TE UVS Tirol 2003/06/17 2003/20/087-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.06.2003
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alfred Stöbich über die Berufung der Frau B. P., Brixen

i. Th., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. M. J., 6020 Innsbruck, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 11.02.2003, Zl VK-4155-2001, wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm den §§ 24, 51, 51c und 51e VStG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin folgendes vorgeworfen:

 

?Tatzeit: 01.12.2000 um 17.45 Uhr

Tatort: Kundl auf der B171, Strkm. 19,4, Kreuzung Zufahrt ÖBB

Terminal Wörgl

Fahrzeug: KKW mit dem Kennzeichen KB-xxxx

 

Sie haben als Lenker eines KKWs ein anderes Fahrzeug überholt, obwohl für sie nicht einwandfrei erkennbar war, ob sie das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen werden können, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern. Dadurch sind sie im Zuge dieses Überholmanövers mit dem entgegenkommenden Pkw zusammengestoßen (Personen- und Sachschaden).?

 

Dadurch habe die Berufungswerberin gegen § 16 Abs 1 lit c StVO verstoßen und wurde über sie gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 58,14 verhängt. Gleichzeitig wurde eine Ersatzfreiheitsstrafe festgesetzt und ein Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben.

 

Dagegen wurde innerhalb offener Frist Berufung erhoben. In der Begründung wird zunächst ausgeführt, dass die Ausführungen des Oberlandesgerichtes Innsbruck im Urteil vom 04.04.2002 betreffend das ?Überholen? unrichtig seien. Im gegenständlichen Fall sei ?das zu überholende? Fahrzeug nach links (gemeint wohl rechts) abgebogen und habe sich daher nicht mehr in der gleichen Richtung fortbewegt. Es könne daher von einem Überholen im Sinne des § 2 Abs 1 Z 29 StVO nicht die Rede sein.

 

Weiters wird unter Bezugnahme auf den Wortlaut des § 16 Abs 1 lit c StVO ausgeführt, dass das Einordnen für die Berufungswerberin ohne weiteres möglich gewesen wäre und Schutzzweck dieser Bestimmung sei, Kollisionen mit einem Gegenverkehr zu vermeiden. Dass sich der Unfallsgegner grob verkehrswidrig aus einer benachrangten Strecke herausbewegt habe (ohne hineintasten in den Vorrangverkehr) und es so zur Kollision gekommen sei, werde durch die Norm des § 16 Abs 1 lit c StVO nicht verhindert bzw geschützt.

 

Völlig unrichtig sei auch die Formulierung im Spruch, dass im Zuge des Überholmanövers die Beschuldigte mit dem entgegenkommenden Pkw zusammengestoßen sei. Der Unfallsgegner sei aus einer benachrangten Straße herausgefahren und nicht entgegengekommen. Was die Anführung eines Personenschadens betreffe, so werde darauf hingewiesen, dass nur die Beschuldigte selbst verletzt worden sei und nicht jemand anderer. Das Oberlandesgericht Innsbruck habe auch in seiner zivilrechtlichen Beurteilung dieses Unfalles einen Verstoß gemäß § 9 Abs 1 StVO angenommen und nicht einen Verstoß gegen § 16 StVO.

 

Darüber hinaus sei das Parteiengehör nicht gewahrt worden, da der Berufungswerberin keine Möglichkeit eingeräumt worden sei, sich im Verwaltungsstrafverfahren zu den ?im gerichtlichen Verfahren gewonnenen Beweisergebnissen? zu äußern.

 

Auf Sachverhaltsebene ist zunächst folgendes festzuhalten:

 

Am 01.12.2000 ereignete sich gegen 17.45 Uhr im Gemeindegebiet von Kundl, Ortsteil Luna, auf der Kreuzung der B171 mit der Zufahrt zum ÖBB Terminal Wörgl auf Höhe von Strkm. 19,4 zwischen dem von der Berufungswerberin gelenkten Pkw mit dem Kennzeichen KB-XXXX und dem von G. H. gelenkten Pkw mit dem Kennzeichen KU-YYYY ein Verkehrsunfall.

 

Die B171 verläuft im Unfallbereich von Osten nach Westen. Der in Fahrtrichtung Westen führende Fahrstreifen ist vor der Einmündung der nach Norden führenden Zufahrt zum ÖBB Terminal Wörgl rund vier Meter breit, südlich daran anschließend befindet sich eine 3 m breite Sperrfläche, die sich im Bereich der Kreuzung verjüngt. Vor Beginn des Einmündungstrichters beläuft sich die Breite der gesamten Fahrbahn der Zufahrt zum ÖBB Terminal auf ca 14,5 m. Sie erweitert sich im Bereich des Einmündungstrichters erheblich. Im Bereich der Einmündung der Zufahrtsstraße zum ÖBB Terminal in die B171 befindet sich das Vorschriftszeichen ?Halt?. Die Fahrbahn ist im Unfallbereich eben, die Sicht je nach eingenommener Position unterschiedlich. Auf der B171 beträgt die Sichtstrecke über 100 m.

 

Die Berufungswerberin lenkte ihr Kfz auf der B171 in westliche Richtung hinter einem Sattelkraftfahrzeug, dessen Lenker nach rechts in die Zufahrt zum ÖBB Terminal Wörgl einbog. Die Berufungswerberin entschloss sich, das einbiegende Sattelkraftfahrzeug zu überholen. Mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h lenkte sie ihr Kfz nach links aus und befuhr mit der gesamten Fahrzeugbreite die Sperrfläche.

 

G. H. fuhr auf der Zufahrt zum ÖBB Terminal in Richtung Süden und hatte vor, nach links in die B171 einzubiegen. Er hielt sein Fahrzeug vorerst auf Höhe der Haltelinie an. Als er das nach rechts einbiegende Sattelkraftfahrzeug sah, das den gesamten nach Westen führenden Fahrtstreifen der B171 blockierte, setze er den linken Blinker und fuhr aus dem Stillstand zügig beschleunigend los. In der Folge kam es zur Kollision zwischen dem von der Berufungswerberin gelenkten Kfz und dem von G. H. gelenkten Pkw.

 

Diese Feststellungen wurden im Zuge des zivilgerichtlichen Verfahrens am Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht in dessen Urteil vom 04.04.2002, Zl 2 R 54/02 m, getroffen. Diese Feststellungen können in unbedenklicher Weise dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren zugrunde gelegt werden.

 

Strittig ist insbesondere die Frage, inwieweit der Berufungswerberin neben dem Verstoß gegen den § 9 Abs 1 StVO (rechtskräftig bestraft mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 30.04.2001) auch ein Verstoß gegen § 16 Abs 1 lit c StVO angelastet werden muss.

 

Gemäß § 16 Abs 1 lit c StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

 

Das Überholverbot nach der genannten Bestimmung dient primär dem Schutz des Gegenverkehrs sowie des überholten Lenkers (Dittrich-Stolz-Lechner, Straßenverkehrsordnung I, letzter Absatz von RZ31 zu § 16).

 

Die genannte Bestimmung dient nicht dem Schutz eines allenfalls rechtswidrig einbiegenden Lenkers.

 

Im gegenständlichen Fall ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Berufungswerberin grundsätzlich ein Wiedereinordnen ohne Behinderung oder Gefährdung des überholten Fahrzeuges oder allenfalls entgegenkommender Fahrzeuge nicht möglich gewesen wäre. Dafür sprechen insbesondere die im zivilgerichtlichen Verfahren getroffenen Feststellungen, dass die B171 im Kreuzungsbereich eine entsprechend große Breite aufweist. Es liegen auch insbesondere keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich vor dem überholten Lkw noch ein anderes Fahrzeug befunden hätte oder ein Fahrzeug entgegen gekommen wäre.

 

Das der Berufungswerber anzulastende Fehlverhalten liegt, wie im Gerichtsurteil zum Ausdruck kommt, im Wesentlichen darin, dass sie in grober Weise gegen die Bestimmung des § 9 Abs 1 StVO verstoßen hat, indem sie die Sperrfläche überfahren hat. Deshalb stellt sich das Verhalten der Berufungswerberin als unzulässiges Überholmanöver (zur Frage, dass es sich entgegen den Berufungsausführungen sehr wohl um ein Überholen gehandelt hat, siehe OGH vom 06.11.1980, 8 Ob 183/80) dar, welches jedoch nicht als Verstoß gegen § 16 Abs 1 lit c StVO zu werten ist.

 

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Schlagworte
Überholverbot, Schutz, Gegenverkehr, Sperrfläche
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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