TE UVS Tirol 2003/04/17 2003/20/090-1

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Veröffentlicht am 17.04.2003
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alfred Stöbich über die Berufung des Herrn P. P., 6542 Pfunds, vertreten durch die Rechtsanwälte

Dr. Walter L. und Dr. Wilfried L., 6500 Landeck, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 13.3.2003, Zl 3-14894/6, wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 35 Abs 1 FSG wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

Text

Mit Mandatsbescheid vom 12.12.2003 hat die Erstbehörde dem Berufungswerber gemäß § 24 Abs 1 Z 1 und § 25 Führerscheingesetz idF BGBl I Nr 81/2002 unter Anwendung des § 57 Abs 1 AVG die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 7 Abs 1 Z 2 FSG für die Dauer von 12 Monaten (gerechnet ab dem Tag der Bescheidzustellung) entzogen.

 

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der dagegen erhobenen Vorstellung keine Folge gegeben. Weiters wurde dem Berufungswerber das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen für die Dauer des Entzuges der Lenkberechtigung verboten.

Dagegen wendet sich der Berufungswerber in seiner rechtzeitig erhobenen Berufung. Zunächst wird vorgebracht, dass durch die Aufnahme des vorher erwähnten Lenkverbots betreffend Motorfahrräder etc das rechtliche Gehör verletzt worden sei.

 

Weiters wurde auf das im gerichtlichen Strafverfahren ergangene Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck verwiesen und insbesondere darauf, dass die vorerst unbedingte 14-monatige Freiheitsstrafe auf 7 Monate bedingte Freiheitsstrafe reduziert worden sei.

 

Weiters wurde darauf hingewiesen, dass der VwGH in einem näher angeführten Erkenntnis ausgesprochen habe, dass im Falle der Gewährung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs 1 StGB die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen sei und es sich dabei im Einzelfall durchwegs um Umstände handeln könnte, für die die im § 7 Abs 5 FSG genannten Wertkriterien von Bedeutung sein könnten. Das Strafgericht habe die vorerst unbedingte Freiheitsstrafe um die Hälfte verkürzt und die verkürzte Freiheitsstrafe darüber hinaus bedingt nachgesehen und dies hätte die Erstbehörde ebenfalls berücksichtigen müssen.

 

Der Berufungswerber habe sein Fahrzeug nur bei den Straftaten mit J. S. benützt und diese gleichgeschlechtlichen Unzuchten hätten im Jahre 1995 geendet. Zwischenzeitlich seien sohin nahezu 8 Jahre vergangen und könne die Erstbehörde nicht davon ausgehen, dass der Berufungswerber derzeit immer noch verkehrsunzuverlässig sei.

 

Das in Vorlage gebrachte Sachverständigengutachten unterstreiche sehr wohl die Verkehrszuverlässigkeit und hätte dies auch bei der Wertung Berücksichtigung finden müssen.

 

Selbst wenn man davon ausgehe, dass die letzte Straftat des Berufungswerbers im Herbst 1998 stattgefunden habe, so sei jedenfalls davon auszugehen, dass sich der Berufungswerber seit Herbst 1998 wohl verhalten habe. Die Ausführungen der Erstbehörde, wonach nicht auszuschließen sei, dass sich der Berufungswerber zukünftig weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werde, seien haltlos und nicht nachvollziehbar. Hätte die Erstbehörde bereits im Jahre 1998 ein Führerscheinentzugsverfahren eingeleitet, so hätte diese sicherlich keine Entzugsdauer von 5 Jahren ausgesprochen. Die Annahme, dass der Berufungswerber erst im Jahre 2004 die Verkehrszuverlässigkeit wieder erlange, sei unzulässig und nicht gerechtfertigt. Eine zukünftige konkrete Gefährdung könne seitens des Berufungswerbers nicht angenommen werden.

 

Aufgrund des Gerichtsaktes und des Sachverständigengutachtens sei jedenfalls davon auszugehen, dass der Berufungswerber die ihm von der Behörde angelastete Sinnesart bereits vor Erlassung des Bescheides überwunden habe, zumal seit der letzten Straftat nahezu 5 Jahre vergangen seien.

 

In seiner Entscheidung vom 23.4.2002, Zl 2001/11/0195, habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Prognose, der Berufungswerber werde erst rund 6 Jahre nach Beendigung der strafbaren Handlungen die zur Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs 12 FSG führende Sinnesart überwunden habe, verfehlt sei. Dieser Sachverhalt sei mit dem gegenständlichen Sachverhalt vergleichbar. Der VwGH habe auch ausgeführt, dass es für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach dieser Gesetzesstelle nicht ausreiche, dass die Begehung weiterer strafbarer Handlungen nicht ausgeschlossen werden könne. Es müsse vielmehr die Annahme begründet sein, dass sich der Betreffende weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werde. Die Erstbehörde gehe nur davon aus, dass nicht auszuschließen sei, dass sich der Berufungswerber weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werde. Aufgrund des langjährigen Wohlverhaltens könne keineswegs davon ausgegangen werden, dass sich der Berufungswerber weiterer strafbarer Handlungen schuldig machen werde. Diese Prognose wäre aus der Luft gegriffen.

 

Die Meinung der Erstbehörde, wonach der Berufungswerber erst wiederum am 14.2.2004 die Verkehrszuverlässigkeit erlangen werde, sei verfehlt. Vielmehr sei bereits vor Erlassung des Mandatsbescheides eine Verkehrunzuverlässigkeit nicht mehr vorgelegen.

 

Wesentlich sei auch, dass außer der gerichtlichen Vorstrafe keine weiteren gerichtlichen Vorstrafen und auch keine Verwaltungsübertretungen von der Behörde festgestellt worden seien.

 

Eine Bindungswirkung zwischen einem gerichtlichen Strafurteil und einer Verwaltungsentscheidung sei nicht gegeben. Die Erstbehörde hätte daher sehr wohl Überprüfungen anstellen müssen, ob der Berufungswerber zum Zeitpunkt der Mandatserlassung überhaupt noch nach § 207b StGB bestraft worden wäre.

 

Auch sei die Begründung der Erstbehörde hinsichtlich der vorgenommenen Wertung nicht nachvollziehbar und dem gerichtlichen Urteilen nicht zu entnehmen. Ob die Opfer die angeführten psychischen Probleme zu erleiden gehabt hätten, sei nicht erwiesen.

 

Im Übrigen werde auf die Ausführungen in der Vorstellung verwiesen.

 

Es wurde daher beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

 

Auf Sachverhaltsebene ist zunächst folgendes festzuhalten:

 

Mit einem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 28.6.2002 wurde der Berufungswerber schuldig erkannt, in der Zeit von Frühjahr bis Herbst 1995 mit dem Jugendlichen J. S. und in der Zeit zwischen Herbst 1996 und Herbst 1998 mit dem Jugendlichen A. N. gleichgeschlechtliche Unzucht gemäß § 209 StGB getrieben zu haben.

 

Weiters wurde er schuldig erkannt, im Frühjahr 1997 A. N. durch im Urteil näher angeführte Äußerungen zur Abstandnahme von der Erstattung einer Strafanzeige wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren genötigt zu haben.

 

Dadurch habe der Berufungswerber das Verbrechen der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach § 209 StGB und das Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1 und 106 Abs 1 Z 1 StGB begangen und wurde über ihn nach § 209 StGB unter Anwendung der §§ 28 und 43a Abs 3 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 Monaten verhängt, wobei gemäß § 43 Abs 1 StGB ein Teil der verhängten Strafe im Ausmaß von 10 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde. Das Oberlandesgericht Innsbruck setzte mit Urteil vom 9.10.2002 die Strafe teilweise herab. Anstelle der verhängten Freiheitsstrafe wurden über den Berufungswerber eine (unbedingte) Geldstrafe von 300 Tagessätzen, im Uneinbringlichkeitsfall 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und eine Freiheitsstrafe von 7 Monaten, welche unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, verhängt. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes wurde mit Euro 20,-- bestimmt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat über die gegenständliche Berufung wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 3 Abs 1 Z 1 FSG darf die Lenkerberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind (§ 7).

 

Gemäß § 7 Abs 1 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs 3) und ihrer Wertung (Abs 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Gemäß § 7 Abs 3 FSG gelten als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs 1 insbesondere, wenn jemand:

?

9. eine strafbare Handlung gegen die Sittlichkeit gemäß den §§ 201 bis 207 oder 217 StGB begangen hat;

?

 

Nach § 7 Abs 4 FSG sind für die Wertung der in Abs 3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Gemäß § 24 Abs 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.

die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.

die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs 2 in den Führerschein einzutragen.

 

Gemäß § 25 Abs 1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit

nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.

 

Nach § 25 Abs 3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

 

Im gegenständlichen Fall ist das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs 3 Z 9 FSG unstrittig. Strittig ist vielmehr, inwieweit die Wertung dieser bestimmten Tatsache die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit zum Zeitpunkt des Ergehens des Mandatsbescheides (noch) rechtfertigt.

 

Für die gemäß § 25 FSG zu bestimmende Zeit, während der die Lenkerberechtigung entzogen wird, ist die unter Berücksichtigung der Wertungskriterien des § 7 Abs 2 FSG zu erstellende Prognose maßgebend, innerhalb welchen Zeitraumes die Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit erwartet werden kann. Nach dieser Gesetzesstelle reicht es nicht aus, dass die Begehung weiterer schwerer strafbarer Handlungen nicht ausgeschlossen werden kann. Es muss vielmehr die Annahme begründet sein, dass der betreffende ?sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird? (vgl VwGH vom 23.4.2002, Zl 2001/11/0195).

 

Im Bezug auf die Verwerflichkeit des Verhaltens des Berufungswerbers ist zur berücksichtigen, dass dieser Unzucht mit zwei Jugendlichen getrieben hat, die Unzuchtshandlung sich über einen längeren Zeitraum erstreckten und mehrfach wiederholt wurden. Ein wesentlicher Aspekt der im § 7 Abs 1 Z 9 FSG angeführten strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit liegt darin, dass derartige Handlungen für die Opfer im Regelfall mit gravierenden psychischen Folgen verbunden sind. Der Aktenlage ist zu entnehmen, dass derartiges auch im konkreten Fall zutrifft. Das Fehlverhalten des Berufungswerbers ist daher zweifelsfrei als besonders verwerflich zu bezeichnen.

 

Im Rahmen der Wertung der bestimmten Tatsache ist jedoch die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend. Dem im erstinstanzlichen Akt befindlichen gerichtlichen Urteil ist zu entnehmen, dass der letzte Vorfall Ende August oder Anfang September 1998 war. Dem erstinstanzlichen Akt ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass der Berufungswerber nach diesem Zeitpunkt in strafrechtlicher Hinsicht auffällig wurde. Vielmehr wurde festgehalten, dass sich aus der Verwaltungsstrafevidenz keine weiteren Verurteilungen ergeben.

 

Zwischen der letzten Tathandlung und der Erlassung des Mandatsbescheides liegt somit ein Zeitraum von ca 4,5 Jahren, innerhalb dessen sich der Berufungswerber wohl verhalten hat. Ergänzend ist in Bezug auf diesen Zeitraum anzuführen, dass der Berufungswerber während dieses Zeitraumes nicht in Haft war und das gerichtliche Verfahren im Wesentlichen den verhältnismäßig kurzen Zeitraum von Jänner bis Oktober 2002 betraf. Dem Umstand, dass der Berufungswerber nicht in Haft war, kommt insoweit im gegenständlichen Fall Bedeutung zu, als nach ständiger Rechtsprechung das Wohlverhalten einer Person in Haft wegen der in der Haft eingeschränkten Möglichkeit, den eigenen Entschlüssen gemäß zu handeln, allein nicht geeignet ist, die Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit zu bewirken (vgl VwGH vom 28.6.2001, Zl 2001/11/0094).

 

Die für die Festsetzung der Entziehungsdauer (bzw für die Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit) maßgebende Prognoseentscheidung ist jeweils aufgrund der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, weshalb Aussagen in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung darüber, ob bestimmte Entziehungszeiten den betreffenden in Rechten verletzt haben oder nicht, nicht schematisch auf andere Fälle übertragen werden können (vgl VwGH vom 23.4.2002, Zl 2001/11/0406). Bezieht man jedoch die Rechtsprechung des VwGH zur hier zubeurteilenden Problematik mit ein, so ergibt sich, dass sich das Höchstgericht bereits mehrfach mit ähnlich gelagerten Sachverhalten auseinanderzusetzen hatte. So betraf eine Entscheidung vom 26.11.2002, Zl 2001/11/0324, einen Beschwerdeführer, der unter anderem wegen des in der Zeit von Sommer 1996 bis Anfang Juli 1997 an insgesamt 4 unmündigen Personen begangenen Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB rechtskräftig für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 2,5 Jahren verurteilt worden war. Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, dass der Beschwerdeführer seine Verkehrszuverlässigkeit erst wieder Ende Dezember 2001, somit ca 4,5 Jahre nach dem letzten Vorfall erreichen würde, wurde vom VwGH nicht geteilt und wurde ausgeführt, dass auch bei Berücksichtigung der von der belangten Behörde mit Recht hervorgehobenen Verwerflichkeit der vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen nicht erkennbar sei, warum erst nach Ablauf von 2 Jahren ab Entlassung des Beschwerdeführers aus der Haft mit einer Änderung der genannten Sinnesart gerechnet werden kann und nicht bereits nach Ablauf einer Zeit, die 18 Monate nicht übersteigt. Wenn daher der VwGH im genannten Fall trotz der Verhängung einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe von einer Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit von 4 Jahren nach der letzten Tathandlung ausgeht, so kann nicht im gegenständlichen Fall, in welchem es (lediglich) zur Verhängung einer unbedingten Geldstrafe und einer bedingten Haftstrafe kam, ein strengerer Maßstab angelegt werden.

 

Dass ein Straftäter, der wegen Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 (alte Fassung) StGB, des Verbrechens des sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 207 Abs 1 (neue Fassung) StGB und des Vergehens des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2,5 Jahren verurteilt wurde ? trotz des Bestehens von 15 gerichtlichen Vorstrafen ? nicht erst rund 6 Jahre nach Beendigung des strafbaren Verhaltens seine Zuverlässigkeit wieder erlangen würde und mit einer wesentlich kürzeren Entziehungsdauer das Auslangen hätte gefunden werden können, sprach der VwGH in seinem Erkenntnis vom 22.4.2002, Zl 2001/11/0195, aus. Wenn der Verwaltungsgerichtshof in einem derartigen Fall von der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit nach einem wesentlich kürzeren Zeitraum als 6 Jahre (höchstens also 4 oder 5 Jahre) nach der letzten Tathandlung ausgeht, so bedeutet dies, bezogen auf den gegenständlichen Fall, dass Verneinen der Verkehrszuverlässigkeit 4,5 Jahre nach der letzten Tathandlung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht in Einklang gebracht werden kann.

 

Darüber hinaus vertritt die Berufungsbehörde ebenso wie das Berufungsgericht im gerichtlichen Strafverfahren die Auffassung, dass die mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2002 erfolgte Änderung des Strafgesetzbuches durch Einführung des § 207b bei gleichzeitigem Entfall des § 209 (insoweit seit 14.8.2002 in Kraft) nicht völlig unbeachtet gelassen werden kann. Homosexuelle Handlungen, wie sie dem Berufungswerber vorgeworfen wurden, sind nach der neuen Rechtslage nicht mehr in jedem Fall strafbar. Der Gesetzgeber pönalisiert in § 207b heterosexuelle und homosexuelle Kontakte zwischen dem Täter und einer Person vor Vollendung des 16. bzw 18. Lebensjahres nur noch unter speziellen, in den Abs 1 bis 3 normierten Voraussetzungen und stattete die drei Tatbilder überdies mit (gegenüber § 209 StGB) deutlich reduzierten Strafdrohungen aus und machte damit eine geänderte Güterwertung bzw Wertung der Strafwürdigkeit in diesem Bereich deutlich. Nach Ansicht des Oberlandesgerichtes Innsbruck wäre es unbillig, bei der Sanktionierung der den Berufungswerber angelasteten Taten, die kurze Zeit später erfolgte Strafrechtsänderung bloß aufgrund der seinerzeit bestehenden Strafzumessungsgründe zu sanktionieren. In Bezug auf das verwaltungsbehördliche Verfahren ist diese vom Gesetzgeber im Strafrechtsänderungsgesetz 2002 zum Ausdruck kommende geänderte Güterwertung insoweit zu berücksichtigen, als die Verwerflichkeit eines Fehlverhaltens auch in der Strafdrohung zum Ausdruck kommt. Eine vom Gesetzgeber vorgenommene Änderung der Strafdrohung bedeutet somit auch eine Änderung des dadurch zum Ausdruck gebrachten Unwerturteils und hat dementsprechend auch als eines von mehreren Wertungskriterien bei der Beurteilung der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit einzufließen. Es wäre daher unbillig, die durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2002 herbeigeführte Änderung der Rechtslage für die Beurteilung des gegenständlichen Falles völlig außer Betracht zu lassen.

 

Wie bereits auch vom Berufungswerber eingeräumt, bedarf es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Beurteilung der mangelnden Verkehrszuverlässigkeit weder eines ärztlichen Gutachtens noch etwa einer verkehrspsychologischen Untersuchung (vgl VwGH vom 28.6.2001, Zl 2001/11/0153). Das im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Gutachten des Ass.-Prof. Dr. Ludwig. W. Pilsz betrifft im Wesentlichen die Beurteilung der verkehrspsychologischen Eignung zum Lenken von KFZ der Gruppe 1. Im gegenständlichen Verfahren geht es jedoch um die Beurteilung einer Charaktereigenschaft anhand der vom Berufungswerber begangenen strafbaren Handlungen. Die im genannten Gutachten getroffenen Ausführungen sind daher für die Beurteilung der hier maßgeblichen Rechtsfrage nicht unmittelbar heranzuziehen. Allerdings ergeben sich aus dem Gutachten keinerlei Anhaltspunkte, die gegen die Annahme des Erreichens der Verkehrszuverlässigkeit zum Zeitpunkt des Ergehens des Mandatsbescheides sprechen würden, zumal darin auch positive Verhaltensänderungen angeführt sind, wie etwa totale Alkoholabstinenz seit diesen Vorfällen und zumindest ansatzweises Aufarbeiten der Delikte mit Hilfe von Gesprächen mit dem Hausarzt.

 

Ist seit der Begehung der einer bestimmten Tatsache gemäß § 7 Abs 1 oder 2 (nunmehr 3) FSG darstellenden strafbaren Handlung bereits so lange Zeit verstrichen, dass die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach diesen Gesetzesstellen nicht mehr gerechtfertigt ist, darf die Lenkerberechtigung nicht mehr entzogen werden und zwar auch dann nicht, wenn die Erlassung des Entziehungsbescheides zu einem früheren Zeitpunkt mangels Abschlusses eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens nicht möglich gewesen ist (VwGH vom 23.4.2002, Zl 2001/11/0406).

 

Im gegenständlichen Fall ist insbesondere auf Grund des langen Zurückliegens der Tathandlungen vom Wiederlangen der Verkehrzuverlässigkeit zum Zeitpunkt des Erlassens des Mandatsbescheides auszugehen.

 

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Schlagworte
gleichgeschlechtliche, Unzucht, Probezeit, drei, Jahren, seither, verstrichene, Zeit
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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