TE UVS Niederösterreich 2003/06/16 Senat-KS-03-0006

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.06.2003
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 in Verbindung mit §36 Abs2 AVG, BGBl Nr 51/1991 in der derzeit geltenden Fassung, mit der Maßgabe teilweise stattgegeben, dass 1 die Spruchpunkt 1 und 3 aufgehoben werden und

2 bei dem Eingabezitat zu Spruchpunkt 2 vor der Wortfolge ?gerichteten schriftlichen Eingabe” die Wendung ?an den Bürgermeister der Stadt X (betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes)” eingefügt und die zu Spruchpunkt 2 verhängte Ordnungsstrafe von ? 300,-- auf ? 70,-- herabgesetzt wird.

 

Gemäß §59 Abs2 AVG hat der Berufungswerber den Strafbetrag (? 70,--) innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.

Text

Der Magistrat der Stadt X (im Folgenden: belangte Behörde) verhängte über den Berufungswerber mit Bescheid vom 16.6.2003, Zl MA I/3-Fr-*****/03, drei Ordnungsstrafen in der Höhe von je ? 300,--.

 

Wie der Bescheidbegründung zu entnehmen ist, ging die belangte Behörde von der Annahme aus, dass die Behörde ?eine Ordnungsstrafe bis Euro 1.000,00” verhängen kann.

 

Spruchpunkt 1

betrifft eine für eine rumänische Staatsangehörige eingebrachte ?Berufung gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt X vom 06.05.2003 zur Zahl I/3-Fr-*****/03 wegen:

1.)

Schubhaft (gemäß §61 FRG)

2.)

Aufenthaltsverbot (§36/1 FRG)”.

 

Unter Spruchpunkt 2

wird dem Einschreiter vorgeworfen, sich in einem an den Bürgermeister der Stadt X gerichteten E-Mail vom 26.5.2003, worin u. a. die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes verlangt wird (?Ich denke, dass das Aufenthaltsverbot zu erlassen Unrecht war und ich würde dem Herrn S****** anraten, dieses sofort rückgängig zu machen.” ? Anm: Herr S****** ist Leiter der Fremdenpolizei der belangten Behörde), durch die Verwendung der Worte:

 

?Ich denke, dass das Aufenthaltsverbot zu erlassen Unrecht war und ich würde dem Herrn S****** anraten, dieses sofort rückgängig zu machen. Offensichtlich ist er sich nicht bewusst, dass es ihm nur schadet, wenn er unwahre Sachen sowohl der Sicherheitsdion, als auch dem UVS gibt” ?C****** kann perfekt Englisch, was man ihr unterschreiben ließ ist vermutlich alles getürkt”

 

einer beleidigenden Schreibweise bedient und dadurch den im Schriftverkehr mit Behörden und öffentlichen Organen gebotenen und von jedermann zu wahrenden Anstand verletzt zu haben.

 

Unter Spruchpunkt 3

wird dem Einschreiter schließlich angelastet, sich in einem an den Bürgermeister der Stadt X gerichteten E-Mail vom 27.5.2003, dem ein ?Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes gem §44 FRG” angeschlossen ist, durch die Verwendung der Worte:

 

?Angedacht wird, dass das Vorhaben vielleicht lange von den Kremser Behörden geplant war, sie benötigen auch Erfolgserlebnisse”, ?Wenn Österreich Rumänische Gesetze hätte, wären 2 Millionen Österreicher eingesperrt, vor allem Politiker und Beamte (ist nur subjektiv zu sehen)”

 

einer beleidigenden Schreibweise bedient und dadurch den im Schriftverkehr mit Behörden und öffentlichen Organen gebotenen und von jedermann zu wahrenden Anstand verletzt zu haben.

 

Der Bestrafte hat gegen den Bescheid rechtzeitig wie folgt berufen:

 

?Gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Krems/Donau v16.06.2003 (Bearbeiter Hr S******) zur GZ: MA I/3-Fr-*****/03 zugestellt am 18.06.2003 wird innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der

 

Berufung

 

Erhoben und im folgenden begründet:

 

Punkt 1)

 

Mittels gleichlautender Bescheide des Magistrates der Stadt X zu GZ I/3-Fr-*****/03 vom 06.05.2003 .(Bearbeiter Hr S******) wurde gegen Fr. D*** C******, geboren am 28.10.19**, rum Staatsbürgerin, also noch minderjährig, aus absolut nicht nachvollziehbaren und somit nichtigen und menschenrechtsverletzenden Gründen sowohl Schubhaft, als auch das Aufenthaltsverbot verhängt.

 

Fr. D*** C****** war vollkommen legal im österreichischen Bundesgebiet, war nie auffällig, und noch dazu im 3. Monat schwanger. In der angeordneten Schubhaft bekam sie von den Beamten keinerlei Nahrungsmittel, sie wurde von den Organen wie ein Schwein behandelt.

 

Interessant ist auch, dass Hr S****** gerade an dem Tag die Bescheide erließ, als sein direkter Vorgesetzter und Jurist nicht im Hause war.

 

Mittels Eingabe vom 13.05.2003 versuchte ich die ganze Angelegenheit in das richtige Licht zu rücken.

 

Es ist Tatsache, und zu diesem Thema verfolgt auch die Fachabteilung Fremdenpolizei und Grenzkontrollwesen zur GZ ******/1-KBM/03 das BMI, dass das Schengener Abkommen leider nur ein Stück Papier ist.

 

Die Grenzbehörden, egal ob in der Eisenbahn oder der Straße kontrollieren nur stichprobenweise die Einreisenden, hier ist dem illegalen Grenzübertritt Tür und Tor geöffnet.

 

Freilich wird die ganze Sache anders, wenn sie z.B. einen Meldezettel benötigen, denn dann benötigen sie den Österreichischen Einreisestempel, den es vielfach nicht gibt. Ich spreche hier aus langjähriger Erfahrung. Erst vor wenigen Tagen wurde versucht an der Österreichischen Grenze in Hegeshalom einen Stempel zu bekommen; Zitat: Keine Zeit, fahrens weiter, sonst gibt?s Probleme; das Gemurmel war wieder einmal das Götz Zitat. Zitat Ende.

 

Tatsache ist auch, dass viele Beamte, um versprochene entsprechende Beförderungen erreichen zu können, entweder aus politischen Motiven bzw. unter dem Druck der vorgesetzten Behörde als Kanonenfutter verwendet werden und es hiebei zu zahlreichen, vielleicht auch nicht bewussten Übergriffen kommt.

 

Der Punkt Schwarzarbeit und nicht Nachbarschaftshilfe ist beweisbar, da Hr S****** diese beiden Herren auch vor ca 3 Wochen wieder eingesetzt hat.

 

Über Pfusch spricht man, wenn man eine gewisse Stellung hat, sowieso nicht.

 

Punkt 2)

 

Wo soll eine beleidigende Schreibweise vorliegen, wenn ich den Herrn S****** bereits sage, dass es sinnlos ist, unwahre Tatsachen weiterzugeben, da er wissen muss, dass die Angelegenheit weiterverfolgt wird.

 

Zu Punkt 3)

 

Dass die Behörden ein gewisses Erfolgsmuster nachweisen müssen ist vollkommen klar.

 

Wenn Hr S****** die wirklich strengen Gesetze und Tunlichkeiten in Rumänien kennen würde, würde er auch verstehen, dass angewandte rum. Gesetze auf Österreich in ein Disaster führen wurden. (Aber ich habe die Sachen nur beim Namen genannt und diese sind für mich subjektiv behandelt worden.)

 

Es liegt daher in keinem der Punkte eine beleidigende Schreibweise vor, im Gegenteil, ich habe nur versucht aufzuzeigen, wo es Verbesserungen geben kann. Denn so kanns nicht weitergehen.

 

Es ist nicht Sache eines einzelnen Beamten, Bescheide auszustellen und gleich auch die Berufungen selbst zu beantworten; dies gibt?s im ganzen AVG nicht, nicht einmal im Strafrecht. Auch im AVG gibt es einen Instanzenzug.

 

Hr S******, der übrigens nicht nur im Amt, sondern von allen gemieden wird, versucht als Gemeinderat und Politiker eben Erfolgserlebnisse.

 

Ich habe weder eine Amtshandlung gestört, noch bin ich ermahnt worden (wie auch?).

 

Ich habe lediglich sachliche Kritik am Vorgehen in der Sache geübt und keine Behauptungen aufgestellt. Vielmehr wäre es von Not, zumindest die letzten Monate von Herrn S******s Entscheidungen (ausgenommen die wirklich schweren Fälle) zu durchleuchten. Er hat es sicher nicht leicht, aber ich denke, dass er differenzieren müsste.

 

Die verhängte Ordnungsstrafe ist alleine schon aus dem Grund, dass hier kein einzig beleidigendes Wort gefallen ist und nur die Realität sachlich dargestellt wurde, mutwillig verhängt worden. Hier dürfte es sich doch wirklich um psychische Defizitte des Beamten/Politikers S****** handeln, der offensichtlich wirklich an Realitätsverlust leidet.

 

Das bitte ist Amtsmissbrauch wenn ich über die eigens ausgefertigten und ergangenen Bescheide dann auch noch selbst entscheide.

 

Interessant ist auch, dass der Hr Bürgermeister der Stadt Krems die ganze Angelegenheit zur strafrechtlichen Beurteilung an die Staatsanwaltschaft Krems weitergeleitet hat.

 

Darum kommen jetzt vermutlich die Reprssalien. Das ist weiterer Amtsmissbrauch.

 

Ich ersuche daher den UVS beim Land Niederösterreich, den von Herrn S****** mutwillig ergangenen Bescheid wegen sachlicher als auch rechtlicher Unrichtigkeit

 

Vollinhaltlich aufzuheben

 

Den Beamten abzumahnen bzw. ihm eine Mutwillensstrafe aufzuerlegen, welche einem gemeinnützigen Verein zur Verfügung gestellt wird.

 

Es zeigt das persönliche Profil des Herrn S******, dass er sachliche Kritik nicht imstande ist zu verarbeiten, hier wäre eine personelle Entscheidung des Bürgermeisters dringend notwendig, da ich nicht alleine mit meiner Meinung bin.

 

Hr S****** hat durch die Missachtung von Gesetzen und durch seine eigenen Rechtsansichten schon vielen Familien und Einzelpersonen geschadet.

 

Ich kann nur der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass hier endlich einmal eine Sache bereinigt wird.”

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Die Berufungsbehörde hat gemäß §66 Abs4 AVG, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

§64a Abs1 AVG lautete ursprünglich: ?Die Behörde, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, kann auf Grund der Berufung und allfälliger weiterer Ermittlungen binnen zwei Monaten nach Einbringung einer zulässigen Berufung den von ihr erlassenen Bescheid im Sinne des Berufungsbegehrens abändern, ergänzen oder aufheben (Berufungsvorentscheidung).”

 

Durch die Novelle BGBl Nr 471/1995 erhielt §64a Abs1 AVG folgende Fassung: ?Die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, kann, wenn nur eine der Parteien Berufung erhoben hat oder wenn keine einander widersprechenden Berufungsanträge vorliegen, die Berufung nach Durchführung allfälliger weiterer Ermittlungen binnen zweier Monate nach Einlangen der zulässigen Berufung bei der Stelle, bei der sie einzubringen war, durch Berufungsvorentscheidung erledigen und den von ihr erlassenen Bescheid nach jeder Richtung abändern, ergänzen oder aufheben.”

 

Seit der Abänderung durch BGBl I Nr 158/1998 (in Kraft getreten am 1.1.1999) hat diese Bestimmung folgenden Wortlaut: ?Die Behörde kann die Berufung binnen zwei Monaten nach Einlangen bei der Behörde erster Instanz durch Berufungsvorentscheidung erledigen. Sie kann die Berufung nach Vornahme notwendiger Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens als unzulässig oder verspätet zurückweisen, den Bescheid aufheben oder nach jeder Richtung abändern.”

 

§276 Abs1 BAO in der Fassung BGBl Nr 151/1980 lautete: ?Liegt ein Anlaß zur Zurückweisung (§273) nicht vor und sind etwaige Formgebrechen und inhaltliche Mängel behoben (§§85 Abs2 und 275), so kann die Abgabenbehörde erster Instanz die Berufung nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen durch Berufungsvorentscheidung erledigen und hiebei den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern oder aufheben oder die Berufung als unbegründet abweisen. Gegen einen solchen Bescheid, der wie eine Entscheidung über die Berufung wirkt, kann innerhalb eines Monats der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt werden. Zur Einbringung eines solchen Antrages ist der Berufungswerber und ferner jeder befugt, dem gegenüber die Berufungsvorentscheidung wirkt. Wird der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz durch einen anderen hiezu Befugten als den Berufungswerber gestellt, so ist der Berufungswerber hievon unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Wird ein Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz rechtzeitig eingebracht, so gilt ungeachtet des Umstandes, daß die Wirksamkeit der Berufungsvorentscheidung dadurch nicht berührt wird, die Berufung von der Einbringung des Antrages an wiederum als unerledigt. Bei wirksamer Zurücknahme des Antrages gilt die Berufung wieder als durch die Berufungsvorentscheidung erledigt; dies gilt, wenn solche Anträge von mehreren hiezu Befugten gestellt wurden, nur für den Fall der wirksamen Zurücknahme aller dieser Anträge. Auf das Recht zur Stellung des Antrages auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ist in der Berufungsvorentscheidung aufmerksam zu machen. §93 Abs4 bis 6, §245 Abs3 und 4 sowie die §§249 Abs1 und 256 sind sinngemäß anzuwenden. Ein verspätet eingebrachter Antrag ist von der Abgabenbehörde erster Instanz durch Bescheid zurückzuweisen.”

 

Nach §34 Abs3 (in Verbindung mit Abs2) AVG können von der Behörde gegen Personen, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen, Ordnungsstrafen bis ? 726,-- verhängt werden.

 

Zur Verhängung einer Ordnungsstrafe betreffend beleidigender Äußerungen in der Berufung ist die Berufungsbehörde zuständig. Eine bloße Einbringungsstelle - wie etwa die Erstbehörde im Berufungsverfahren - ist nicht als zuständige Behörde für die Erlassung eines eine Ordnungsstrafe verhängenden Bescheides anzusehen (VwGH vom 26.5.1999, Zl 97/03/0333, ebenso 98/02/0271 vom 16.2.1999).

 

Da eine Berufung bzw. ein Antrag auf Entscheidung über eine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz nach den Vorschriften der Bundesabgabenordnung durch die Abgabenbehörden erster Instanz erledigt werden können, sei es mit Zurückweisung (§273 und §276 Abs1 letzter Satz BAO), sei es mit Berufungsvorentscheidung (§276 Abs1 BAO), vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, daß eine beleidigende Schreibweise in solchen Anbringen (auch) von der Abgabenbehörde erster Instanz aufgegriffen und zum Anlaß für die Verhängung einer Ordnungsstrafe iSd §112 Abs3 BAO genommen werden kann. Die hg. Rechtsprechung zu §34 AVG, wonach für eine beleidigende Schreibweise in einer Berufung nur von der Rechtsmittelbehörde eine Ordnungsstrafe verhängt werden darf (Hinweis E v 28.3.1987, 86/11/0145, 0150, VwSlg 12429 A/1987), ist im Hinblick auf die erwähnten Besonderheiten der Bundesabgabenordnung auf diese nicht übertragbar (VwGH vom 30.11.1993, Zl 89/14/0144).

 

Beleidigende Schreibweise liegt vor, wenn eine Eingabe ein unsachliches Vorbringen enthält, das in einer Art gehalten ist, die ein unziemendes Verhalten gegenüber der Behörde darstellt. Dabei ist es ohne Belang, ob sich die beleidigende Schreibweise gegen die Behörde, gegen das Verwaltungsorgan oder gegen eine einzige Amtshandlung richtete. Eine in einer Eingabe an die Behörde gerichtete Kritik ist dann gerechtfertigt und schließt die Anwendung des §34 Abs3 AVG aus, wenn sich die Kritik auf die Sache beschränkt, in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgebracht wird und nicht Behauptungen enthält, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, wird der Tatbestand des §34 Abs3 AVG erfüllt und es kann auch ein gelungener Beweis der Kritik den Schreiber nicht mehr rechtfertigen (VwGH vom 16.2.1999, Zl 98/02/0271).

 

Allgemein gehaltene Vorwürfe wie Manipulation, Unterstellung einer Schädigungsabsicht, Betrinken während der Dienstzeit und Korruption unterstellen eine niedrige Gesinnung und eine nach der Sittenordnung verpönte Vorgangsweise bzw. teilweise auch ein gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßendes Verhalten und sind als beleidigende Schreibweise iSd §34 Abs3 AVG anzusehen (VwGH vom 20.11.1998, Zl 98/02/0320).

 

Maßgebend für das Ausmaß einer Ordnungsstrafe ist die Überlegung, welche Strafhöhe innerhalb des gesetzlichen Rahmens eine Änderung des Fehlverhaltens jener Person erwarten läßt, die sich der beleidigenden Schreibweise bedient (VwGH vom 20.11.1998, Zl 98/02/0320).

 

Zum Tatbestand des §34 Abs3 AVG genügt es, daß die Schreibweise objektiv eine beleidigende ist, dh, daß die Anstandspflicht gegenüber der Behörde verletzt wird. Eine beleidigende Absicht ?animus iniuriandi” wird zum gesetzlichen Tatbestand nicht gefordert (VwGH vom 11.5.1998, Zl 96/10/0033).

 

Auf die Beleidigungsabsicht kommt es ebensowenig an wie auf den Endzweck der Eingabe. Auch kann das ordnungswidrige Verhalten nicht damit entschuldigt werden, daß die Behörde die mit Ordnungsstrafe geahndete Äußerung veranlaßt oder provoziert haben sollte (VwGH vom 10.3.1998, Zl 97/08/0110).

 

Mit der Äußerung, der Bürgermeister habe Aktenbestandteile entfernt, um ?seinen Amtsmißbrauch zu decken”, bedient sich eine Person einer beleidigenden Schreibweise iSd §34 Abs3 AVG. Diese Äußerung stellt ein unsachliches Vorbringen dar, das in einer Art gehalten ist, die ein ungeziemendes Vorbringen gegenüber der Behörde darstellt (VwGH vom 26.3.1996, Zl 95/05/0029).

 

Die Überzeugung der Partei, ihre Kritik sei berechtigt, vermag eine beleidigende Schreibweise iSd §34 Abs3 AVG nicht zu entschuldigen (VwGH vom 26.3.1996, Zl 95/05/0029).

 

Unter einer beleidigenden Schreibweise ist nicht nur eine solche zu verstehen, die geeignet ist, ein Behördenorgan in seiner Ehre herabzusetzen; vielmehr ist als ?beleidigende Schreibweise” auch eine solche anzusehen, die das Verhandlungsklima zwischen Behörde und Einschreiter durch unsachliche Ausdrücke, unpassende Vergleiche, Anspielungen etc. dergestalt belastet, daß eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen erschwert, wenn nicht gar verhindert wird (Hier: Die Ausführungen ?somit wäre....jeder Bescheid, so er auch noch so rechtswidrig und BLÖDSINNIG sein mag, sofort rechtskräftig...” wurde ebenso als beleidigende Schreibweise angesehen wie die Feststellung, sich von einem ?subalternen Beamten” nicht in seinen Rechten schmälern lassen zu wollen) (VwGH vom 4.10.1995, Zl 95/15/0125).

 

Eine beleidigende Schreibweise kann auch vorliegen, wenn das hinter den gewählten Worten stehende Anliegen berechtigt ist. Beleidigend ist eine Ausdrucksweise, wenn sie den Boden sachlicher Kritik verläßt und demjenigen eine niedrige Gesinnung und eine nach der Sittenordnung verpönte Vorgangsweise unterstellt, dem eine solche Methode vorgeworfen wird (VwGH vom 30.11.1993, Zl 89/14/0144).

 

Zu Spruchpunkt 1:

 

Die spruchgegenständliche Eingabe beinhaltet eine Berufung gegen ein Aufenthaltsverbot (2, Instanz: Sicherheitsdirektion) und eine Schubhaftbeschwerde. Aus letzterer kann die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Verhängung einer Ordnungsstrafe nicht abgeleitet werden, weil sie in diesem Verfahren lediglich Partei und Einbringungsstelle ist (vgl diesbezüglich die oben zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes Zlen 97/03/0333 und 98/02/0271).

 

Hinsichtlich der Berufung gegen das Aufenthaltsverbot ist die Rechtslage nicht so eindeutig: Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu §34 AVG ist zur Verhängung einer Ordnungsstrafe betreffend beleidigender Äußerungen in der Berufung die Berufungsbehörde zuständig. Eine bloße Einbringungsstelle ? wie etwa die Erstbehörde im Berufungsverfahren ? ist nicht als zuständige Behörde für die Erlassung eines eine Ordnungsstrafe verhängenden Bescheides anzusehen. Diese Judikatur erging zur Rechtslage vor der Novellierung des §64a AVG durch BGBl I Nr 158/1998. Seit 1.1.1999 kann die erstinstanzliche Behörde im Rahmen der Berufungsvorentscheidung die Berufung nach Vornahme notwendiger Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens als unzulässig oder verspätet zurückweisen, den Bescheid aufheben oder nach jeder Richtung abändern. Die Rechtsposition der ersten Instanz ist daher nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ nun vergleichbar mit jener der Abgabenbehörde erster Instanz ? im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur BAO erscheint daher nunmehr die Auffassung vertretbar, dass im Rahmen einer Berufung gegen ein Aufenthaltsverbot neben der Berufungsbehörde auch die erstinstanzliche Behörde eine Ordnungsstrafe verhängen darf. Da aber noch keine höchstgerichtliche Judikatur zur Rechtslage nach dem 1.1.1999 ergangen ist und auch die Gesetzesmaterialien keinerlei Rückschlüsse zulassen, nimmt der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ wegen des hohen Prozessrisikos im Falle einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof im Zweifel die Unzuständigkeit des Magistrates der Stadt X hinsichtlich des ersten Spruchpunktes an.

 

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die von der belangten Behörde zitierten Äußerungen eindeutig den Tatbestand der beleidigenden Schreibweise erfüllen und die Strafe lediglich wegen Unzuständigkeit aufgehoben wurde.

 

Zu Spruchpunkt 2:

 

Das Aufenthaltsverbot ist gemäß §44 FrG auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Die Aufhebung obliegt gemäß §91 Abs3 FrG der Behörde, die das Aufenthaltsverbot in erster Instanz erlassen hat, sodass bezüglich dieses Spruchpunktes der Magistrat der Stadt X für die Verhängung der Ordnungsstrafe zuständig war.

 

Die zitierten Äußerungen (Weitergabe unwahrer ?Sachen” durch einen Beamten der Fremdenpolizei der belangten Behörde, in einer behördlichen Niederschrift sei ?vermutlich alles getürkt”) rechtfertigen im Lichte der oben ausführlich zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zweifellos die Verhängung einer Ordnungsstrafe. Die in der Berufung zutage tretende Uneinsichtigkeit (wobei insbesondere die Äußerungen, die Fremde sei von den Organen wie ein Schwein behandelt worden, von Grenzbeamten würde das Götz Zitat gemurmelt, ein Beamter der Fremdenpolizei der belangten Behörde setze Schwarzarbeiter ein und gebe unwahre Tatsachen weiter die neuerliche Verhängung einer Ordnungsstrafe gerechtfertigt hätten) des Rechtsmittelwerbers lässt erkennen, dass die erstinstanzlich (zwar nicht rechtskräftig, aber doch zumindest im Sinne einer realistischen Strafdrohung in der Höhe von insgesamt ? 900,--) verhängten Strafen den Berufungswerber nicht davon abhalten konnte, neuerlich die Anstandspflicht gegenüber der Behörde zu verletzen. Allerdings war die unter Spruchpunkt 2 verhängte Strafe herabzusetzen, weil die Behörde von einem Strafrahmen bis ? 1.000,-- ausging, die Höchststrafe tatsächlich aber nur ? 726,-- beträgt, und die Strafe der Berufungsbehörde überdies auch unter Berücksichtigung des Unrechtsgehaltes der Äußerungen überhöht erscheint. Da der Strafrahmen nun zu weniger als 10% ausgeschöpft wird, ist die Strafe selbst unter Zugrundelegung bescheidenster wirtschaftlicher Verhältnisses keinesfalls zu hoch bemessen.

 

Zu Spruchpunkt 3:

 

Der Satz ?Angedacht wird, dass das Vorhaben vielleicht lange von den K****** Behörden geplant war, sie benötigen auch Erfolgserlebnisse” ist zu wenig konkret, um als beleidigende Schreibweise gewertet zu werden. Dies gilt nach Ansicht der Berufungsbehörde auch für die Äußerung ?Wenn Österreich Rumänische Gesetze hätte, wären 2 Millionen Österreicher eingesperrt, vor allem Politiker und Beamte (ist nur subjektiv zu sehen)”, weil in diesem Fall die Rechtsordnung eines anderen Staates als Maßstab heranzuziehen wäre. Wenn einem Österreicher für ein bestimmtes Verhalten nach einer ausländischen Rechtsordnung eine Freiheitsstrafe droht, muss nicht unbedingt ein strafbares Verhalten nach der österreichischen Rechtsordnung vorliegen. Außerdem beschreibt der Berufungswerber hinsichtlich seiner These kein bestimmtes Verhalten von Politikern oder Beamten, sodass dieser ? zugegeben ?untergriffige” ? nicht sehr aussagekräftige Satz als Grenzfall ?gerade noch nicht” als beleidigende Schreibweise anzusehen ist. Dieser Spruchpunkt war daher aufzuheben.

Zuletzt aktualisiert am
07.07.2008
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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