Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Gerhard Wittmann über die Berufung des Herrn G S, b, B B H, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 4.3.2003, GZ.: 11.1 927/2002, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
Mit Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos W vom 9.12.2002 wurde der Bezirkshauptmannschaft H mitgeteilt, dass Herr G S (im Folgenden Berufungswerber) am 4.12.2002 in der Zeit zwischen 21.00 Uhr und 21.30 Uhr im Gemeindegebiet St. M a L ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigen Zustand gelenkt und dass der Test am geeichten Alkomaten um 00.59 Uhr des 5.12.2002 einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,59 mg/l ergeben habe. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erließ die Bezirkshauptmannschaft H am 11.2.2003 ein Straferkenntnis gegen den Berufungswerber, wobei ihm im Spruch des Straferkenntnisses vorgeworfen wurde, dass er am 4.12.2002 um 21.30 Uhr in der Gemeinde St. M a L, Gemeindestraße, ca. 500 m nach dem Ortsgebiet L in Richtung St. M den PKW mit dem Kennzeichen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs 1 lit a iVm § 5 Abs 1 StVO begangen und verhängte die Erstbehörde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von ? 1.170,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 20 Tage Ersatzarrest).
Nach dem Alkomattest am 5.12.2002 wurde dem Berufungswerber der Führerschein vorläufig abgenommen. Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft H vom 17.12.2002 wurde dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für sechs Monate, gerechnet ab dem Tag der Abnahme des Führerscheines, also bis einschließlich 5.6.2003, entzogen. Gegen diesen Mandatsbescheid erhob der Berufungswerber fristgerecht das Rechtsmittel der Vorstellung, wobei er im Wesentlichen bestritt, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt zu haben und dass er erst zu Hause Alkohol konsumiert habe. Die Bezirkshauptmannschaft H leitete daraufhin das ordentliche Ermittlungsverfahren ein und erhielt auf Anfrage vom Gendarmeriepostenkommando B W die Auskunft, dass der Berufungswerber bis dato nicht negativ in Erscheinung getreten sei und eine Neigung zum Alkohol- oder Suchtgiftkonsum oder ein sonstiges verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten nicht wahrgenommen worden sei. Mit Bescheid vom 4.3.2003 setzte die Bezirkshauptmannschaft H die Entscheidung über die vom Berufungswerber eingebrachte Vorstellung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verwaltungsstrafverfahrens, anhängig beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Steiermark gemäß § 38 AVG aus. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren aufgrund der vom Berufungswerber gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft H vom 11.2.2003 eingebrachten Berufung beim UVS Steiermark anhängig sei und eine Berufungsentscheidung noch nicht getroffen worden sei. Das anhängige Entzugsverfahren der Lenkberechtigung des Berufungswerbers werde daher bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verwaltungsstrafverfahren ausgesetzt, zumal diese eine wesentliche Entscheidungsgrundlage bilde. Rechtliche Beurteilung: § 38 AVG lautet: Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zu Grunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird. Die Frage, ob der Berufungswerber am 4.12.2002 eine Übertretung nach § 5 Abs 1 iVm § 99 Abs 1 lit a StVO begangen hat, ist im Verwaltungsstrafverfahren als Hauptfrage zu entscheiden. Im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung bildet diese Frage eine Vorfrage und zwar, weil eine solche Übertretung gemäß § 7 Abs 3 Z 1 FSG als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs 1 leg. cit. gilt. In seiner Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof häufig hervorgehoben, dass für die Ermessungsübung bei der Aussetzung des Verfahrens regelmäßig der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie eine entscheidende Rolle spielt. Es ist unzweckmäßig, dass die Führerscheinbehörde parallel zur Verwaltungsstrafbehörde ein Ermittlungsverfahren durchführt. Auch Bindungskonflikte und die Wiederaufnahme von Verfahren gemäß § 69 Abs 1 Z 3 AVG können durch die Aussetzung vermieden werden. Der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie könnte dann nicht als vorrangig angesehen werden, wenn die Behörde ohne oder zumindest ohne wesentliche Ermittlungsschritte zur selbstständigen Beurteilung der Vorfrage in der Lage gewesen wäre (vgl. VwGH 14.3.2000, 2000/11/0046; 11.4.2000, 99/11/0349; 30.5.2001, 2001/11/0121). Der Berufungswerber hat sich von Anfang an (sowohl im Verwaltungsstrafverfahren, als auch im Entzugsverfahren) mit einem Nachtrunk verantwortet. Diesen Umstand hat die Bezirkshauptmannschaft H im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren auch geprüft, jedoch nicht für glaubwürdig gewertet und daher den Berufungswerber nach § 5 Abs 1 iVm § 99 Abs 1 lit a StVO bestraft. In der vom Berufungswerber erhobenen Berufung im Verwaltungsstrafverfahren kommen keine neuen Gesichtspunkte hervor, sondern verweist der Berufungswerber im wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen. Dies bedeutet für das gegenständliche Entzugsverfahren, dass sich die Bezirkshauptmannschaft H ohne (wesentliche) Ermittlungsschritte selbst ein Urteil über diese Frage bilden kann. Es ist keinesfalls erforderlich, dass das Verwaltungsstrafverfahren (durch eine Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates) rechtskräftig abgeschlossen sein muss. Es ist nicht ersichtlich, welche verfahrensökonomischen Gründe für einen Aussetzungsbescheid sprechen würden. Vielmehr führt die von der Erstbehörde gewählte Vorgangsweise zu einem sogenannten "kalten Entzug", sind doch seit dem Mandatsbescheid bereits über drei Monate und seit dem Beginn des Entziehungszeitraumes fast vier Monate vergangen. Im Mandatsbescheid wurde die Lenkberechtigung für die Dauer von sechs Monaten entzogen. Das anschließende Ermittlungsverfahren ergab, dass der Berufungswerber Ersttäter ist und bisher weder eine Neigung zum Alkohol- oder Suchtgiftkonsum noch ein sonstiges verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten aufwies. Die Erstbehörde hätte also zu begründen, wieso nicht mit der Mindestdauer des Entzuges von vier Monaten das Auslangen gefunden werden kann. Durch den Aussetzungsbescheid besteht die Gefahr, dass die Entzugsdauer von sechs Monaten bereits abläuft, ohne dass die Behörde auf die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (rechtzeitig) Bedacht genommen hätte. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Bezirkshauptmannschaft H, nachdem sie am 11.2.2003 das Straferkenntnis gegen den Berufungswerber erlassen hat, nicht auch sofort über die Vorstellung gegen den Mandatsbescheid im Entzugsverfahren entschieden hat. Wäre dies passiert, hätte der Berufungswerber allenfalls gegen diesen Bescheid berufen können und hätte der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark in einer verbundenen Verhandlung sowohl über die Berufung im Verwaltungsstrafverfahren, als auch im Führerscheinentzugsverfahren entscheiden können. Damit wäre auch den Rechtschutzinteressen des Berufungswerbers Rechnung getragen worden. Anders wäre der Fall gelegen, wenn es noch keine (erstinstanzliche) Entscheidung im Verwaltungsstrafverfahren gegeben hätte. In diesem Fall wäre die Erstbehörde jedenfalls berechtigt gewesen, das Verfahren auszusetzen. Die Erstbehörde hat somit zu Unrecht das Verfahren ausgesetzt.