Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Christoph Lehne über die Berufung des Herrn P., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. G., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 27.05.2002, Zl S-4813/02, nach Durchführung öffentlicher mündlicher Verhandlungen am 21.10.2002, am 17.01.2003 und am 03.04.2003 wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm den §§ 24, 51, 51c und 51e VStG wird die Berufung hinsichtlich Punkt 1) (Übertretung nach § 5 Abs 1 StVO 1960) als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von 20 % der verhängten Strafe, das sind Euro 180,--, zu bezahlen.
Hinsichtlich Punkt 2) (Übertretung nach § 4 Abs 1 lit a StVO 1960) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe
1) am 17.02.2002 um 05.45 Uhr in Innsbruck auf Höhe Innrain 38 den dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt;
2) als ursächlich Beteiligter an einem Verkehrsunfall, bei dem drei abgestellte Fahrzeuge und ein Absperrrohr beschädigt wurden, nicht sofort angehalten, sondern die Fahrt bis in die Karwendelstraße fortgesetzt.
Wegen einer Verwaltungsübertretung 1) nach § 5 Abs 1 StVO 1960, 2) nach § 4 Abs 1 lit a StVO 1960 wurden über den Berufungswerber Geldstrafen in der Höhe von 1) Euro 900,--, Ersatzarrest von 18 Tagen, 2) Euro 300,--, Ersatzarrest von sechs Tagen, nach 1) § 99 Abs 1a StVO und 2) § 99 Abs 2a StVO verhängt. Die Verfahrenskosten wurden mit jeweils 10 % der verhängten Strafe bestimmt.
In der Begründung ging die Erstbehörde im Wesentlichen vom Ergebnis der Alkomatmessung aus und wertete das vom Berufungswerber vorgelegte Privatgutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen als unschlüssig.
In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung wurde die Übertretung zu Punkt 1) mit der Verantwortung bestritten, dass sich aus dem gerichtsmedizinischen Gutachten ergebe, dass der Berufungswerber nicht ausschließbar einen Rauschzustand gehabt habe, welcher Tatbestand nicht unter die Bestimmung des § 5 Abs 1 StVO 1960 gestellt werden könne, daher wäre er auch bezüglich der Übertretung nach § 4 Abs 1a StVO 1960 unzurechnungsfähig gewesen. Es wurde eine mündliche Berufungsverhandlung beantragt und die Ladung des gerichtsmedizinischen Sachverständigen.
Beweis wurde aufgenommen durch die Verlesung des erstinstanzlichen Aktes, weiters die Einholung einer Stellungnahme der TILAK zur Frage der Modalitäten und des Zeitpunktes der Blutabnahme, die zu diagnostischen Zwecken beim Berufungswerber bei seiner Aufnahme in die Unfallklinik erfolgte. Weiters wurden die Meldungsleger einvernommen und der gerichtsmedizinische Sachverständige. Außerdem wurde eine Stellungnahme der TILAK eingeholt, ob das beim Berufungswerber in der Unfallklinik abgenommene Blut noch vorhanden wäre ? dies wurde verneint.
Aufgrund des Ermittlungsverfahrens ergeben sich folgende Feststellungen:
Unbestritten lenkte der Berufungswerber, nachdem er in mehreren Lokalen Alkohol konsumiert hatte, das Fahrzeug beim Unfallort Innrain Höhe Nr 38 und beschädigte drei Pkws und ein gebogenes Absperrrohr des Bauhofes West. Ein Anrainer verständigte die Polizei. Die Funkstreifenbesatzung, bestehend aus RI D. und RI W., traf den Berufungswerber an, nachdem die vordere Kennzeichentafel seines Fahrzeuges im Bereich der Unfallstelle vorgefunden werden konnte, und eine von der Unfallstelle zum Abstellort verlaufende Ölspur zum letzten Standort des Fahrzeuges des Berufungswerbers führte. Der Berufungswerber wies deutliche Merkmale einer Alkoholisierung auf und wirkte weinerlich. Die Funkstreife musste ihn beruhigen. Um 06.20 Uhr wurde der Berufungswerber in die Unfallsambulanz gefahren, wo er bezüglich seines Alkoholkonsums und seiner Verletzungen (leichte Gehirnerschütterung, Schleudertraume) behandelt wurde. Der Berufungswerber erklärte sich danach mit der Durchführung des Alkomattestes einverstanden, er machte weder einen Sturz- noch Nachtrunk geltend und verneinte gesundheitliche Gründe, die eine vorschriftsgemäße Durchführung des Testes verhindern würden. Der Alkotest ergab Werte von 0,81 und 0,79 mg/l AAK. Der Alkomat war geeicht.
Im Zuge der Aufnahme in der Unfallsklinik wurde das Blut etwa zwischen 06.20 Uhr und 06.30 Uhr beim Berufungswerber abgenommen. Es wurde allerdings nicht im gerichtsmedizinischen Institut analysiert, sondern im Zentralinstitut für medizinische und chemische Labordiagnostik des Landeskrankenhauses Innsbruck. Zur Anwendung kam dabei eine enzymatische Methode nach dem Kodak-Trockenchemie-Verfahren. Diese Methode ist nicht spezifisch für Genussalkohol, sondern kann deren Ergebnis auch durch andere höherwertige Alkohole beeinträchtigt werden und durch Wirkstoffe einzelner Medikamente. Insbesondere wird die Bestimmung nur ein einziges Mal durchgeführt und unterbleibt eine Wiederholungsbestimmung zur Überprüfung des Erstergebnisses. Laut Aussage des Gerichtsmediziners sind dies die wesentlichen Gründe, weshalb orientierende medizinisch-diagnostische Blutalkoholwerte im Rahmen der Krankenbehandlung von forensischen Gesichtspunkten aus mit gewissen Vorbehalten bewertet werden müssen. Die Genauigkeit der Methode ist aber jedenfalls für diagnostische Zwecke und eventuelle Behandlungszwecke ausreichend, da für weitere Behandlungen ärztliche Konsequenzen diese Genauigkeit jedenfalls ausreichend ist. Der Gerichtsmediziner äußerte auch deswegen Bedenken gegen diese Methode, weil die Art der Desinfektion nicht nachvollziehbar sei.
Er berücksichtigte deshalb einen Fehlerprozentsatz von 20 % zugunsten des Berufungswerbers und errechnete für den Unfallszeitpunkt eine Alkoholisierung von 3,0 %o. Im Rahmen der Einvernahme vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat führte der gerichtsmedizinische Sachverständige ergänzend folgendes aus:
?Problematisch ist beim Alkomat die Bewertung. Relevant wäre die Alkoholkonzentration im Hirn. Dafür wäre eine Durchsuchung des Hirnwassers ideal, was aber bei Lebenden sicher nicht geschieht. Das zweitbeste Beweismittel ist die Analyse des Blutalkoholwertes. Es gibt keinen fixen Schlüssel zwischen Atemluftalkoholgehalt und Blutalkoholgehalt. Die Abhängigkeit zwischen Blut- und Atemalkohol ist nicht konstant. Es gibt statistische Mittelwerte. Wenn ich nicht weiß in welchem Stadium des Alkoholstoffwechsels sich der Proband zum Zeitpunkt der Durchführung des Atemalkoholtestes befindet. Von dem abhängig ist zu bewerten, inwiefern der Atemalkoholgehalt dem Blutalkoholwert entspricht. Bei Anwendung des Günstigkeitsprinzips (in Richtung Frage ob Zurechnungsunfähigkeit vorliegt) würde sich die Blutalkoholkonzentration für den Unfallszeitpunkt mit 2,2 Promille ergeben. Mit dieser Blutalkoholkonzentration kann man nicht davon ausgehen, dass Zurechnungsunfähigkeit zum Unfallszeitpunkt vorläge. In diesem Fall ist ja auch noch ein Schädelhirntrauma hinzugetreten, welches nach dem Unfall festgestellt wurde. In der Zusammenschau mit diesem Schädelhirntrauma schaut die Sache anders aus. Zusammen mit dem festgestellten Schädelhirntrauma und dem Alkoholisierungsgrad kann eine Unzurechnungsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden. Diese Unzurechnungsfähigkeit wäre im nahen zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall vorgelegen. Ich erinnere schon an meine eingangs protokollierten Ausführungen zu dem möglichen Wert an Hand des abgenommenen Blutes, der rückgerechnet bis zu 3,0 Promille vorgelegen sein könnte. Hier sind aber zu Gunsten des Berufungswerbers 20 % Fehler bezüglich der Analyse herangezogen worden.?
Für die Berufungsbehörde ist in diesem Fall der Blutalkoholwert nicht gleichwertig mit dem Ergebnis der Alkomatmessung. Es ist für die Berufungsbehörde auch nicht schlüssig, dass einseitig 20 % Fehlerrate zugunsten des Berufungswerbers gerechnet werden, weil genauso gut eine Verfälschung des Messergebnisses zu Ungunsten des Berufungswerbers möglich wäre. Zudem ist der genaue Zeitpunkt der Blutabnahme nicht bekannt und es wurde keine gerichtsmedizinisch anerkannte Methode für die Blutanalyse verwendet. Hingegen ist es absolut sicher, wann der Berufungswerber den Alkomattest durchgeführt hat und liegen mustergültige Ergebnisse vor.
Selbst wenn man nun nicht von einem Unrechnungsschlüssel von 2 : 1 ausgeht, sondern dem Günstigkeitsprinzip folgend eine andere Umrechnung des Alkomatmessergebnisses zum Blutalkoholwert vornimmt, hätte der Berufungswerber maximal 2,2 %o Blutalkoholgehalt zum Unfallszeitpunkt aufgewiesen. Dies allein ergibt noch keine Unzurechnungsfähigkeit. Das Fahren eines Kraftfahrzeuges mit diesem Alkoholisierungsgrad ist als Übertretung nach § 5 Abs 1 StVO anzusehen. Hinsichtlich des Verhaltens nach dem Unfall ist aber ein Zusammenwirkung der Alkoholisierung mit dem Schädelhirntrauma zu berücksichtigen und im Zweifel der Ausschluss der Unzurechnungsfähigkeit bezüglich der Übertretung nach § 4 Abs 1 lit a StVO zu berücksichtigen.
Aus diesen Gründen wird die Übertretung nach § 5 Abs 1 StVO 1960 als erwiesen angesehen, die Übertretung nach § 4 Abs 1 lit a StVO im Zweifel verneint.
Hinsichtlich der Übertretung nach § 5 Abs 1 StVO 1960 ist als Verschuldensgrad grobe Fahrlässigkeit anzunehmen. Wer in mehreren Lokale derartig viel Alkohol zu sich nimmt, muss damit rechnen, dass er sich nicht mehr in einem fahrtüchtigen Zustand befindet. Der Unrechtsgehalt ist schwerwiegend, da der Gesetzgeber gerade derartige gefährliche Fahrten, wie die gegenständliche, verhindern wollte. Als erschwerend ist das Ausmaß der Alkoholisierung anzusehen. Die Einkommensverhältnisse des Berufungswerbers sind ungünstig, dennoch erscheint wegen des gravierenden Unrechtsgehaltes der Tat die von der Erstbehörde verhängte Strafe angemessen. Sie wird daher bestätigt, es erwachsen daher Berufungskosten.