsübertretung nach § 38 Abs 10 StVO begangen, weshalb über Ihn eine Geldstrafe in Höhe von Euro 50,00, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 1 Tag, verhängt wurde.
Gegen das Straferkenntnis wurde fristgerecht Berufung erhoben, und im Wesentlichen vorgebracht, dass es bemerkenswert sei, über welche Detailkenntnisse der anzeigende Beamte auch noch sechs Monate nach dem Vorfallstag habe, weshalb ausdrücklich Bedenken gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben des Anzeigers angemeldet würden. Weiters gehe aus der Verordnung hervor, dass der Überholfahrstreifen der Richtungsfahrbahn Arlberg von km 23,475 bis km 24,008 im Falle von Kontrollen gesperrt sei und deshalb alle Fahrzeuge ab km 23,000 ehestmöglich den Überholfahrstreifen zu verlassen hätten und auf dem ersten Fahrstreifen fahren müssten. Von km 23,675 bis km 24,008 sei auch der erste Fahrstreifen für alle Fahrzeuge gesperrt; ab km 23,675 hätten alle Fahrzeuge ehestmöglich auch den ersten Fahrstreifen zu verlassen und sich zum Einfahren in den Parkplatz einzuordnen. Die eigentümliche Bedeutung des Wortes ?Sperren? bestehe darin, dass das Passieren eines Weges, einer Durchfahrt oder eines Zuganges derart behindert werde, dass selbiges nur unter (gewaltsamer) Beseitigung oder Umgehung des Hindernisses erfolgen könne. Demzufolge erfordere dies eine Aufstellung von Barrieren auf der Autobahn, sodass diese sichtbar blockiert sei, wobei eine richtungsgleichbleibende Weiterfahrt nur unter Beseitigung oder Umfahrung dieser Hindernisse möglich sein dürfe. Dies sei jedoch am Vorfallstag nicht der Fall gewesen, wohl aber an den folgenden Tagen. Daher sei die Situation, die der Berufungswerber vorgefunden habe, derart missverständlich und zu unbestimmt gewesen, sodass diese ihm gegenüber rechtlich verbindliche Wirkungen nicht entfalten habe können. Schließlich sei es interessant, dass überhaupt ein Radar aufgestellt worden sei, da dadurch ganz klar dokumentiert werde, dass förmlich damit gerechnet worden sei, dass mehrere Fahrzeuglenker ihre Fahrt auf der eben nicht gesperrten Autobahn fortsetzen würden, ohne auf den Parkplatz auszufahren. Dies werde insbesondere dadurch verdeutlicht, als der Meldungsleger anlässlich sei
ner Anzeige von ?sogenannten Vorbeifahrern? gesprochen habe, was unmissverständlich darauf hindeute, dass eine erhebliche Anzahl von Fahrzeuglenkern eine derartige Beschilderung missverstehen würden und eine vermeintliche Verwaltungsübertretung begingen, da sich andernfalls kein diesbezüglicher ?Fachbegriff? herausgebildet hätte. Es könne generell nicht Sinn einer Kontrolle sein, dass es Fahrzeuglenkern derart leicht ermöglicht werde, eine solche Kontrolle zu umgehen. Wäre ein ernsthaftes Interesse an einer wirksamen Kontrolle vorgelegen, hätte die Ausleitung unter Aufstellung von Barrieren erfolgen müssen. In der tatsächlich praktizierten Form habe der Berufungswerber nicht sicher sein können, ob er ausfahren müsse oder geradeaus weiterfahren dürfe. Vor diesem Hintergrund könne dem Berufungswerber kein vorwerfbares Fehlverhalten zur Last gelegt werden, weshalb die Bestrafung gesetzwidrig erfolgt sei. Zusammengefasst könne eine derartige Ausleiteinrichtung nur dann rechtlich verbindliche Wirkungen entfalten, wenn die Kundmachung ordnungsgemäß erfolgt sei. Die vorliegende Kundmachung der Verordnung sei jedoch mehrdeutig und widerspreche daher dem verfassungsrechtlich verankerten Bestimmtheitsgrundsatz, weshalb sie die Verordnung keine rechtsverbindlichen Wirkungen erzeugen habe können.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt.
Aufgrund der vorliegenden Beweisergebnisse steht der von der Erstbehörde angenommene und dem angefochtenen Straferkenntnis zugrunde liegender Sachverhalt als erwiesen fest. Insbesondere steht fest, dass der Berufungswerber am 20.02.2002 um 22.49 Uhr auf der A12 in Richtung Innsbruck fahrend in Kundl in Höhe 22,5 bis 24,5 die elektronische Ausleitrichtung für Kontrollen von Omnibussen, Lastkraftwagen, PKW sowie Motorräder, die zur Kontrollstelle aktiviert war, missachtet hat.
Die Lichtzeichen auf der Richtungsfahrbahn Arlberg waren dabei derart aufgestellt, dass bei Kontrollen von Omnibussen, Lastkraftfahrzeugen und Personenkraftwagen sowie Motorrädern bei km 22,5258 die Geschwindigkeit auf 100 km/h beschränkt wurde. Bei km 23,000 wurde die Geschwindigkeit auf 80 km/h und bei km 23,475 auf 60 km/h beschränkt. Weiters wurde bei km 22,5258 das Überholen für mehrspurige Kraftfahrzeuge verboten sowie ab km 23,475 der Überholfahrstreifen gesperrt. Ab km 23,675 war auch der erste Fahrstreifen gesperrt.
Die getroffenen Feststellungen stützen sich auf die schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben in der Anzeige des Landesgendarmeriekommandos vom 23.03.2002 samt Lichtbild. So ist der Anzeige zu entnehmen, dass der Lenker des PKW I-XY zu dem im Spruch näher bezeichneten Zeitpunkt auf der A12 in Richtung Innsbruck fuhr. Zu diesem Zeitpunkt war in Kundl von km 22,5 bis km 24,5 die ausreichend beleuchtete elektronische Ausleiteinrichtung für Kontrollen von Omnibussen, Lastkraftwagen, PKW sowie Motorräder zur Kontrollstelle aktiviert. Der Lenker hätte aufgrund der Beschilderung von der A12 bei km 23,6 zur Kontrollstelle ausfahren müssen, dies wurde jedoch missachtet und der Lenker fuhr auf der A12 weiter. Dabei wurde von den sog. ?Vorbeifahrern? auf der Höhe des Parkplatzes, ca. km 24,2 vom Pannenstreifen aus mittels verwendeten Radargerätes bzw. dessen Fototeil ein Foto angefertigt, damit ein Irrtum beim Ablesen des Kennzeichens (mit Datum und Uhrzeiteinblendung) während der Nachtzeit ausgeschlossen ist. Die elektronische Ausleiteinrichtung besteht aus insgesamt vier auffallend beleuchteten Überkopfwegweisern. Es war jene für die Gesamtausleitung (für Kontrollen von Omnibussen, Lastkraftfahrzeugen und Personenkraftwagen, sowie Motorrädern) aktiviert.
Ingesamt gab es für die Berufungsbehörde keinen Grund dafür, an die Angaben der Meldungsleger zu zweifeln. Hierbei war zu berücksichtigen, dass es für den Meldungsleger als ein unter Diensteid stehendes Organ es keinen Grund gibt, eine ihm unbekannte Person wahrheitswidrig zu belasten. Vielmehr ist ein unter Diensteid stehender Meldungsleger verpflichtet, wahrheitsgetreu und emotionslos den tatsächlich vorliegenden Sachverhalt wiederzugeben, ansonsten er mit strafrechtlichen und auch disziplinarrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hat. Auch muss einem tätigen Beamten aufgrund seiner besonderen Schulung zugemutet werden, objektiv einen verwaltungsstrafrechtlich relevanten Sachverhalt feststellen zu können. Im Übrigen würde es geradezu widersinnig erscheinen, dass die Meldungsleger eine Anzeige erstatten würden, wenn nicht tatsächlich die gegenständliche Verwaltungsübertretung vom Berufungswerber begangen worden wäre.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Berufungswerber den objektiven Tatbestand der Verwaltungsübertretung in keiner Weise bestreitet.
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat wie folgt erwogen:
Gemäß § 38 Abs 10 StVO sind für die Fahrstreifensignalisierung Lichtzeichen mit roten gekreuzten Schrägbalken, grün nach unten zeigendem Pfeil und gelb blinkendem halb links oder halb rechts nach unten zeigendem Pfeil auf nicht leuchtendem Hintergrund zu verwenden. Solche Zeichen sind für jeden Fahrstreifen oberhalb des Fahrstreifens anzubringen. Bei Lichtzeichen dieser Art bedeuten rote gekreuzte Schrägbalken, dass der betreffende Fahrstreifen gesperrt ist, der grün nach unten zeigende Pfeil, dass der Verkehr auf dem betreffenden Fahrstreifen gestattet ist und der gelb blinkende halb links oder halb rechts nach unten zeigende Pfeil, dass Fahrzeuglenker den betreffenden Fahrstreifen ehestmöglich in der angezeigten Richtung verlassen müssen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Entscheidung vom 18.05.2001, Zahl 97/02/0298 bereits ausgesprochen, dass die Wendung im dritten Satz des § 38 Abs 10 StVO, wonach rote gekreuzte Schrägbalken bedeuten, dass der betreffende Fahrstreifen gesperrt ist, schon für sich allein in dem Sinne klar ist, dass eben ein ?gesperrter? Fahrstreifen nicht befahren werden darf, dies wird durch den anschließenden Teil dieses Satzes, dass der Verkehr bei grün nach unten zeigendem Pfeil auf dem betreffenden Fahrstreifen gestattet ist, noch erhärtet.
Aus dieser Entscheidung geht daher eindeutig hervor, dass - entgegen der Ansicht des Berufungswerbers - weitere Absperrmaßnahmen für die Sperre eines Fahrstreifens nicht erforderlich sind. Vielmehr wird die Sperre des betreffenden Fahrstreifens entsprechend der StVO ausschließlich durch die Lichtzeichen über dem betreffenden Fahrstreifen angezeigt.
Insofern hat der Berufungswerber die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht zu verantworten.
Was die subjektive Tatseite betrifft, ist auszuführen, dass gemäß § 5 Abs 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass in an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Es tritt somit insofern eine Verlagerung der Behauptungslast ein, als die Behörde lediglich die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes zu beweisen hat, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Da die Erstbehörde zu Recht von der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung ausgegangen ist, wäre es Sache des Berufungswerbers gewesen, glaubhaft zu machen, dass ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich war. Dabei hätte er initiativ alles darzutun gehabt, was für seine Entlastung spricht, insbesondere dass er solche Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vg ua das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2.4.1990, GZ. 90/19/0078). Ansonsten wäre er selbst dann strafbar, wenn der Verstoß ohne sein Wissen und ohne seinen Willen begangen wurde (vgl ua das Erkenntnis des VwGH vom 19.9.1989, GZ. 89/08/0221).
Angewendet auf den gegenständlichen Fall ist es dem Berufungswerber nicht gelungen, mangelndes Verschulden aufzuzeigen und gar unter Beweis zu stellen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die Sorgfaltspflicht wiederholt ausgesprochen, dass eine Unkenntnis oder irrige Auslegung von Bestimmungen der StVO 1960 (hier die gesetzmäßige Kennzeichnung von gesperrten Fahrstreifen im Sinne des § 38 Abs 10 StVO 1960) bei Kraftfahrzeuglenkern nicht als unverschuldet angesehen werden kann. Insofern wäre es für den Berufungswerber als rechtskundiger Fahrzeuglenker (Rechtsanwalt) möglich gewesen, bei gehöriger Aufmerksamkeit die Fahrstreifensignalisierung und Ausleiteinrichtung wahrzunehmen und sich dementsprechend ordnungsgemäß zu verhalten.
Aber auch wenn er Berufungswerber die Ausleiteinrichtung tatsächlich nicht wahrgenommen hätte, wäre dies nicht geeignet gewesen, ihn entschuldigen, zumal er seine volle Aufmerksamkeit den Geschehnissen im Straßenverkehr zuwenden muss. Im Übrigen würde dies nur den Schluss zulassen, dass er gerade nicht mit der notwendigen Aufmerksamkeit gefahren ist, zumal die Ausleiteinrichtung für andere Fahrzeuglenker sehr wohl erkennbar war.
Die Berufungsbehörde kommt somit zu dem Ergebnis, dass der Berufungswerber die gegenständliche Verwaltungsübertretung sowohl in subjektiver als auch objektiver Hinsicht zu verantworten hat.
Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Mildernd konnte aufgrund der zahlreichen Vorstrafen wegen Übertretung der StVO und des KFG nichts gewertet werden. Erschwerend war ebenfalls nichts zu werten.
Unter Bedachtnahme auf die Strafzumessungskriterien und unter Berücksichtigung des im gegenständlichen Fall zur Anwendung kommenden Strafrahmens in Höhe von Euro 726,00 nach § 99 Abs 3 lit a StVO, erweist sich die erstinstanzliche Bemessung der Geldstrafe in Höhe von Euro 50,00 (ca. 7 Prozent) auch unter Zugrundelegung allfälliger ungünstiger Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers als keinesfalls unangemessen hoch. Die Erhebung der Einkommens, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers konnte deshalb unterbleiben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.