TE UVS Niederösterreich 2003/05/13 Senat-ME-02-0013

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Veröffentlicht am 13.05.2003
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Spruch

Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 AVG Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und hinsichtlich Spruchpunkt 1 gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG, hinsichtlich Spruchpunkt 2 gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Text

Mit einer Anzeige des L************************* für **, Verkehrsabteilung, Außenstelle ****, wurde dem Beschuldigten als Lenker eines den Kennzeichen nach bestimmten Sattelkraftfahrzeuges zur Last gelegt, er sei am 21.5.2001 auf der A* Höhe km **,* mit dem rechten Räderpaar aus Unachtsamkeit von der Fahrbahn abgekommen, habe ein Stück die angrenzende Grünfläche befahren und bei der Weiterfahrt die Fahrbahn verschmutzt. Er sei bei der Abfahrt M*** angehalten worden. Dort sei bei der Lenker- und Fahrzeugkontrolle festgestellt worden, dass der Lenker, um eine Lenkpause vorzutäuschen, zwei Schaublätter, eines auf seinem Namen eines auf A****** B lautend verwendet habe. Das bei Fahrtantritt um 02,00 Uhr auf seinen Namen lautende Schaublatt habe der Lenker um 06,30 Uhr auf dem Autobahnparkplatz in A****, **, gegen das zweite ausgetauscht. Zum Zeitpunkt der Anhaltung sei er ohne Pause 6 Stunden unterwegs gewesen.

Der Lenker habe angegeben, er habe eine Flasche Mineralwasser aus der Ablage entnehmen wollen und sei deshalb von der Fahrbahn abgekommen.

Die Manipulation mit den Tachoscheiben habe er vorgenommen, weil er um 10,00 Uhr in Wien sein hätte sollen. Der Anzeige waren beide Tachoscheiben in Kopie angeschlossen. Die Originale waren als Beilage zur Anzeige wegen Verdacht nach § 293 Abs 1 StGB dem Gericht vorgelegt worden.

 

Der Angezeigte wurde von der Bezirkshauptmannschaft X (BH X) mit einem im ordentlichen Verfahren ergangenen Straferkenntnis wegen der Übertretung nach § 20 Abs 1 StVO und § 15 Abs 3 EG-VO 3821/85 mit je einer Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) bestraft.

Der Spruch des Bescheides ? soweit er sich auf § 44a Z 1 VStG bezieht ? lautet:

?Sie haben als Fahrzeuglenker folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit: 21.05.2001, 08,00 Uhr

Ort: A* ****autobahn, Gemeindegebiet M***, Strkm **,***, Fahrtrichtung W***

Fahrzeug: Sattelzug, **-*****/ **-***** (D)

Tatbeschreibung:

1.

Die Fahrgeschwindigkeit nicht den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen sowie den Eigenschaften des Fahrzeuges angepasst, da Sie mit den rechten Rädern von der Fahrbahn abkamen.

2.

Sie haben die Lenkzeit nicht nach 4,5 Stunden unterbrochen, da sie bereits seit ca 6 Stunden ohne Pause unterwegs waren.?

 

Dagegen richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung:

Der Rechtsmittelwerber rügt, die Behörde habe die von ihm eingehaltene Geschwindigkeit nicht ziffernmäßíg festgestellt. Das kurze Abkommen von der Fahrbahn rechtfertige nicht die Subsumption unter § 20 Abs 1 StVO.

Und den Tatbestand nach Art 15 Abs 3 EG-VO 3821/85 habe er überhaupt nicht erfüllt.

 

Die BH X hat den Verwaltungsstrafakt dem UVS NÖ zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

 

Dieser hat durch Anfrage bei der Staatsanwaltschaft S**** ermittelt, dass auf Grund der Strafanzeige ein Strafverfahren zur GZ ** BAZ ***/*** wegen § 293 Abs 1 StGB gemäß § 90c Abs 1 StPO nach Bezahlung eines Geldbetrages von S 5000,-- unterblieben ist. Die Auswertung der Original-Tachoscheibe hat ergeben, dass die Fahrgeschwindigkeit auf Höhe km **,* nicht feststellbar ist. Die Lenkzeiten auf den Tachoscheiben haben 4 Stunden 24 Minuten und 1 Stunde 32 Minuten, zusammen 5 Stunden 56 Minuten, ergeben. Der Scheibentausch war demnach um 06,35 Uhr während der Fahrt mit ca 80 km/h.

 

Es hat der UVS erwogen

 

Zu Spruchpunkt 1:

Der Meldungsleger hat den Grund für das Abkommen des Lenkers von der Fahrbahn ? offenbar unter Berücksichtigung der Rechtfertigung des Beschuldigten ? mit ?Unachtsamkeit? angegeben. Jedenfalls hat ein Fahrfehler vorgelegen, den der Lenker nach einer kurzen Fahrt auf dem Grünstreifen korrigiert hat.

Ein allfälliger Fahrfehler lässt nach der Judikatur des VwGH (vgl Erk vom 27.11.1979, Zl 2416/79 ? Manz, StVO, 10 Aufl E 97 zu § 20 Abs 1 StVO, S 498) nicht schon zwingend darauf schließen dass der betreffende Lenker mit Rücksicht auf sein Fahrkönnen, auf seine körperliche und geistige Verfassung bzw mit Rücksicht auf seine Reaktionsfähigkeit mit einer in Hinblick auf § 20 Abs 1 StVO überhöhten, d h mit einer den gegebenen Umständen nicht angepassten Geschwindigkeit gefahren sei.

Und zur Beurteilung der Frage, ob ein Lenker eine i S d § 20 Abs 1 StVO unzulässige Geschwindigkeit eingehalten hat, muss diese Geschwindigkeit ziffernmäßig festgestellt und in den Spruch des Straferkenntnisses aufgenommen werden. Es genügt nicht, als erweisen anzunehmen, der Lenker habe ein in Bezug auf die gegebenen Straßen- und Sichtverhältnisse überhöhte Geschwindigkeit eingehalten (vgl VwGH-Erk vom 27.2.1970, Zl 1470/69 ? Manz, StVO, 10 Aufl E 18 zu § 20 Abs 1 StVO, S 488).

Die erforderlichen Feststellungen dazu waren auch nach Auswertung der Original-Tachoscheibe nicht möglich. Der Bescheid war daher in diesem Punkte zu beheben und das Verfahren diesbezüglich einzustellen.

 

Zu Spruchpunkt 2:

Der Lenker hat eingestandenermaßen zwei Tachoscheiben verwendet und zwar, um die Verwaltungsbehörde über die tatsächliche Lenkzeit zu täuschen. Diese Vorgangsweise hat bereits einen wesentlichen Gesichtspunkt des vom Gericht im Strafverfahren nach § 293 Abs 1 StGB geprüften Sachverhalts dargestellt.

Mit Rücksicht auf die Judikatur des VfGH zu Art 4 Abs 1 des 7 ZPEMRK gelangt der UVS NÖ zur Auffassung dass der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat vom Strafgericht erschöpfend geprüft worden ist und ein weitergehendes Strafbedürfnis der Verwaltungsstrafbehörde nicht gegeben ist.

Der Bescheid war daher in diesem Punkt zu beheben und das Verfahren diesbezüglich einzustellen.

Zuletzt aktualisiert am
07.07.2008
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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