TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/16 2001/09/0111

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Veröffentlicht am 16.10.2001
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
64/03 Landeslehrer;

Norm

BDG 1979 §112 Abs1 impl;
BDG 1979 §112 Abs3 impl;
BDG 1979 §118 Abs1 impl;
LDG 1984 §69;
LDG 1984 §80 Abs1;
LDG 1984 §80 Abs3;
LDG 1984 §87 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der T in A, vertreten durch Mag. Peter Riedel, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Alter Platz 24, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 26. März 2001, Zl. --6-SchA-65703/16-2001, betreffend vorläufige Suspendierung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Volksschuldirektorin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Kärnten und versah zuletzt ihren Dienst als Leiterin der Volksschule N.

Der angefochtene Bescheid der Kärntner Landesregierung (belangte Behörde) vom 26. März 2001 lautet wie folgt:

"Die Dienstbehörde hat aus einem Beschwerdeschreiben von betroffenen Eltern von Schülern der ersten Klasse der Volksschule N das Schuljahres 1999/2000, welches mit 23.7.2000 datiert war, erstmals von massiven Vorwürfen gegen Ihre Person Kenntnis erlangt.

Die vorgebrachte Kritik bestand im Wesentlichen darin, dass Ihre pädagogischen Fähigkeiten angezweifelt wurden, dass Ihrem Unterrichtsablauf weder didaktische Konzepte noch methodische Überlegungen zu Grunde liegen, dass Sie leistungsschwache Schüler überfordern sollen und eine mangelnde Konfliktlösungskompetenz - insbesondere im Umgang mit Eltern - aufweisen.

Die Kritik an Ihrer Person verstummte auch zu Beginn des Schuljahres 2000/2001 nicht. Der Unmut und der Widerstand der Eltern ging sogar so weit, dass angedroht wurde, die Kinder aus der Volksschule N zu nehmen und in einer anderen Schule beschulen zu lassen. Auch etliche Aussprachen zwischen der Schulleitung, den Erziehungsberechtigten, der Schulaufsicht sowie dem Schulerhalter führten zu keiner Verbesserung der Situation.

Ganz im Gegenteil wurde der Bruch in der Schulpartnerschaft noch zusätzlich verstärkt, indem Sie die vorhandenen Konflikte zum Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung gegen das Schulaufsichtsorgan sowie die Beschwerdeführer gemacht haben.

Durch das klagsweise Vorgehen gegen Ihre Kritiker haben Sie auch als Schulleiterin Ihre Verpflichtung zur Pflege der Verbindung zwischen der Schule, den Schülern und den Erziehungsberechtigten, wie dies im Schulunterrichtsgesetz zum Ausdruck kommt, verletzt.

Auf Grund der massiven Vorwürfe und Beschwerden, sowie um eine Eskalation der Situation nach Rückkehr aus Ihrem Krankenstand an die Volksschule N zu vermeiden, werden Sie gemäß § 80 Abs. 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 302/1984 i.d.g.F. mit sofortiger Wirkung vorläufig vom Dienst suspendiert, da Ihre Weiterbelassung im Dienst wegen des Ihnen zur Last gelegten Verhaltens das Ansehen der Schule sowie wesentliche Interessen des Dienstes gefährden würde.

Gemäß § 80 Abs. 2 leg. cit. ist gegen die vorläufige Suspendierung kein Rechtsmittel zulässig.

Diese Entscheidung wird unverzüglich gemäß § 80 Abs. 3 leg. cit. der Disziplinarkommission für Landeslehrer, als der für das Disziplinarverfahren zuständigen Behörde, mitgeteilt, die über die weitere Suspendierung zu entscheiden hat."

Festzuhalten ist, dass eine Entscheidung über die Suspendierung durch die Disziplinarkommission, der der angefochtene Bescheid gemäß § 80 Abs. 3 LDG 1984 mitzuteilen war, dem Verwaltungsgerichtshof nicht bekannt geworden ist. Daher ist über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in der Sache zu entscheiden.

In der gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass die darin angeführten angeblichen Dienstpflichtverletzungen - soweit sie überhaupt vorlägen - ihrer Art nach keinesfalls geeignet seien, das Ansehen der Schule oder wesentliche Interessen des Dienstes zu gefährden. Die Beschwerdeführerin habe zu einem an die belangte Behörde als Dienstbehörde gerichteten, anonym verfassten Schreiben von "besorgten Eltern von acht Schülern" der Volksschule N vom 22. Juli 2000 (richtig: vom 23. Juli 2000) über Aufforderung der belangten Behörde, zu den darin angeführten Kritikpunkten und zu jedem einzelnen Vorhalt eine umfassende Stellungnahme vom 28. August 2000 abgegeben. Da seit dem anonymen Schreiben der acht Eltern vom Juli 2000 bis zum Ausspruch über die vorläufige Suspendierung am 26. März 2001 keine weiteren Vorwürfe gegen die Beschwerdeführerin erhoben worden seien, und die Dienstbehörde während dieses Zeitraumes von mehr als acht Monaten keinen Anlass gesehen habe, irgendwelche dienstlichen Maßnahmen gegen die Beschwerdeführerin zu setzen, könne in der vorläufigen Suspendierung laut Schreiben vom 26. März 2001 keine Sicherungsmaßnahme mehr erblickt werden, wie sie vom Gesetz bezweckt werde. In Anbetracht des langen Zeitraumes sei auch der Eintritt der Verjährung zu beachten.

Seit ihrer Stellungnahme vom 28. August 2000, mit der die Beschwerdeführerin versucht habe, die Dinge klarzustellen, habe ihr die belangte Behörde keine Gelegenheit gegeben, im Rahmen des Parteiengehörs Stellung zu den im angefochtenen Bescheid zusätzlich angeführten Verfehlungen zu beziehen. Die belangte Behörde habe auch ihre Ausführungen in ihrem Schreiben vom 28. August 2000 nicht einmal ansatzweise gewürdigt bzw. in der Begründung des angefochtenen Bescheides berücksichtigt. Zu den im angefochtenen Bescheid zur Last gelegten, über die Vorwürfe der "8 besorgten Eltern" hinausgehenden Dienstpflichtverletzungen sei sie weder befragt worden, noch sei der angefochtene Bescheid diesbezüglich hinreichend begründet. Auch sei eine positive Stellungnahme der Kolleginnen der Beschwerdeführerin an der Volksschule N, wie sie in deren Schreiben vom 18. September 2000 zum Ausdruck gebracht werde, von der belangten Behörde vollständig übergangen worden. Vor Ausspruch einer vorläufigen Suspendierung - insbesondere nach Ablauf einer so langen Zeit, seitdem erstmals Anschuldigungen im Juli 2000 gegen die Beschwerdeführerin erhoben worden seien - wäre die belangte Behörde auch verpflichtet gewesen, eine bestehende Konfliktsituation, wie sie im heutigen Schulalltag immer häufiger vorkomme, durch ein gemeinsames Gespräch mit allen Betroffenen und beteiligten Personen zu regulieren. Stattdessen habe die belangte Behörde unmittelbar nachdem die Beschwerdeführerin sie davon in Kenntnis gesetzt habe, dass sie nach ihrer Genesung mit Montag, dem 26. März 2001, wieder ihren Dienst an der Volksschule N antreten würde, ihre vorläufige Suspendierung ausgesprochen, und zwar zunächst fernmündlich um

7.30 Uhr, nachdem sie von der provisorischen Leiterin der Volksschule vom Eintreffen der Beschwerdeführerin an ihrem Arbeitsplatz informiert worden sei.

Das anonyme Schreiben der acht Eltern vom Juli 2000 sei nur von einem Teil der Eltern der ersten Klasse der Volksschule N des Schuljahres 1999/2000 verfasst bzw. (in der Folge) unterfertigt worden. Zwei Elternpaare hätten trotz massivsten Drängens der "Rädelsführerin" der anderen Eltern keine Unterschrift abgegeben, zwei weitere Familien hätte gegenüber der Beschwerdeführerin erklärt, dass sie den Inhalt des Schreibens gar nicht kennten.

Erst am 23. August 2000 sei ihnen von zwei Personen die letzte Seite des Schreibens mit dem Hinweis vorgelegt worden, dass ihre Unterschrift "einem guten Zweck" dienen würde. Zwei jener acht Eltern, die das Schreiben schließlich unterschrieben hätten, seien der deutschen Sprache kaum mächtig und hätten daher gar nicht begriffen, welche Erklärungen sie mit ihrer Unterschrift abgegeben hätten. Eine Mutter, die ursprünglich das Schreiben vom 8. September 2000 mitunterfertigt hätte, habe ihre Erklärung freiwillig und mit dem größten Bedauern zurückgezogen.

Die aus dem angefochtenen Bescheid ableitbaren Dienstpflichtverletzungen lägen nicht vor. Die Beschwerdeführerin habe ihren Beruf als Pflichtschullehrerin seit mehr als 30 Jahren vollkommen unbeanstandet und tadellos erfüllt. Ihre berufliche und persönliche Integrität sei auch ausschlaggebend dafür gewesen, dass sie im Jahr 1997 zur Leiterin der Volksschule N ernannt worden sei.

Die Ausführung im angefochtenen Bescheid, dass es "etliche Aussprachen zwischen der Schulleitung, den Erziehungsberechtigten, der Schulaufsicht sowie dem Schulerhalter" gegeben hätte, sei unrichtig. Aufzeichnungen für solche Aussprachen, an denen nach Ansicht der Behörde auch die Beschwerdeführerin teilgenommen hätte, seien weder aktenkundig noch existierten sie, weil es tatsächlich zu einer solchen Gesamtaussprache niemals gekommen sei.

Auch der Vorwurf der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin zur Verbesserung der Situation keinen Beitrag geleistet habe bzw. den Bruch in der Schulpartnerschaft verstärkt habe, entbehre jeglicher Grundlage. Es sei unrichtig, dass die Beschwerdeführerin vorhandene Konflikte zum Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung gegen das Schulaufsichtsorgan sowie die Beschwerdeführer gemacht habe. Die Beschwerdeführerin habe gegen den Landesschulinspektor Hofrat P nicht wegen der vorhandenen Konflikte eine Privatanklage eingebracht, sondern wegen seiner öffentlich kundgetanen unrichtigen Tatsachenbehauptung, dass die Beschwerdeführerin "eine Lügnerin" sei und "ständig nur auf meinen eigenen Vorteil bedacht" sei. Bei dieser Behauptung handle es sich ausschließlich um eine persönliche Unterstellung, die weder mit irgendeinem Amtsgeheimnis im Zusammenhang stehe, noch mit der Funktion der Beschwerdeführerin als Schulleiterin oder ihrer Eigenschaft als Landesbeamtin. Die Beschwerdeführerin habe auch keine gerichtlichen Schritte gegen die beschwerdeführenden Eltern eingeleitet, auch diesbezüglich sei der angefochtene Bescheid unrichtig. Unabhängig davon wäre sie aber selbstverständlich zur Einbringung von Klagen gemäß § 1330 ABGB gegen die betreffenden Eltern berechtigt.

Während ihrer Amtszeit habe die Beschwerdeführerin im Einvernehmen mit der Gemeinde, den Schülern und Eltern zahlreiche Aktivitäten an der Volksschule N gesetzt, die weit mehr an Zusammenarbeit gewährleisteten als dies ihrer Verpflichtung, wie sie in diversen einschlägigen Gesetzen zum Ausdruck gebracht würden, entsprechen würde. Hätte sich die Behörde auch diesbezüglich die Mühe gemacht nachzufragen, so wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beschwerdeführerin zahlreiche unterrichtsübergreifende Projekte (60 Jahr-Feier der Volksschule N, Gesunde-Jause-Aktion, Schulfeste, Zeichenwettbewerb im Zusammenarbeit mit der ABN) initiiert und nebenbei auch erheblich zur Verschönerung und Verbesserung der Ausstattung des Schulgebäudes und der Klassenzimmer beigetragen habe (Einrichtung einer Integrationsklasse, Heizungsumbau, Einbau neuer Fenster, Umbau zur Gewinnung des bisher fehlenden Lehrmittelzimmers u.ä.). Es könne nicht sein, dass wenigen Eltern im überaus komplexen Schulsystem mit seinen vielschichtigen und unterschiedlichen Interessen die Macht eingeräumt werde, eine Lehrerin, die ihnen persönlich oder politisch nicht zu Gesichte stehe, die aber über 30 Jahre lang unbeanstandet ihre Lehrverpflichtung erfüllt habe, von ihrem Arbeitsplatz "wegzumobben".

Während des Zeitraumes von mehr als acht Monaten bis zum Ausspruch über die vorläufige Suspendierung habe die belangte Behörde als Dienstbehörde nicht die geringste Bereitschaft gezeigt, Vorerhebungen bzw. ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren zur Klärung der gegen die Beschwerdeführerin erhobenen Vorwürfe durchzuführen. Während dieser Zeit habe die belangte Behörde nur insoweit Aktivitäten gezeigt, als die Beschwerdeführerin nach ihren Vorstellungen möglichst stillschweigend ihren Dienst quittieren und in den - allenfalls krankheitsbedingten - vorzeitigen Ruhestand treten solle.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und führte in einer Gegenschrift im Wesentlichen aus, dass sich die Beschwerdeführerin vom 11. September 2000 bis zum 21. Dezember 2000 sowie vom 8. Jänner 2001 bis zum 9. Februar 2001 und vom 19. Februar 2001 bis zum 25. März 2001 im Krankenstand befunden habe. In dieser Zeit hätten keine weiteren Vorwürfe gegen die Beschwerdeführerin erhoben werden können, zumal sie keinen Unterricht erteilt habe. Zudem seien mit dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin Gespräche dahingehend geführt worden, ob eine krankheitsbedingte vorzeitige Ruhestandsversetzung für die Beschwerdeführerin in Frage komme. Erst nachdem diese Verhandlungen gescheitert seien und die Beschwerdeführerin mit 26. März 2001 wieder ihren Dienst aufnehmen habe wollen, habe die Dienstbehörde die beschwerdegegenständliche vorläufige Suspendierung ausgesprochen, um eine weitere Eskalation an der Volksschule N zu vermeiden. Durch diese Vorgangsweise der belangten Behörde sei der Grundsatz, dass die Suspendierung ihrem Wesen nach eine sichernde Maßnahme darstelle, nicht verletzt worden, zumal für die belangte Behörde Gefahr im Verzug gewesen sei. Auf Grund der annähernd durchgehenden Krankenstandsdauer der Beschwerdeführerin im Wintersemester 2000/2001 sei eine gemeinsame Gesprächsführung nicht möglich gewesen. Die an der Beschwerdeführerin vorgebrachte Kritik bestehe darin, dass sie enormen schulischen Druck auf Schulkinder mit schlechten Noten ausgeübt habe, was zu Angstzuständen bei diesen geführt haben soll. Auch von Tätlichkeiten (Ohrfeigen) gegenüber Schülern sowie vom Einsperren von Schülern sei in den schriftlichen Beschwerdeeingaben der Eltern die Rede.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes (LDG 1984) lauten wie folgt:

"Allgemeine Dienstpflichten

§ 29. (1) Der Landeslehrer ist verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

(2) Der Landeslehrer hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

(3) Der Landeslehrer hat um seine berufliche Fortbildung bestrebt zu sein.

...

Suspendierung

§ 80. (1) Wird über einen Landeslehrer die Untersuchungshaft verhängt oder würden durch die Belassung eines Landeslehrers im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen der Schule oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, so hat die landesgesetzlich zuständige Behörde die vorläufige Suspendierung zu verfügen.

(2) Gegen die vorläufige Suspendierung ist kein Rechtsmittel zulässig.

(3) Jede vorläufige Suspendierung ist unverzüglich der zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufenen Behörde mitzuteilen, die über die Suspendierung zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit dem Tag dieser Entscheidung. Ist jedoch ein Disziplinarverfahren bereits anhängig, so hat die zur Durchführung dieses Verfahrens berufene Behörde bei Vorliegen der im Abs. 1 genannten Voraussetzungen die Suspendierung zu verfügen.

(4) Jede durch Beschluss der zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufenen Behörde verfügte Suspendierung hat die Kürzung des Monatsbezuges des Landeslehrers - unter Ausschluss der Kinderzulage - auf zwei Drittel für die Dauer der Suspendierung zur Folge. Die zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufene Behörde kann auf Antrag des Landeslehrers oder von Amts wegen die Kürzung vermindern oder aufheben, wenn und soweit dies zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Landeslehrers und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist, unbedingt erforderlich ist.

(5) Die Suspendierung endet spätestens mit dem rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens. Fallen die Umstände, die für die Suspendierung des Landeslehrers maßgebend gewesen sind, vorher weg, so ist die Suspendierung von der Behörde, bei der das Disziplinarverfahren anhängig ist, unverzüglich aufzuheben.

..."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 97/09/0181, und die darin angegebene Judikatur) ist die Suspendierung - und dies gilt wegen der Identität der dafür im Gesetz festgelegten Kriterien auch für die vorläufige Suspendierung - ihrem Wesen nach eine sichernde Maßnahme, die bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zu treffen ist und keine endgültige Lösung darstellt. Es braucht daher nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte (Landeslehrer) die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Diese Aufgabe kommt vielmehr erst den Disziplinarbehörden im Disziplinarverfahren zu. Es genügt demnach, wenn gegen den Beschuldigten ein Verdacht besteht. Dies ist dann der Fall, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der abschließenden Entscheidung über die angemessene Disziplinarstrafe des Beamten (Landeslehrers) eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen. Im Hinblick auf die angesichts der mit einer Suspendierung zu schützenden Rechtsgüter ist vielfach eine rasche Entscheidung darüber notwendig, ob die Voraussetzungen für ihre Verhängung gegeben sind oder nicht und können an die in der Begründung eines die Suspendierung verfügenden Bescheides darzulegenden Tatsachen, die den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung begründen, keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 13. September 1999, Zl. 97/09/0032, und vom 27. Oktober 1999, Zl. 97/09/0204).

Die Suspendierung steht aber - ebenso wie die vorläufige Suspendierung - in engem Zusammenhang mit dem Verdacht gegen den Beamten (Landeslehrer), eine gravierende Dienstpflichtverletzung begangen zu haben. Zwar ist im Suspendierungsverfahren nicht nachzuweisen, dass der Beamte (Landeslehrer) die ihm zur Last gelegte(n) Dienstpflichtverletzung(en) tatsächlich begangen hat, sondern genügt es, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer gewichtigen Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Es hat auch keine (abschließende) Prüfung des Verschuldens oder des Grades des Verschuldens im Suspendierungsverfahren zu erfolgen (vgl. dazu z. B. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1986, Zl. 83/09/0206, sowie vom 12. September 1984, Zl. 84/09/0075). Auf Grund dieser Funktion der Suspendierung und ihres Zusammenhanges mit dem Disziplinarverfahren ist aber etwa eine Suspendierung unzulässig, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Verfügung offenkundig die Voraussetzungen für die Einstellung des Disziplinarverfahrens nach § 87 Abs. 1 LDG 1984 vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1995, Zl. 94/09/0105). Auch reichen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bloße Gerüchte und vage Vermutungen für eine Suspendierung nicht aus. Vielmehr müssen greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung sowohl in Richtung auf die objektive wie auf die subjektive Tatseite gegeben sein, welche die von § 80 Abs. 1 LDG 1984 geforderten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Jänner 1990, Zl. 89/09/0107, und vom 25. April 1990, Zl. 89/09/0163, und vom 10. März 1999, Zl. 97/09/0093).

Die Verfügung der Suspendierung setzt nach dieser Gesetzesstelle den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung voraus, die wegen "ihrer Art" das Ansehen der Schule oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet. Es können daher nur schwer wiegende, auf der Hand liegende Interessen der Schulverwaltung als sachbezogen anerkannt werden und die Suspendierung rechtfertigen. So kann eine Suspendierung zunächst in Betracht kommen, weil das verdächtige Verhalten noch nicht abzugrenzen, aber als schwer wiegend zu vermuten ist. Aber auch bei geringeren Verdachtsgründen kann aus der konkreten Situation das dienstliche Interesse an der Suspendierung begründet sein, z.B. bei denkbarer Verdunkelungsgefahr im Dienst oder schwerer Belastung des Betriebsklimas (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. April 1990, Zl. 89/09/0163, und vom 10. März 1999, Zl. 97/09/0093).

Die Beurteilung, ob ein ausreichend substanziierter Verdacht gegen den Landeslehrer/die Landeslehrerin wegen einer ausreichend schwer wiegenden Dienstpflichtverletzung vorliegt, obliegt jener Behörde, die zur Entscheidung über die Suspendierung zuständig ist. Sie hat nach Bejahung dieser Frage zu prüfen, ob es erforderlich ist, ihn/sie wegen Gefährdung des Ansehens der Schule wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen vorläufig an der Ausübung seines/ihres weiteren Dienstes zu hindern. Der Lehrer, in dessen gesetzlich geschützte Rechte durch eine Suspendierung eingegriffen wird, hat einen Anspruch darauf, die Gründe dafür zu erfahren; denn nur dann kann er seine Rechte sachgemäß verteidigen.

Der angefochtene Bescheid vom 26. März 2001, der sich im Wesentlichen auf die Feststellung beschränkt, gegen die Beschwerdeführerin sei von einigen (nicht näher genannten) Eltern Kritik im Hinblick auf ihre pädagogischen Fähigkeiten und die Gestaltung des Unterrichts sowie die Überforderung von leistungsschwachen Schülern geübt worden, und dass sie eine mangelnde Konfliktlösungskompetenz aufweise, enthält keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte, die für die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer ausreichend schweren und schuldhaft begangenen Dienstpflichtverletzung sprächen, die eine Suspendierung rechtfertigen würde. Den nach dem angefochtenen Bescheid gegen die Beschwerdeführerin von einigen Eltern behaupteten Unzulänglichkeiten fehlt nämlich mangels Aufzeigung eines Schuldelementes für sich allein genommen der Charakter von Dienstpflichtverletzungen, ihnen ist durch Maßnahmen der Dienstaufsicht zu begegnen. Auch ist den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens nicht zu entnehmen, dass es - wie im angefochtenen Bescheid festgestellt - insofern zu einer Aussprache mit der Schulleitung (nämlich der Beschwerdeführerin) überhaupt gekommen wäre.

Der angefochtene Bescheid enthält auch keine Auseinandersetzung mit dem Akteninhalt, insbesondere der ausführlichen Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 28. August 2000 zum anonymen Schreiben von "besorgten Eltern von 8 Schülern" und weiters auch keine Erörterung der Frage, weshalb die Beschwerdeführerin nunmehr, etwa sieben Monate nach Erhebung der gegen sie gerichteten Vorwürfe, nach Beendigung ihres Krankenstandes wegen Gefährdung des Ansehens der Schule wegen der Art der ihr zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen vorläufig an der Ausübung ihres Dienstes gehindert werden muss.

Zwar hat die Beschwerdeführerin nach der Aktenlage unbestritten einzelnen gegen sie beschwerdeführenden Eltern schriftlich für den Fall, dass diese nicht eine Ehrenerklärung zu ihren Gunsten abgäben, mit einer gerichtlichen Klage gedroht. Sie gibt auch selbst an, gegen den Landesschulinspektor Hofrat P wegen dessen öffentlich kundgetaner Äußerung, sie wäre "eine Lügnerin" und "ständig nur auf ihren Vorteil bedacht", eine Privatanklage eingebracht zu haben. Aus diesen Umständen kann jedoch bloß allenfalls abgeleitet werden, dass die Beschwerdeführerin bereit ist, ihre Interessen auch mit rechtlichen Mitteln zu verfolgen, nicht aber, dass es sich hiebei um Dienstpflichtverletzungen handelte, zumal eine öffentlich getätigte Aussage der Amtsverschwiegenheit schon deswegen nicht unterliegt, weil es sich hiebei nicht um ein Amtsgeheimnis handelt.

Nach den Feststellungen der belangten Behörde ist es zwischen Eltern von Kindern der Volksschule N und der Beschwerdeführerin zwar im Sommer des Jahres 2000 zu einer Vertrauenskrise gekommen. Vom Beginn des Schuljahres 2000/2001 befand sich die Beschwerdeführerin bis zum 23. März 2001 im Krankenstand. Dass dieser Vertrauenskrise ausreichend schwer wiegende Dienstpflichtverletzungen der Beschwerdeführerin zu Grunde lägen, die die - nach ihrer Rückkehr aus dem Krankenstand - vorläufige Suspendierung der Beschwerdeführerin auszusprechen, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Oktober 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001090111.X00

Im RIS seit

14.01.2002

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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