Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Klaus Dollenz über die Berufung des Herrn R. Sch., vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Hans H., 6020 Innsbruck, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 02.01.2003, Zl VK-16439-2002, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm den §§ 24 und 51e VStG wird der Berufung insoferne Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von Euro 72,-- auf Euro 45,-- (Ersatzarrest 15 Stunden) herabgesetzt wird.
Der Spruch des Straferkenntnis wird insoferne geändert, als es statt ?die Schaublätter der laufenden Woche? ?das Schaublatt der laufenden Woche vom 04.08. bis 05.08., 18.00 Uhr? zu lauten hat. Im Übrigen bleibe der Spruch des Straferkenntnisses unverändert.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG werden die Verfahrenskosten erster Instanz mit Euro 4,50 neu festgesetzt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe als Lenker des angeführten Kraftfahrzeuges, welches der Güterbeförderung dient und dessen höchstzulässiges
Gesamtgewicht 3,5 t übersteigt, folgende Übertretung begangen:
Es wurde festgestellt, dass er die Schaublätter der laufenden Woche dem Kontrollorgan auf dessen Verlangen nicht vorgelegt habe.
Tatzeit: 06.08.2002 um 11.10 Uhr
Tatort: Kramsach A12, km 27,30 in Richtung Kufstein
Fahrzeug: Sattelzugfahrzeug M RXXXX
Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 102 Abs 1 KFG iVm Art 15 Abs 7 EG-Verordnung 3821/85 verletzt und wurde über ihn gemäß § 134 Abs 1 KFG eine Geldstrafe von Euro 72,-- (Ersatzarrest 24 Stunden) verhängt.
Das Straferkenntnis wurde dem Rechtsvertreter am 08.01.2003 zugestellt.
Innerhalb offener Frist wurde eine Berufung erhoben. In dieser wird Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.
Mit Schriftsatz vom 22.11.2002 habe der Beschuldigte seine Einvernahme im Rechtshilfeweg beantragt. Die Erstbehörde habe den Beschuldigten nicht einvernommen, das Verfahren sei in diesem Punkt mangelhaft geblieben. Die Mangelhaftigkeit sei dazu geeignet, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Strafsache zu hindern.
Der Beschuldigte habe bereits in seiner Stellungnahme angeführt, dass die Carabinieri ihm in der Toskana die Schaublätter des Sattelzugfahrzeuges entnommen und nicht wieder ausgefolgt haben. Die Carabinieri vermeinten mit den Schaublättern eine überhöhte Geschwindigkeit des Beschuldigten beweisen zu können. Eine überhöhte Geschwindigkeit sei aber dem Beschuldigten in Italien nicht vorzuwerfen. Trotz des Hinweises, dass der Beschuldigte eine Bestätigung über die Entnahme der Schaublätter benötigte, sei eine diesbezügliche Bestätigung nicht ausgestellt worden. Anlässlich der Überprüfung am 06.08.2002 habe der Beschuldigte daher die Schaublätter nicht vorlegen können. Nur nebenbei sei erwähnt, dass die Carabinieri in einem anderen Fall auch schon gesetzwidrig Schaublätter zerrissen haben. Eine Handhabe gegen die Vorgangsweise der Carabiniere gebe es nicht. Schließlich sei der Beschuldigte froh, dass er weiterfahren durfte.
Die Darlegungen des Beschuldigten seien von der Erstbehörde mit dem Hinweis abgetan worden, dass es sich um eine reine Schutzbehauptung handle und es dem Beschuldigten frei stehe, jederzeit vor der Behörde die für ihn günstige Darstellung der Tat sanktionslos wiederzugeben.
Im Klartext hieße dies, dass der Beschuldigte jederzeit sanktionslos lügen könne. Das verurteile Erkenntnis stütze die Erstbehörde auf die Angabe des Meldungslegers, der unter Diensteid stehe und zur Wahrheit verpflichtet sei.
Aus dem Akt ergebe sich, dass der Beschuldigte unbescholten ist. Es sei daher keineswegs einzusehen, dass dem Beschuldigten die Glaubwürdigkeit abgesprochen werde. In einem geordneten Verwaltungsstrafverfahren sei daher auch Bedacht zu nehmen, welcher Grund der Glaubwürdigkeit der Verantwortung des Beschuldigten beizumessen sei. Die Verantwortung des Beschuldigten, dass ihm die Carabiniere in der Toskana die Schaublätter entnommen haben, sei durchaus glaubwürdig, zumal dies in anderen Fällen auch bereits geschehen sei. Es hätte daher die Erstbehörde der Verantwortung des Beschuldigten Glauben schenken und das Verfahren einstellen müssen.
Selbst wenn man aber annehme, dass es sich bei der Version des Beschuldigten um eine Schutzbehauptung handle, sei die Strafe zu hoch ausgefallen. Der Beschuldigte sei bislang unbescholten, sodass ihm die Rechtswohltat der außerordentlichen Strafmilderung zugute komme. Die Milderungsgründe überwiegen die Erschwerungsgründe beträchtlich und bestehe begründete Aussicht, dass der Beschuldigte auch bei Verhängung einer, das gesetzliche Mindestmaß unterschreitende, Geldstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Es reiche in diesem besonderen Fall auch eine Ermahnung aus.
Es wird daher der Berufungsantrag gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol möge das angefochtene Straferkenntnis aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschuldigten einstellen bzw eine Ermahnung bzw eine schuld- und tatangemessene niedere Geldstrafe aussprechen.
Gleichzeitig werde der Antrag gestellt, den Beschuldigten im Rechtshilfeweg einzuvernehmen.
Aus dem vorgelegten Akt ergibt sich, dass von der Verkehrsabteilung Tirol eine Anzeige erstattet wurde, wonach Insp. Bruno H. im Zuge einer Lenkerkontrolle am 06.08.2002 um 11.10 Uhr feststellen konnte, dass der Berufungswerber mit dem Sattelzugfahrzeug mit dem Kennzeichen M RSXXXX auf der A12 bei km 27,300 in Richtung Kufstein unterwegs war. Er wurde aufgefordert, die Schaublätter der laufenden Woche vorzulegen. Vom Berufungswerber wurde das Schaublatt vom 04.08. bis 05.08. nicht vorgelegt, wobei er angab, dass er am 05.08.2002 gegen 17.30 Uhr auf einer Landstraße bei der Ortsausfahrt von einem Polizisten angehalten und wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung beanstandet wurde. Dieser habe die Tachoscheibe einbehalten. Eine Bestätigung habe er nicht bekommen. Als Strafe habe er zwei Flaschen Wein geben müssen, dies sei dort so Sitte. Dies sei auch der Grund, warum er das Schaublatt nicht vorweisen könne.
Diese Verantwortung bei der Anhaltung wurde im Verfahren vor der Erstbehörde aufrecht erhalten.
Bei der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs 1 VStG. Nach dieser Gesetzesstelle ist Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Nach § 134 Abs 1 KFG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 2.180,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer diesem Bundesgesetz, den aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, dem Art 5 bis 9 der Verordnung EWG Nr 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl. Nr L370 vom 31.12.1985, S1, sowie der Verordnung EWG Nr 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr, ABl. L370 vom 31.12.1985, S8, geändert durch Verordnung EWG Nr 3527/90, ABl. L535 vom 17.12.1990, S12, zuwider handelt.
Gemäß Abs 1a des vorgenannte Paragrafen sind Übertretungen der Art 5 bis 9 der Verordnung EWG Nr 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl. L370 vom 31.12.1985, sowie der Verordnung EWG Nr 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr, ABl. L370 vom 31.12.1985, S8, geändert durch Verordnung EWG Nr 3527/90, ABl. L535 vom 17.12.1990, S12, auch dann als Verwaltungsübertretung strafbar, wenn die Übertretung nicht im Inland, sondern auf einer Fahrstrecke innerhalb des Geltungsbereiches dieser Bestimmung begangen worden ist. Als Ort der Übertretung gilt in diesem Fall der Ort der Betretung im Inland, bei der die Übertretung festgestellt worden ist. Von der Bestrafung ist jedoch abzusehen, wenn die Übertretung im Bundesgebiet nicht mehr andauert und der Lenker nachweist, dass er wegen dieses Deliktes bereits im Ausland bestraft worden ist.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes befreit der Grundsatz der Amtswegigkeit die Partei nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen, wobei die Erklärung des Beschuldigten im Strafverfahren, die ihm vorgehaltenen konkreten Erhebungsergebnisse seien unrichtig, nicht ausreicht, wenn diesen nicht ebenso konkrete Behauptungen entgegen gesetzt und entsprechende Beweise angeboten werden. Fehlt es an einem solchen konkreten Vorbringen, so liegt kein Verfahrensmangel vor, wenn die Behörde von Amtswegen keine weiteren Beweiserhebungen durchführt. Auf unbestimmt und allgemein gehaltene Einwendungen des Beschuldigten braucht nicht eingegangen zu werden.
Im Gegenstandsfall wurde vom Berufungswerber behauptet, dass er die Tachoscheibe vom 04. auf den 05.08. deshalb nicht vorweisen könne, da Carabiniere in der Toskana wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung die Tachoscheibe einbehalten und er eine Bestätigung nicht bekommen habe. Als Strafe habe er zwei Flaschen Wein geben müssen, weil dies dort so Sitte sei.
Wo genau dieser Vorfall sich ereignet haben soll, wird vom Berufungswerber nicht angegeben, welche Maßnahmen er deswegen getroffen habe, wird von ihm ebenfalls nicht ausgeführt und ist er auch jeden Beweis für das Vorliegen der Sitte, zwei Flaschen Wein als Buße für eine Geschwindigkeitsüberschreitung zu bezahlen, schuldig geblieben. Der Berufungswerber ist seiner Verpflichtung der Glaubhaftmachung durch konkrete Behauptungen und Anbieten von entsprechenden Beweisen nicht nachgekommen, sodass der Ansicht der Erstbehörde, dass es sich dabei um eine ?Schutzbehauptung? handelt, nicht entgegen getreten werden kann. Vom Berufungswerber wird eine äußerst unglaubwürdige Geschichte erzählt, die durch nichts objektiviert ist.
Der von der Erstbehörde erhobene Schuldvorwurf ist daher berechtigt.
Im Hinblick darauf, dass vom Berufungswerber nur ein Schaublatt nicht vorgewiesen wurde, er nach Aktenlage unbescholten ist, ist die Verhängung einer Geldstrafe von Euro 45,-- gerechtfertigt. Eine weitere Herabsetzung kommt nicht in Betracht, sodass spruchgemäß zu entscheiden ist.