Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Josef Hauser über die Berufung des Herrn A. M., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Günther Z., 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 25.03.2003, Zl B-1/4822/03, betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung, nach durchgeführter mündlicher Berufungsverhandlung wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 35 Abs 1 Führerscheingesetz wird der Berufung (betreffend Entzug der Lenkberechtigung und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung) insoferne Folge gegeben, als in Anwendung der Bestimmung des § 26 Abs 1 FSG die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung von drei Monaten auf einen Monat herabgesetzt wird und die Anordnung einer Nachschulung zu entfallen hat.
Mit dem oben angeführten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 25.03.2003 wurde der Vorstellung gegen den von der Erstbehörde erlassenen Mandatsbescheid vom 20.02.2003 keine Folge gegeben. Mit Mandatsbescheid vom 20.02.2003 entzog die Erstbehörde dem Berufungswerber seine Lenkberechtigung für die Klassen A und B auf die Dauer von drei Monaten. Gleichzeitig wurde als begleitende Maßnahme eine Nachschulung angeordnet.
Der nunmehr angefochtene Bescheid wurde von der Erstbehörde damit begründet, dass dem Berufungswerber eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs 1a iVm § 5 Abs 1 StVO in der Form des Versuches (§ 8 Abs 1 VStG) vorgeworfen wurde.
Dagegen hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, der Berufungswerber habe tatsächlich gegen die Bestimmung des § 99 Abs 1b StVO verstoßen, aber niemals den Tatbestand des § 99 Abs 1a StVO verwirklicht, schon gar nicht in der Form des Versuches. Ausgehend von einer gesicherten Trinkverantwortung sei der gerichtlich beeidete Gutachter Dr. Paul U. in seinem Gutachten vom 20.02.2003 zu der Auffassung gekommen, dass beim Berufungswerber für den Zeitpunkt der Anhaltung am 11.02.2003 das Erreichen oder Überschreitung der 1,2 %o-Grenze nicht mit der erforderlichen Sicherheit erweisbar sei. Ausgehend von den Alkomatmesswerten und in Berücksichtigung der zeitlichen Trinkverantwortung habe die aktuelle Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt der Anhaltung bei 1,14 %o gelegen sein können. Die vorliegende Trinkverantwortung stehe mit den Alkomatmesswerten nicht in Widerspruch. Von einer alkoholbedingten absoluten Fahruntüchtigkeit des Berufungswerbers zum Zeitpunkt der Anhaltung sei aber jedenfalls auszugehen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid zu beheben bzw dahingehend abzuändern, dass die Lenkberechtigung lediglich nur auf die Dauer eines Monats, gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines, entzogen wird. Gleichzeitig wurde beantragt, der Berufung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die Berufungsbehörde hat am 03.04.2003 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt. Dabei wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme des Privatgutachter Dr. Paul U. sowie durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt und in den Akt der Berufungsbehörde.
Die Berufungsbehörde ist von nachfolgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt ausgegangen:
Der Berufungswerber lenkte am 11.02.2003 um 22.05 Uhr in Kramsach auf der L47 das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen KU-xxx in einem durch Alkohol beeinträchtigen Zustand. Der mittels Alkomat am 11.02.2003 um 22.27 Uhr durchgeführte Alkotest ergab einen Atemluftalkoholgehalt von 0,70 mg/l Ausatemluft. Der Berufungswerber konsumierte am 11.02.2003 im Wirtshaus ?Zum Sonnblick? in Wörgl in der Zeit zwischen 19.15 Uhr bis knapp vor 22.00 Uhr sechs große Bier. Die Anhaltung des Berufungswerbers erfolgte zwischen 10 Minuten und 20 Minuten nach Trinkende, der Alkotest wurden weitere 22 bzw 24 Minuten später durchgeführt. Die Alkoholresorption war weder zum Zeitpunkt der Anhaltung noch zum Zeitpunkt des Alkotests abgeschlossen. Die aktuelle Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt der Anhaltung konnte noch bei 1,14 %o bzw bei 1,18 %o (bei Zugrundelegung, dass die Anhaltung 20 Minuten nach Trinkende erfolgte) liegen.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daraus Folgendes:
Gemäß § 24 Abs 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen
Gemäß § 26 Abs 1 FSG ist die Lenkberechtigung für die Dauer von einem Monat zu entziehen, wenn beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs 1b StVO 1960 begangen wird, es sich nicht um einen Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse C oder D handelt und zuvor keine andere der in § 7 Abs 3 Z 1 und 2 genannten Übertretungen begangen wurde. Nach der Z 3 dieser Bestimmung hat die Entziehungsdauer mindestens drei Monate zu betragen, wenn der Alkoholgehalt des Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille), oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l, beträgt.
Ausgehend vom vorliegenden Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. Paul U. ist im gegenständlichen Fall nicht mit der erforderlichen Sicherheit erwiesen, dass der Blutalkoholgehalt des Berufungswerbers zum Zeitpunkt der Anhaltung am 11.02.2003 gegen 22.05 Uhr 1,2 %o oder mehr betragen hat. Auch kann im gegenständlichen Fall von einer gesicherten Trinkverantwortung ausgegangen werden, zumal der im erstinstanzlichen Verfahren als Zeuge einvernommene Gastwirt Peter H. die diesbezüglichen Angaben des Berufungswerbers, welche dem vorliegenden Gutachten zugrunde liegen, vollinhaltlich bestätigt hat. Der Gutachter hat im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung sein Gutachten erörtert und den für den Berufungswerber eher günstigen Umrechnungsfaktor mit der noch nicht abgeschlossenen Alkoholresorption gerechtfertigt. Im Zustand der Alkoholresorption, also in der ansteigenden Blutalkoholkonzentrationskurve, laufe nämlich der Atemluftalkoholgehalt dem Blutalkoholgehalt regelhaft voraus, dh es werde eine höhere Beeinträchtigung vorgetäuscht, als tatsächlich gegeben sei. Dies werde durch die Wahl eines niedrigen Umrechnungsfaktors, welcher durch eine große Anzahl von Untersuchungsreihen zur Korrelation zwischen Blutalkohol und Atemluftalkohol ermittelt worden sei, berücksichtigt. Des Weiteren hat der Gutachter ausgeführt, dass diesbezügliche Berechnungen mit Atemluftalkohol in mg nicht möglich seien, zumal Atemalkohol nicht abgebaut, sondern ausgeschieden werde und hier höchstens von einem Abfall des Atemluftalkoholgehaltes in der Zeiteinheit gesprochen werden könne, wobei große Schwankungen vorliegen würden. Auch eine Umrechnung des zuletzt getrunkenen Bieres vom Berufungswerber, unter Berücksichtigung der noch nicht abgeschlossenen Alkoholresorption, sei im mg-Atemluftalkohol nicht möglich. Zuletzt führte der Gutachter auch aus, dass im gegenständlichen Fall eine Anflutung keine Rolle spiele, zumal die Anflutung nur bei den Grenzwerten 0,8 %o oder 0,5 %o zu berücksichtigen sei.
Soweit die Erstbehörde dem Berufungswerber vorwirft, er habe versucht, sein Fahrzeug mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von mehr als 0,6 mg/l zu lenken, kann die Berufungsbehörde die diesbezüglichen Überlegungen nicht nachvollziehen. Wie die Erstbehörde richtig ausführt, ist für die Begehung einer Verwaltungsübertretung in der Form des Versuches Vorsatz, zumindest in der Form des bedingten Vorsatzes, erforderlich. Angewandt auf den gegenständlichen Fall würde dies nun voraussetzen, dass dem Berufungswerber bewusst war, dass er nun sein Fahrzeug in einem alkoholbeeinträchtigen Zustand von 1,2 %o oder mehr bzw 0,6 mg/l oder mehr Alkoholgehalt der Atemluft lenkt. Nach Ansicht der Berufungsbehörde musste sich der Berufungswerber aufgrund der konsumierten alkoholischen Getränke zwar im Klaren sein, dass er sein Fahrzeug alkoholbeeinträchtigt lenkt. Hingegen kann dem Berufungswerber nicht angelastet werden, er habe sein Fahrzeug in alkoholbeeinträchtigem Zustand gelenkt und es ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, dass er das Fahrzeug mit einem bestimmten Grad der Alkoholisierung lenke. Auch ergeben sich bei der Berufungsbehörde insoferne Zweifel, wenn die Erstbehörde einem durchschnittlichen Kraftfahrzeuglenker zumutet, den entsprechenden Alkoholgehalt abzüglich des Stundenabfallwertes zu berechnen. Vielmehr ist es wohl so, dass der durchschnittliche Kraftfahrzeuglenker zwar als Folge von Alkoholkonsum eine Beeinträchtigung verspürt und auch wahrnimmt, jedoch nicht in der Lage ist, den Alkoholgehalt der von ihm konsumierten Getränke abzüglich des Stundenabfallwertes zu berechnen. Die Berufungsbehörde geht daher im gegenständlichen Fall nicht davon aus, dass der Berufungswerber eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs 1a iVm § 5 Abs 1a StVO in der Form des Versuches begangen hat.
Dementsprechend war, aufgrund des vorliegenden Beweisergebnisses, der Berufung insoferne Folge zu geben, als der Berufungswerber lediglich eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs 1b iVm § 5 Abs 1 StVO, nämlich das Lenken eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigen Zustand, zu verantworten hat. Für diesen Fall sieht das Führerscheingesetz die Entziehung der Lenkberechtigung lediglich für die Dauer eines Monates vor, ohne dass gleichzeitig begleitende Maßnahmen zwingend anzuordnen wären.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.