TE UVS Steiermark 2003/06/04 30.18-13/2002

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.06.2003
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Harald Ortner über die Berufung des Herrn Ing. C G, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W T, g, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 19.11.2002, Zl.: III/S-33.077/02, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung hinsichtlich der Punkte 1.),

2.) und 4.) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Umfange behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er sei am 25.7.2002 um 16.20 Uhr in G, K - S W, als Lenker des Kraftfahrzeuges (Motorrad)

1. mit dem Motorrad nicht soweit rechts gefahren, wie es unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer und ohne Beschädigung von Sachen möglich war, 2. habe beim Vorbeifahren an einem Fahrzeug andere Straßenbenützer behindert, 3. die auf der Fahrbahn angebrachte Sperrlinie überfahren, und 4. trotz Rotlichtes der Verkehrssignalanlage nicht an der Haltelinie angehalten, sondern sei weitergefahren, obwohl ein sicheres Anhalten möglich gewesen wäre. Der Berufungswerber habe dadurch die Rechtsvorschriften im Punkt 1.) des § 7 Abs 1 StVO, im Punkt 2.) des § 17 Abs 1 StVO, im Punkt 3.) des § 9 Abs 1 StVO und im Punkt 4.) des § 38 Abs 5 iVm § 38 Abs 1 lit a StVO verletzt und wurden wegen dieser Verwaltungsübertretungen von der Erstbehörde Geldstrafen in der Höhe von jeweils ? 73,-- (im Uneinbringlichkeitsfall jeweils 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO verhängt. In der rechtzeitig eingebrachten Berufung gegen dieses Straferkenntnis bringt der Berufungswerber vor, dass einerseits das durchgeführte Verfahren der Behörde erster Instanz mangelhaft gewesen wäre und andererseits der zu Grunde liegende Sachverhalt nicht richtig beurteilt worden sei. Er sei berechtigt gewesen, an der stehenden Kolonne vorbeizufahren und habe dabei auch nicht die Sperrlinie überfahren. Dabei sei auch der erforderliche Sicherheitsabstand eingehalten worden. Der Vorwurf, die Ampel bei Rotlicht befahren zu haben, sei schon deshalb unhaltbar, da sich der Verkehrsunfall bereits vor dem Erreichen der Ampel ereignete und der Berufungswerber sohin die Haltelinie, an welcher er nach Auffassung der Behörde anhalten hätte müssen, aufgrund des Sturzes nie erreichte. Der Berufungswerber habe daher keine der ihn zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen begangen, das Verschulden am gegenständlichen Unfall treffe nur die Lenkerin des sich vom ruhenden in den fließenden Verkehr einordneten PKWs, zumal dieser den Vorrang verletzt habe. Es werde daher der Antrag gestellt, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Vor Beginn der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2003 zog der Berufungswerber seine Berufung hinsichtlich des Punktes

3.) des angefochtenen Straferkenntnisses zurück, da im strafgerichtlichen Verfahren gemäß § 88 Abs 1 StGB durch ein Sachverständigengutachten festgestellt wurde, dass die Sperrlinie vom Berufungswerber zumindest geringfügig überschritten wurde. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark ist bei seiner Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen: Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine ? 2.000,--übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Gemäß § 51e Abs 2 VStG ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben oder der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist, eine öffentliche, mündliche Verhandlung anzuberaumen, zu welcher die Parteien und eventuell Sachverständige und Zeugen zu laden sind. Diese hat am 9.4.2003 unter Teilnahme des Berufungswerbers, seines Rechtsvertreters sowie der Zeugen B R und M K stattgefunden. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens wird folgender Sachverhalt festgestellt:

Am 25.7.2002 um ca. 16.20 Uhr fuhr der Berufungswerber mit seinem Motorrad in der K in G stadteinwärts. Vor der Kreuzung K - S W bildete sich eine Kolonne, da die Ampel für die Fahrzeuge, die die K befuhren, auf Rot zeigte. Die Fahrbahn in diesem Bereich ist einspurig, ca. 3 m breit und weist eine Sperrlinie auf. Ca. 20 Fahrzeuglängen vor der Firmenausfahrt K, welche sich vor der Verkehrsampel befindet, begann der Berufungswerber an der stehenden Kolonne links vorbeizufahren. Er hielt dabei einen Seitenabstand von mindestens 30-40 cm ein. Gegenverkehr war zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben. Zur gleichen Zeit wollte die Zeugin B R von der Firmenausfahrt des Hauses K nach links in die K einbiegen. Da sich im Bereich der Ausfahrt eine stehende Kolonne befand war dies zuerst nicht möglich. In weiterer Folge haben die beiden PKW-Lenker, welche unmittelbar vor der Ausfahrt standen, durch Vor- bzw. Zurückfahren eine Lücke freigemacht. Die Zeugin R fuhr dann langsam in die K ein und hat auf beide Seiten geschaut, jedoch vorwiegend nach rechts, da von dieser Seite eher anzunehmen war, dass ein Fahrzeug aus den Querstraßen einbiegt. Sie übersah dabei den Berufungswerber, der gerade dabei war, links an der stehenden Kolonne vorbeizufahren. Bei diesem Manöver hat der Berufungswerber die Sperrlinie zumindest geringfügig überschritten. In weiterer Folge kam es zwischen dem Berufungswerber und der Zeugin R zu einem Unfall, bei dem das Motorrad des Berufungswerbers und der PKW der Zeugin R leicht beschädigt wurden. Der Berufungswerber hat sich dabei leicht verletzt. Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die Aussagen des Berufungswerbers und der einvernommenen Zeugen und sind im Wesentlichen unbestritten. Rechtliche Beurteilung: Zu Punkt 1.) und 2.) des angefochtenen Straferkenntnisses: Gemäß § 7 Abs 1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt, soweit rechts zu fahren, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist. Gleise von Schienenfahrzeugen, die an beiden Rändern der Fahrbahn liegen, dürfen jedoch nicht in Längsrichtung befahren werden, wenn der übrige Teil der Fahrbahn genügend Platz bietet. Nach § 17 Abs 1 StVO ist das Vorbeifahren nur gestattet, wenn dadurch andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende weder gefährdet noch behindert werden. Für die Anzeige des Vorhabens des Vorbeifahrens, die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes und das Vorbeifahren an Schienenfahrzeugen gelten die beim Überholen zu beachtenden Vorschriften (§ 15). An einem entsprechend eingeordneten Fahrzeug, dessen Lenker die Absicht nach links einzubiegen anzeigt (§ 13 Abs 2) ist rechts vorbeizufahren. Unter Vorbeifahren ist nach § 2 Abs 1 Z 30 StVO das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einer sich auf der Fahrbahn befindlichen, sich nicht fortbewegenden Person oder Sache, insbesondere an einem anhaltenden, haltenden oder parkenden Fahrzeug zu verstehen. Unbestritten ist, dass sich der Berufungswerber mit seinem Motorrad an einer (wegen Rotlicht gebildeten) Kolonne von anhaltenden Fahrzeugen links unter zumindest geringfügiger Überschreitung der Sperrlinie vorbeibewegt hat.

Bezieht sich ein derartiges Vorbeibewegen auf eine unter § 2 Abs 1 Z 30 StVO fallende Sache (im gegenständlichen Fall waren dies mehrere anhaltende Fahrzeuge), so liegt keine Verletzung der Verwaltungsvorschriften des § 7 Abs 1 StVO vor (VwGH vom 29.6.1983, Zl.: 82/03/0124, 22.2.2002, Zl.: 99/02/0311). Es bleibt somit zu prüfen, ob durch das Vorbeifahren im Sinne des § 17 Abs 1 StVO andere Straßenbenützer behindert oder gefährdet wurden.

Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat diesbezüglich ergeben, dass zum Unfallszeitpunkt kein Gegenverkehr gegeben war und somit auch kein entgegenkommendes Fahrzeug gefährdet oder behindert werden konnte. Unter den anderen Straßenbenützern im Sinne des § 17 Abs 1 StVO, die durch die Vorbeifahrt nicht behindert werden dürfen, sind nicht solche zu verstehen, die aufgrund einer Vorrangsbestimmung gegenüber den Vorbeifahrenden wartepflichtig sind. Diese haben keinen Anspruch auf Nichtbehinderung (OGH 19.11.1981, 80b226/81; ZVR 1982/228; u.a.). Dies gilt auch dann, wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer gegenüber dem Querverkehr auf seinen Vorrang verzichtet hat (OGH 30.5.1972, 8OP101/72; ZVR 1973/80; u.a.). Der Berufungswerber hat somit weder eine Übertretung des § 7 Abs 1 StVO noch eine Übertretung des § 17 Abs 1 StVO zu verantworten.

Zu Spruchpunkt 4.) des angefochtenen Straferkenntnisses:

Gemäß § 38 Abs 5 StVO gilt rotes Licht als Zeichen für Halt. Bei diesem Zeichen haben die Lenker von Fahrzeugen unbeschadet der Bestimmungen des Abs 7 und des § 53 Z 10 a StVO an dem im Abs 1 bezeichneten Stellen anzuhalten. Gemäß § 38 Abs 1 lit a StVO ist bei Vorhandensein einer Haltelinie vor der Haltelinie anzuhalten. Im gegenständlichen Fall befand sich der Unfallpunkt mehrere Fahrzeuglängen vor der Haltelinie der auf Rot geschalteten Ampel. Eine Übertretung dieser Vorschrift war daher im gegenständlichen Fall nicht denkbar.

Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet. Gemäß § 45 Abs 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Weiter sind gemäß § 25 Abs 2 VStG die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen, wie die belastenden.

Aufgrund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens war daher der Berufung in den Punkten 1.), 2.) und 4.) des angefochtenen Straferkenntnisses Folge zu geben, das Straferkenntnis in diesem Umfange zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

Schlagworte
vorbeifahren einordnen fließender Verkehr Vorrangverletzung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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