Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch das Mitglied Dr. Karl Trenkwalder über die Berufung des Herrn H.W.G., wohnhaft in D-München, vertreten durch Knoflach ? Söllner ? Krokker, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 25.02.2002, Zahl VK-4931-2001, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber eine Geldstrafe von Euro 109,00 auferlegt, weil er am 20.05.2001 um 09.25 Uhr in Reith b.S. auf der B 177 bei km 6,6 in Richtung Seefeld mit dem PKW, M-xxx als dessen Lenker bei ungenügender Sicht/auf einer unübersichtlichen Straßenstelle, verbotenerweise ein mehrspuriges Fahrzeug überholt hat.
Dagegen wurde rechtzeitig die Berufung eingebracht.
Nach § 16 Abs 2 lit b StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen, zB vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen; es darf jedoch überholt werden, wenn die Fahrbahn durch eine Sperrlinie geteilt ist und diese Linie vom überholenden Fahrzeug nicht überragt wird.
Nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens der Erstbehörde hat der Überholvorgang des Berufungswerbers etwa bei km 6,6 begonnen und konnte erst "im Bereich dieser Kurve abgeschlossen werden". Nach dem Bericht des Meldungslegers vom 06.11.2001 war die Sicht für ein gefahrloses Überholen keinesfalls gegeben, bei einem etwaigen Gegenverkehr wäre ein Unfall kaum zu vermeiden gewesen.
Eine fernmündliche Kontaktaufnahme mit dem Meldungsleger ergab, dass eine weitere Präzisierung des Beginnes der Überholstrecke und deren Ende nicht möglich war.
Ob eine "unübersichtliche Straßenstelle" vorliegt, ist von der Stelle aus zu beurteilen, wo das Überholmanöver begonnen wird. Ist der überholende Lenker in der Lage, das Straßenstück bei Beginn des Überholmanövers zur Gänze zu überblicken, das er für diese Maßnahme einschließlich des ordnungsgemäßen Wiedereinordnens seines Fahrzeuges auf dem rechten Fahrbahnrand benötigt, so kann von einer unübersichtlichen Straßenstelle nicht gesprochen werden (so etwa VwGH 05.04.1989, ZfVB 1990/1/168).
Auf den gegenständlichen Fall angewendet bedeutet dies, dass die Fahrgeschwindigkeit des überholten Omnibusses sowie die Fahrtgeschwindigkeit des überholenden Fahrzeuges nicht bekannt waren. Die Aussage des Meldungslegers in dem bereits erwähnten schriftlichen Bericht, dass nämlich der Überholvorgang erst im Bereich der Kurve abgeschlossen werden konnte, legt nahe, dass das Überholmanöver innerhalb der zu Beginn des Überholmanövers vorhandenen Sichtstrecke abgeschlossen werden konnte und daher eine unübersichtliche Straßenstelle im Sinne der Bestimmung des § 16 Abs 2 lit b StVO nicht vorlag.
Die Aussage des Meldungslegers, dass der Überholvorgang erst im Bereich dieser Kurve abgeschlossen werden konnte, lässt allerdings erkennen, dass der Berufungswerber eine Übertretung im Sinne der Bestimmung des § 16 Abs 1 lit c StVO begangen hat ("Der Lenker eines Fahrzeuges darf nicht überholen: wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.") Eine derartige Übertretung ist dem Berufungswerber jedoch innerhalb der Frist des § 31 Abs 2 VStG nicht angelastet worden. Hinsichtlich der ihm angelasteten Übertretung war ? wie bereits ausgeführt ? nicht mit der für eine Bestrafung ausreichenden Sicherheit erwiesen, dass der Berufungswerber "auf einer unübersichtlichen Straßenstelle" überholt hat, sodass im Zweifel mit einer Einstellung vorzugehen war.