TE UVS Steiermark 2003/05/09 30.12-91/2002

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Veröffentlicht am 09.05.2003
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufung des Herrn E G, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. B, Dr. Z, Dr. T, Mag. G, B gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leoben vom 30.08.2002, GZ.: 15.1 2064/2002, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 VStG eingestellt.

Text

Laut Spruch des Straferkenntnisses hat der Beschuldigte folgende Tat zu verantworten:

1. Übertretung

Sie haben als verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa. W. In K, und weiteren Standort in W, diese ist Direktimporteur und Erstinverkehrbringer der nachstehend angeführten Probe, nicht dafür gesorgt, dass die Bestimmungen der Lebensmittelhygiene-VO eingehalten wurden. Lt. Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Innsbruck

vom 11.3.2002 weist die am 18.12.2001 von einem Lebensmittelaufsichtsorgan aus der Kühlvitrine der Fa. M C & C Ö in R, entnommene Probe U-Z 007397/2001 F K R, folgenden Mangel auf:

Die vorliegende Probe mit der Bezeichnung F K R weist im Rahmen der durchgeführten Untersuchung nach sachgemäßer Lagerung bei +6 Grad C bis zum Ende der Haltbarkeitsfrist in zwei (von zwei) Packungen eine Kontamination mit Bakterien der Gruppe Listeria monocytogenes in einer Größenordnung von <100 pro Gramm auf.

Bei Listeria monocytogenes handelt es sich um fakultativ pathogene Keime, die beim Menschen verschiedene, z.T. schwere Krankheitsbilder auslösen können.

Die Kontamination eines ohne weitere Zubereitungshandlung verzehrfertigen Lebensmittel mit

nicht mehr als 100 Listerien monocytogenes pro Gramm wird nach herrschender internationaler Übereinkunft zwar nicht als unmittelbares Gesundheitsrisiko angesehen - die Ware ist daher (noch) nicht als gesundheitsgefährlich zu beurteilen - stellt aber in jedem Fall eine hygienische nachteilige Beeinträchtigung des Lebensmittels dar, die durch entsprechende Vorkehrungen in der Produktion zu vermeiden sind. So ist insbesondere beim Herstellen bekanntermaßen risikobehafteter Räucherlachs-Produkten im Rahmen eines integrierenden HACCP-Konzeptes eine mikrobiologische Prozesskontrolle zu fordern, die geeignet ist Schwachstellen im Produktionsablauf zu

erkennen und sicher abzustellen. Bei Verbringen von Waren aus anderen Mitgliedstaaten nach Ö oder bei eingeführten Waren hat sich der (Erst-)Inverkehrbringer im Zuge seiner Sorgfaltspflicht von der Einhaltung entsprechender Vorsorgemaßnahmen und damit von der Unbedenklichkeit der Ware zu überzeugen. Die Anwesenheit von Listerien in aufgeschnittenem Räucherlachs lässt somit auf Versäumnisse bei der (angemessenen und zumutbaren) Produkt- bzw. Prozesskontrolle schließen.

Der Hersteller bzw. der Erstinverkehrbringer hat es offensichtlich unterlassen eine Kontamination mit Listeria monocytogenes zu erkennen

und somit grundsätzlich hintan zu halten. Dadurch sei § 3 Lebensmittelhygieneverordnung verletzt worden. Nach § 74 Abs 4 Z 1 Lebensmittelgesetz 1975 - LMG wurde eine Geldstrafe verhängt und für den Fall von deren Uneinbringlichkeit - ohne die Rechtsgrundlage anzuführen - eine Ersatzfreiheitsstrafe. Weiter wurde dem Beschuldigten nach § 45 Abs 2 LMG der Ersatz der Untersuchungskosten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Innsbruck auferlegt. Der Beschuldigte bekämpfte die Bestrafung mit Berufung, nach deren Begründung der Fall wie folgt zu beurteilen ist: Der Behörde unterlief ein wesentlicher Verfahrensmangel, indem sie es verabsäumte den Sachverhalt aufzuklären und ein entsprechendes Ermittlungsverfahren durchzuführen. Es ergab sich aus dem gesamten Ermittlungsverfahren kein Hinweis, "dass der Beschuldigte tatsächlich verantwortlicher Beauftragter bei der W ist"; nur im Fall einer Klärung dieser Frage hätte er überhaupt mit einer Verwaltungsstrafe belegt werden dürfen. Aber auch die Tathandlung wurde nicht entsprechend aufgeklärt, da der Prüfbericht der Lebensmitteluntersuchungsanstalt derart mangelhaft ist, dass nicht gesagt werden kann, ob das Lebensmittel tatsächlich bei Beginn der Untersuchung listerienbelastet war. Abschließend wurde der Antrag gestellt, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen. Über Aufforderung des Unabhängigen Verwaltungssenates, im Fall der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten, dessen Zustimmungserklärung vorzulegen und bekannt zu geben, ob der Räucherlachs nach seinem Import aus D durch die W behandelt, verarbeitet, verpackt bzw umgepackt oder durch die GmbH unverändert in Verkehr gebracht wurde, legte der Berufungswerber die Urkunde vom 16.03.2000 ("Bestellung eines verantwortlich Beauftragten") vor und gab bekannt, dass der Räucherlachs "nicht produziert oder behandelt, sondern unverändert in Verkehr gebracht (worden sei)". Weiter wandte sich der Unabhängige Verwaltungssenat mit Schreiben vom 17.01.2003 an die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Innsbruck und ersuchte um Beantwortung folgender Fragen: 1. Wann wurde die Begutachtung vorgenommen? 2. In Ihrem Befund beschreiben Sie die Konzentration der Bakterien Listeria monocytogenes mit 100 KBE/g. Gibt es einen Toleranzwert bzw wie viele Keime sind höchstens zulässig? Was bedeutet KBE? 3. Im dritten Absatz, zweiter Unterabsatz des Gutachtens erwähnen Sie ein Verbringen von Waren aus anderen Mitgliedstaaten nach Ö und die Sorgfaltspflicht, die der Inverkehrbringer dabei zu beachten hat. Dies würde dem Abschnitt IX 1. des Anhanges zur Lebensmittelhygieneverordnung entsprechen. Im vorletzten Absatz des Gutachtens sehen Sie aber § 3 der Lebensmittelhygieneverordnung als verletzt an. Insofern besteht ein Widerspruch in der Zuordnung des inkriminierten Verhaltens. Wie steht die dortige Anstalt zu dieser Problematik? § 3 der Lebensmittelhygieneverordnung weist näher die Buchstaben a - e auf. Das Gutachten enthält sich einer näheren Zuordnung der Tathandlung. Welcher Buchstabe des § 3 wurde nach Meinung der Anstalt verletzt? Die Lebensmitteluntersuchungsanstalt ließ dieses Schreiben jedoch, auch nach telefonischer Urgenz am 07.03.2003 und schriftlicher Urgenz am 10.04.2003, unbeantwortet. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark gelangt auf Grund der Aktenlage zu folgender Beurteilung: 1.) Zur bestrittenen Verantwortlichkeit: Wie erwähnt wurde die Tat dem Beschuldigten in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der W vorgeworfen. Dass die erste Instanz diesbezüglich richtig vorgegangen ist, ergibt sich aus Folgendem: Sie forderte die W mit Schreiben vom 07.06.2002 auf, einen allenfalls vorhandenen Zustimmungsnachweis eines verantwortlichen Beauftragten binnen zwei Wochen vorzulegen, da ansonsten das Verfahren gegen alle im § 9 Abs 2 VStG genannten Personen eingeleitet würde. Hierauf antwortete der Beschuldigte mit der Mitteilung vom 25.06.2002, dass "für die Einhaltung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung ... eine andere Person zuständig (sei), als für die Einhaltung der allgemeinen Lebensmittelhygieneverordnung." In Beantwortung einer diesbezüglichen Aufforderung der ersten Instanz erwähnte der Beschuldigte in seiner Rechtfertigung vom 18.07.2002 das Thema verantwortlicher Beauftragter nicht mehr. § 9 VStG ("besondere Fälle der Verantwortlichkeit") lautet auszugsweise:  (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf

Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen  oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

(3) Eine natürliche Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist, kann für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen.

(4) Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist... Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl die Erkenntnisse verstärkter Senate vom 16.01.1987, Zl 86/18/0073, Slg Nr 12375/A, und Zl 86/18/0077) wirkt die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nachgewiesen wird, und tritt erst mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises bei der Behörde ihr gegenüber der namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnorm an die Stelle des zur Vertretung nach außen Berufenen. Es muss bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten eingelangt sein. Von einem aus der Zeit vor der Begehung der Verwaltungsübertretung stammenden Zustimmungsnachweis kann nur dann gesprochen werden, wenn ein die Zustimmung zur Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten betreffendes Beweisergebnis schon vor der Begehung der Tat vorhanden war (etwa in Form einer entsprechenden Urkunde, aber auch einer Zeugenaussage etc.). Da dies auf ein erst nach diesem Zeitpunkt zu Stande kommendes Beweisergebnis nicht zutrifft, genügt zur Erbringung des vom Gesetzgeber geforderten Zustimmungsnachweises jedenfalls nicht die Berufung auf eine erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage des verantwortlichen Beauftragten oder anderer Personen, mit der die Zustimmung des Erstgenannten zur Bestellung unter Beweis gestellt werden soll (vgl die Erkenntnisse vom 17.03.1988, Zl 87/08/0306 und vom 09.06.1988, Zl 86/08/0213 bis 0215). Die Wichtigkeit der Übernahme der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit erfordert es, dass die Bestellung und die damit übereinstimmende Zustimmung so erklärt werden, dass kein Zweifel an ihrem Inhalt besteht. In der Übertragung von bestimmten Aufgaben innerhalb eines Unternehmens an einzelne Beschäftigte liegt noch nicht die Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit (VwGH 11.03.1993, 91/19/0158). Aus § 9 Abs 3 und 4 VStG ist zu schließen, dass der räumliche oder sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt wird, klar abzugrenzen ist. Erfolgt eine solche klare Abgrenzung nicht, liegt keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vor, denn es soll vermieden werden, dass Zweifel am Umfang des Verantwortlichkeitsbereichs entstehen und als deren Folge die Begehung von Verwaltungsübertretungen allenfalls ungesühnt bleibt (VwGH 23.02.1993, 92/11/0258 u.a). Die vom Berufungswerber im Berufungsverfahren vorgelegte Urkunde lautet wie folgt: Bestellung eines verantwortlich Beauftragten I. Parteien

1.1 H M, K

1.2 W, K

im Folgenden meist die Gesellschaft genannt.

2. Prok. W J, G

im Folgenden meist Herr J genannt.

II. Präambel

Herr J ist seit 30.12.1991 verantwortlich Beauftragter der zu

1.1. angeführten Gesellschaft

bzw deren Rechtsvorgängerin H M. Es liegt eine von diesem Tag stammende schriftliche Vereinbarung vor. Ein Jurist des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vertrat jedoch die Auffassung, dass die genannte Vereinbarung unzureichend sei. Die Vereinbarung 30.12.1991 wird daher, so wie sie von den Parteien verstanden wurde, im folgenden neu gefasst und an die zwischenzeitig erfolgten Änderungen angepasst.

Die

unter 1.2. angeführte Gesellschaft ist ein reines Handelsunternehmen. Sie lässt zu einem großen Teil von ihr gehandelte Produkte von der unter 1.1. angeführten Gesellschaft erzeugen.

III. Stellung im Betrieb

Herr J ist Gesamtleiter

der Produktion und angestellter Prokurist der unter 1.1. angeführten Gesellschaft.

IV. Verantwortlichkeit

Herr J

ist als Gesamtleiter der Produktion verantwortlich dafür, dass die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, dass in den Betrieben der Gesellschaft die durch Gesetz oder Verordnung oder Einzelakt wie Bescheide vorgeschriebene Vorgangsweisen strikt eingehalten werden und keine Gesetzes- oder Verordnungswidrigkeiten erfolgen. Für den reinen Produktionsvorgang in den einzelnen Betrieben, der aus der Wareneingangskontrolle, Überwachung der Einhaltung der Rezepturen, insbesondere durch Kontrolle des jeweiligen Anteils der Zutaten, Kontrolle des Produktionsablaufes vor Ort, insbesondere auch im Hinblick auf die einzuhaltenden Hygienevorschriften, Überwachung des technischen Produktionsauflaufes sowie der Qualitätssicherung besteht, ist er nicht verantwortlich, sondern der jeweilige Produktionsleiter im jeweiligen Erzeugungsbetrieb.

Herr J hat die produktionstechnische Oberleitung, insofern er die Voraussetzungen dafür zu schaffen hat, dass der Produktionsleiter vor Ort in der Lage ist, unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und der Verordnungen zu produzieren und hat die Produktionsorganisation durchzuführen. Im Rahmen der Personaleinstellung hat er alle diesbezüglich einzuhaltenden gesetzlichen Vorschriften, insbesondere das Ausländerbeschäftigungsgesetz einzuhalten. Die Parteien sind sich bewusst, dass die Wirksamkeit der Bestellung eines verantwortlich Beauftragten im Bereich Ausländerbeschäftigung erst dann gegeben ist, wenn die jeweils zuständigen Arbeitsinspektorate entsprechend verständigt wurden. Für die Lebensmittelkennzeichnung ist Herr J nicht verantwortlich; dafür wurde ein eigener verantwortlich Beauftragter bestellt. Herr J hat die Produktionsleiter zu kontrollieren, ist jedoch in deren Bereich damit vor Ort nicht verantwortlich Beauftragter, weil er dazu nicht genügend Eingriffsmöglichkeiten hat, zumal er nur sporadisch vor Ort in den einzelnen Produktionsstätten anwesend ist.

Zusammengefasst ist Herr J verantwortlich Beauftragter betreffend alle gesetzlichen Vorschriften und Verordnungen mit Ausnahme der den Produktionsprozess vor Ort betreffenden Bestimmungen und der Lebensmittelkennzeichnungsbestimmungen. V. Anordnungsbefugnis

Herr J besitzt uneingeschränkte Anordnungsbefugnis in seinem Verantwortungsbereich und hat Normübertretungen zu verhindern, allenfalls trotzdem eintretende

Normübertretungen sofort abzustellen und auch der Gesellschaft von der Normübertretung und der von ihm deshalb und zur Verhinderung weiterer Normübertretungen gesetzten Maßnahmen zu verständigen.

K, am 16.3.2000

(Unterschrift)

(Unterschrift)

... ...

H M W

(Unterschrift)

...

als der Bestellung zustimmender verantwortlich Beauftragter Prok. W J

Wenn es in Punkt I dieser Vereinbarung heißt im Folgenden meist die Gesellschaft genannt", weist der Gebrauch der Einzahl darauf hin, dass sich diese Passage nur auf die unter 1.2. genannte W bezieht und wäre der Gebrauch der Einzahl unüblich, wenn sich "Gesellschaft" auch auf die unter 1.1. genannte H M bezöge. Diese Unklarheit ist insofern von Bedeutung, als sich die Begründung der Verantwortlichkeit im ersten Satz des Punktes IV. auf die Betriebe "der Gesellschaft" bezieht und damit offen bleibt, ob auch die H M davon darunter fällt. Der sachliche Bereich des Gesamtleiters der Produktion W J konkurriert insofern nach dem Inhalt der Urkunde mit jenem der Produktionsleiter im jeweiligen Erzeugungsbetrieb, als der Erstgenannte die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen hat, "dass in den Betrieben der Gesellschaft, die durch Gesetz oder Verordnung oder Einzelakt wie Bescheide vorgeschriebenen Vorgangsweisen strikt eingehalten werden und keine Gesetzes- oder Verordnungswidrigkeiten erfolgen" und die jeweiligen (untergeordneten) Produktionsleiter für den "reinen Produktionsvorgang" zuständig gemacht werden; bzw Herr J die produktionstechnische Oberleitung über hat und die Voraussetzungen zu schaffen hat, "dass der Produktionsleiter vor Ort in der Lage ist, ...". Gesetze und Verordnungen im Lebensmittelbereich beziehen sich auf eine bestimmte Materie und wirken diesbezüglich "vertikal" sowohl auf der übergeordneten Ebene als auch auf der Ebene des Aufgabenbereichs der Produktionsleiter. Aus dem letzten Absatz des Punktes IV ("Zusammengefasst ist Herr J verantwortlich Beauftragter betreffend alle gesetzliche Vorschriften und Verordnungen mit Ausnahme der den Produktionsprozess vor Ort betreffenden Bestimmungen und der Lebensmittelkennzeichnungsbestimmungen") wird vollends klar, dass zwar mit der getroffenen Regelung die Aufgabenbereiche des Gesamtproduktionsleiters und der Unterproduktionsleiter für den internen Gebrauch ausreichend umschrieben sein mögen; eine klare Abgrenzung der Aufgabenbereiche in Bezug auf die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten liegt aber deswegen nicht vor, weil die Gesetze und Verordnungen entgegen dem letzten Absatzes des Punktes IV sich nicht danach unterscheiden lassen, ob sie sich auf den "Produktionsprozess vor Ort" beziehen oder nicht. Daraus folgt, dass ein Adressatenwechsel bezüglich der Einhaltung der Lebensmittelhygieneverordnung vom handelsrechtlichen Geschäftsführer zum verantwortlichen Beauftragten nicht stattgefunden hat. 2.) § 3 Lebensmittelhygieneverordnung BGBl II Nr 31/1998 in der Fassung der Novelle BGBl II Nr 33/1999: Der Inhaber oder Geschäftsführer eines Lebensmittelunternehmens hat die für die Lebensmittelsicherheit kritischen Punkte im Prozessablauf festzustellen und dafür Sorge zu tragen, dass angemessene Sicherheitsmaßnahmen festgelegt, durchgeführt, eingehalten und überprüft werden, und zwar nach folgenden, bei der Ausgestaltung des HACCP-Systems (Hazard Analysis and Critical Controll Points) verwendeten Grundsätzen:

a) Analyse der potentiellen Risiken für Lebensmittel in den Prozessen

eines Lebensunternehmens;

b) Identifizierung der Punkte in diesen Prozessen, an denen Risiken für Lebensmittel auftreten können;

c) Festlegung, welche dieser Punkte für die Lebensmittelsicherheit kritisch sind -  kritische Punkte";

d) Feststellung und Durchführung wirksamer Prüf- und Überwachungsverfahren für diese kritischen Punkte und

3) Überprüfung der Gefährdungsanalyse für Lebensmittel, der kritischen Kontrollpunkte und der Prüf- und Überwachungsverfahren in regelmäßigen Abständen und bei jeder Änderung der Prozesse in den Lebensmittelunternehmen." Die erste Instanz nahm in den Spruch des Straferkenntnisses zwar eine lange Schilderung auf, indem sie einen großen Teil des Gutachtens der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Innsbruck vom 11.03.2002 wörtlich übernahm, die Aussagen lassen sich aber nicht dem § 3 der Lebensmittelhygieneverordnung unterstellen. Schon das Probenbegleitschreiben des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 18.12.2001 zeigt, dass die Lebensmittelaufsicht ihre Kontrolle bei der Metro Cash & Carry Österreich GmbH in Rum in Tirol vornahm und dort eine Probe entnahm. Dem Verwaltungsstrafverfahren liegt aber keine Kontrolle im Betrieb der W zu Grunde, die sich auf die kritischen Punkte im Prozessablauf und die Festlegung von Sicherheitsmaßnahmen bezogen hätte. Die Ausführungen im Gutachten, der Hersteller bzw Erstinverkehrbringer habe es offensichtlich unterlassen, eine Kontamination mit Listeria monocytogenes zu erkennen und hintan zu halten, beruhen auf reinen Mutmaßungen, wozu kommt, dass der Vorwurf " 100 KBE/g" nichts über die tatsächliche Keimbelastung aussagt, da es sich hiebei um einen Wert zwischen 1 und 100 handeln kann und ein höchstzulässiges Ausmaß der Keimbelastung im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen ist. Die Lebensmitteluntersuchungsanstalt ließ wie erwähnt das Ersuchen der Berufungsbehörde unbeantwortet, wie sie sich dazu stellt, dass der Sachverhalt eher dem Abschnitt IX des Anhangs zur Lebensmittelhygieneverordnung zuzuordnen sein könnte. Dieser Abschnitt ist mit "Lebensmittelvorschriften" überschrieben und lautet: 1.) Rohstoffe oder Zutaten dürfen von einem Lebensmittelunternehmen nicht angenommen werden, wenn sie erwiesenermaßen oder aller Voraussicht nach mit Parasiten, pathogenen Mikroorganismen oder toxischen, verdorbenen oder fremden Stoffen derart kontaminiert sind, dass sie auch nach ihrer normalen Aussortierung oder nach einer im Lebensmittelunternehmen hygienisch durchgeführten zulässigen Vorbehandlung oder Verarbeitung nicht für den Verzehr geeignet sind.

2.) Rohstoffe und Zutaten, die im Betrieb gelagert werden, sind unter angemessenen Bedingungen aufzubewahren, damit Gesundheitsgefährdung verhindert wird und Schutz vor Kontamination gewährleistet ist.

3.) Lebensmittel, die behandelt, gelagert, verpackt, ausgelegt und befördert werden, sind vor

Kontaminationen zu schützen, die sie zum Verzehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich machen bzw derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand unzumutbar wäre. Insbesondere müssen Lebensmittel so aufbewahrt oder geschützt werden, dass das Risiko einer Kontamination vermieden wird. Ungeziefer sind durch geeignete Verfahren zu kontrollieren und zu bekämpfen.

4.) Rohstoffe, Zutaten, Zwischenerzeugnisse und Enderzeugnisse, die das Wachstum pathogener Mikroorganismen oder das Entstehen von Giften fördern können, müssen bei Temperaturen aufbewahrt werden, die zu keiner Gefährdung der Gesundheit führen. Sofern die Lebensmittelsicherheit gewahrt bleibt, darf während begrenzter Zeitabschnitte von der Temperaturregulierung abgesehen werden, sofern dies aus Gründen der Zweckmäßigkeit bei der Zubereitung, Beförderung und Lagerung, sowie bei der Auslage und Servieren von Lebensmitteln erforderlich ist.

5.) Werden

Lebensmittel kühl aufbewahrt oder serviert, so müssen sie nach der abschließenden Hitzebehandlung oder, falls keine Erhitzung stattfindet, nach abgeschlossener Zubereitung so schnell wie möglich auf eine Temperatur abgekühlt werden, die zu keiner hygienisch nachteiligen Beeinflussung führt.

6.) Gefährliche oder

ungenießbare Stoffe einschließlich Futtermittel sind als solche auszuweisen und in separaten, verschlossenen Behältnissen zu lagern. Da sich auf Grund der Mitteilung des Berufungswerbers an die Berufungsbehörde vom 23.12.2002 ergibt, dass der Räucherlachs so wie er importiert wurde, ohne weitere Bearbeitung in Verkehr gebracht wurde, ließe sich der Sachverhalt am ehestens der Ziffer

4.) des Abschnittes IX unterstellen, wonach "Enderzeugnisse" bei Temperaturen aufbewahrt werden müssen, die zu keiner Gefährdung der Gesundheit führen. Schon das Gutachten lässt diesbezügliche Ausführungen vermissen, weshalb sich auch das gesamte darauf gegründete Verfahren damit nicht befasste. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Spruch eines Straferkenntnisses nach § 44a Z 1 VStG auch eine Tatzeit zu enthalten hat, die mit der Sachverhaltsumschreibung korreliert. Der diesbezügliche Mangel des Straferkenntnisses - das Datum 18.12.2001 bezieht sich auf die Probenentnahme, nimmt aber nicht auf den Sachverhalt Bezug - hat ebenso wie die anderen oben angeführten Mängel des Spruchs zur Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens zu führen.

Schlagworte
verantwortlicher Beauftragter Bestellungsurkunde Verantwortungsbereich Lebensmittelhygiene Wirksamkeit Direktimporteur Überzeugungspflicht Unbedenklichkeit Prozesssystem
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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