TE UVS Tirol 2003/07/01 2003/12/070-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.07.2003
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch den Stellvertretenden Vorsitzenden Dr. Siegfried Denk über die Berufung des Herrn M. E., 6175 Kematen, vertreten durch Herrn Dr. B. H., Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 23.4.2003, Zl VK-987-2003, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 1.7.2003 wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24, 51, 51c und 51e Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird

 

I.

 

der Berufung hinsichtlich Spruchpunkt 2) Folge gegeben, das bekämpfte Straferkenntnis hinsichtlich dieses Spruchpunktes 2) behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II.

 

der Berufung hinsichtlich der Spruchpunkte 3) und 5) insofern Folge gegeben, als gemäß § 21 Abs 1 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen und eine Ermahnung erteilt wird.

 

III.

 

die Berufung hinsichtlich Spruchpunkt 4) als unbegründet abgewiesen.

 

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber hinsichtlich Spruchpunkt 4) einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 20 % der verhängten Strafe, das sind Euro 14,40, zu bezahlen.

Text

Mit dem bekämpften Straferkenntnis wurde der Berufungswerber folgender Verwaltungsübertretung für schuldig erkannt:

 

?Tatzeit: 21.09.2002 um 08.05 Uhr

Tatort: Kundl Inntalautobahn A 12, km 24.300

Fahrzeug: Sattelzugfahrzeug, KU-XXXX

 

1. Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches der Güterbeförderung dient und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht

3.5 t übersteigt folgende Übertretungen begangen: Es wurde festgestellt, dass Sie nicht innerhalb jedes Zeitraumes von 24 Stunden eine tägliche Ruhezeit von mindestens 11 zusammenhängenden Stunden eingehalten haben, wobei die zulässige 3-malige Verkürzung der Ruhezeit pro Woche auf jeweils 9 zusammenhängende Stunden berücksichtigt wurde. Sie haben am 19.09.02, in der Zeit ab 22.01 Uhr die vorgeschriebene Ruhezeit von 9 Stunden um 1 Stunde und 46 Min. verkürzt. Die Gesamtdauer betrug 7 Std. 14. Min.

2. Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches der Güterbeförderung dient und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht

3.5 t übersteigt folgende Übertretungen begangen: Es wurde festgestellt, dass Sie am 19.09.2002 die Schaltvorrichtung des Kontrollgerätes nicht so betätigt haben, dass folgende Zeiten getrennt und unterscheidbar aufgezeichnet wurden: die Lenkzeiten, alle sonstigen Arbeitszeiten und die Bereitschaftszeiten.

3. Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches der Güterbeförderung dient und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht 3,5 t übersteigt folgende Übertretungen begangen: Es wurde festgestellt, dass Sie am 19.09.2002 auf dem Schaublatt, auf dem bei Beginn der Benutzung der Name und Vorname des Lenkers eingetragen sein muss, diese Eintragungen nicht durchgeführt haben, da der Vorname fehlte.

4. Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches der Güterbeförderung dient und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht

3.5 t übersteigt folgende Übertretungen begangen: Es wurde festgestellt, dass Sie im Kontrollgerät mehr als ein Schaublatt an einem Tag (im 24 Stundenzeitraum) verwendet haben. Am 19.09.2002

5. Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches der Güterbeförderung dient und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht

3.5 t übersteigt folgende Übertretungen begangen: Es wurde festgestellt, dass Sie am 20.09.2002 auf dem Schaublatt, auf dem bei Beginn der Benutzung der Name und Vorname des Lenkers eingetragen sein muss, diese Eintragungen nicht durchgeführt haben, da der Vorname fehlte.?

 

Der Berufungswerber habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

 

1)

§ 102 Abs 1 KFG iVm Art 8 Abs 1 EG-VO 3820/85

2)

§ 102 Abs 1 KFG iVm Art 15 Abs 3 EG-VO 3821/85

3)

§ 102 Abs 1 KFG iVm Art 15 Abs 5 lit a EG-VO 3821/85

4)

§ 102 Abs 1 KFG iVm Art 15 Abs 2 EG-VO 3821/85

5)

§ 102 Abs 1 KFG iVm Art 15 Abs 5 lit a EG-VO 3821/85

 

Gemäß § 134 Abs 1 KFG wurden über den Berufungswerber folgende Geldstrafen verhängt:

 

1)

Euro 72,00 (Ersatzarrest 24 Stunden)

2)

Euro 72,00 (Ersatzarrest 24 Stunden)

3)

Euro 21,00 (Ersatzarrest 12 Stunden)

4)

Euro 72,00 (Ersatzarrest 24 Stunden)

5)

Euro 21,00 (Ersatzarrest 12 Stunden)

 

In der rechtzeitig gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung wurde folgendes ausgeführt:

 

?I. Rechtswidrigkeit des Inhaltes:

 

1. Unrichtige Sachverhaltsfeststellung:

 

Zu Tatvorwurf 1:

 

An Hand des Behördenaktes ist ersichtlich, dass die erkennende Behörde die angeblichen Lenk- bzw Ruhezeitüberschreitungen mittels ADAS festgestellt hat. Es handelt sich dabei um ein automatisationsunterstütztes Datenauswertungssystem.

 

Die automatisierte Auswertung führt in Einzelfällen zu falschen Ergebnissen. Diese Tatsache wird als bekannt vorausgesetzt und ist zur Bestätigung bzw Widerlegung der ADAS-Ergebnisse im Falle einer Bestreitung eine gutachterliche Auswertung erforderliche, um die Sachverhaltsfeststellung der Behörde darauf stützen zu können.

 

Der betroffene Fahrer hat sich an die vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten gehalten. Es ist nicht aktenkundig, wie die gegenständlichen Tachoscheiben im Detail ausgewertet worden sind. Gerade für derartige Übertretungen ist es unbedingt erforderlich, festzuhalten, wie die Übertretungen festgestellt worden sind. Bei Auswertegeräten unter Benutzung von Programmen sind Fehlertoleranzen einzuberechnen.

 

Es sind keine Feststellungen getroffen worden, welcher Fahrtenschreiber verwendet worden ist. Unterschiedliche Tachografenschreiber haben auch unterschiedliche in das Messergebnis einfließende Toleranzen.

 

An Hand der dem ausgewiesenen Rechtsvertreter zur Verfügung gestellten Akten lässt sich jedenfalls nicht erkennen, ob diese Voraussetzungen der Auswertung erfüllt worden sind. Es ist daher davon auszugehen, dass die Auswertung nicht ordnungsgemäß erfolgte.

 

Es wird die gutachterliche Auswertung der gegenständlichen Tachoscheiben beantragt zum Beweis dafür, dass die automationsunterstützte Auswertung der Schaublätter fehlerhaft arbeitete.

 

Zu Tatvorwurf 2:

 

Dem Beschuldigten wird zur Last gelegt, er habe als Lenker die Schaltvorrichtung des Kontrollgerätes nicht so betätigt, dass die Lenkzeiten, alle sonstigen Arbeitszeiten, die Bereitschaftszeit, die Arbeitsunterbrechungen und die Tagesruhezeiten getrennt und unterscheidbar aufgezeichnet werden.

 

Dazu ist auszuführen, dass der Beschuldigte den Zeitgruppenschalter ordnungsgemäß betätigt hatte. Dass auf der Tachoscheibe keine Zeiten für Bereitschaft oder sonstige Arbeitszeiten aufgezeichnet sind, liegt an der Tatsache, dass der Beschuldigte an diesem Tag nur Lenk- und Ruhezeiten hatte. Er hatte keine Bereitschaftszeiten und auch keine sonstigen Arbeitszeiten, die er nicht im Fahrzeug verbracht hatte.

 

Es ist bei derartigen Fahrten nicht üblich, dass der Beschuldigte zB bei Ladearbeiten mithilft. Auch waren die Fahrten gut disponiert, wodurch für den Beschuldigten keine sonstigen Bereitschaftszeiten oder ähnliches angefallen sind.

 

Der Zeitgruppenschalter ist nicht routinemäßig bzw in Zeitintervallen zu betätigen, sondern nur für den Fall, dass bestimmte Ereignisse vom Kontrollgerät erfasst werden sollen. Hinsichtlich dieser Ereignisse ist seitens der belangten Behörde keine Feststellungen getroffen worden. Auch das Vorbringen des Beschuldigten wurde unbeanstandet ignoriert.

 

Zu den Tatvorwürfen 3 und 5:

 

Gemäß Art 15 Abs 5 lit a EGVO 3821/85 hat der Fahrer auf dem Schaublatt bei Beginn der Benutzung des Blattes neben anderen Angaben auch seinen Namen und Vornamen einzutragen. Der für den Vor- und Nachnamen vorgesehene Raum auf dem Schaublatt ist derart klein dimensioniert, dass es nahezu unmöglich ist, den gesamten Vor- und Nachnamen einzutragen. So hat der Beschuldigte auf dem Schaublatt seinen Nachnamen vollständig eingetragen und soweit es ihm möglich war auch einen Teil des Vornamens, damit er als Fahrer bestimmbar ist und es innerbetrieblich zu keiner Verwechslung kommt. So ist auf dem Schaublatt an jener Stelle, an der Name des Fahrers einzutragen ist, der gesamte Nachname (M.) und die Initialen des Vornamen (E. für Erol) des beschuldigten Lenkers niedergeschrieben.

 

Es ist nahezu unmöglich, die Vor- und Nachnamen auf dem Schaublatt vollständig einzutragen, ohne dabei über das Namensfeld hinaus zu schreiben. Das dafür vorgesehene Feld ist viel zu klein ausgeführt.

 

Aus diesem Grunde tragen die Fahrer den Vornamen in der Regel nur in abgekürzter Form ein. Auch der Beschuldigte setzte für den Vornamen nur die Anfangsbuchstaben ?E." für ?Erol" ein. Damit ist eine Verwechslung innerhalb des Betriebes ausgeschlossen und kann auch die Behörde dieses Schaublatt zweifelsfrei dem Beschuldigten zuorden.

 

Im Unterbleiben des Eintrages des vollständig ausgeschriebenen Vornamens im Zusammenhang mit den sofort erhebbaren Personalien des Lenkers und den betriebsinternen Aufzeichnungen kann objektiv besehen keine nachteilige Tatfolge erblickt werden. Auch ein Verschuldensgrad reicht diesbezüglich nicht über einen minderen Grad des Versehens hinaus. Einer Bestrafung bedarf es somit nicht und hätte die belangte Behörde von Amts wegen die Anwendung des § 21 VStG in Betracht ziehen müssen.

 

Zu Tatvorwurf 4:

 

Dem Beschuldigten wird hier vorgeworfen, dass er mehr als ein Schaublatt für einen Tag verwendet habe.

 

An Hand der Aktenlage ist dieser Tatvorwurf nicht nachvollziehbar, zumal für den 19.09.2002 nur ein Fahrtenschreiberschaublatt aktenkundig ist.

 

Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung somit auf eine nicht im Akt befindliche Tatsachenfeststellung und ist der angefochtene Bescheid mit einem Begründungsmangel behaftet.

 

2. Mangelhafte Bescheidbegründung:

 

Gemäß § 58 Abs 2 und § 60 AVG sind Bescheide von der erlassenden Behörde zu begründen.

 

Das innere Ausmaß der Begründung wird durch das von der Rechtsordnung anerkannte Rechtsschutzinteresse der Partei bestimmt (VWGH 26. 06. 1959 Slg 5.007 A, 05. 03. 1982, 81/08/0016 ua).

 

Die Bescheidbegründung hat auf jede strittige Sach- und Rechtsfrage von Relevanz einzugehen (VWGH 25. 10. 1994, 94/14/U016).

 

Die Behörde hat in der Begründung die Gedankenvorgänge und Eindrücke aufzudecken, die dafür maßgebend waren, dass sie das eine Beweismittel dem anderen vorgezogen und eine Tatsache für wahr oder unwahr gehalten hat (VWGH 15. 01. 1986, 85/03/0111, 25. 02. 1987, 86/03/0222, 09. 05. 1990, 89/03/0100 ua, alle Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 58 Abs 2 E1, 2).

 

Es ist mit den ein rechtsstaatliches Verfahren tragenden Grundsätzen des Parteiengehörs und der freien Beweiswürdigung unvereinbar, einen Bescheid auf Beweismittel zu stützen, die der Partei nicht zugänglich sind (VWWGH 25. 10. 1938 Slg 11204 A).

 

Im Verwaltungsverfahren hat sich die Behörde von den Grundsätzen der Amtswegigkeit und der Erforschung der materiellen Wahrheit, ohne Rücksicht auf eine Zustimmungserklärung einer Partei, leiten zu lassen und ihren Bescheid auch dementsprechend zu begründen (VWGH 20. 09. 1983, 83/11/0019).

 

Aufgrund des § 58 Abs 2 und des § 60 AVG ist die Behörde verpflichtet, alle für die Beurteilung der Rechtsfrage wesentlichen Vorschriften in der Begründung des Bescheides zu berücksichtigen (VWGH 04. 05. 1977, 1653/76).

 

Bei der Beweiswürdigung kann vom freien Ermessen der Verwaltungsbehörde keine Rede sein. Freies Ermessen käme nur dann in Betracht, wenn es sich darum handelt, aufgrund eines bereits festgestellten Sachverhaltes nach Maßgabe von Ermessungsbestimmungen eine Entscheidung zu treffen, während die freie Beweiswürdigung eine ganz andere Verfahrensstufe, und zwar die Beurteilung der Beweismittel für einen erst festzustellenden Sachverhalt betrifft (VWGH 21. 02. 1975 Slg 8769 A).

 

Im angefochtenen Bescheid wird in der Begründung ausgeführt, dass der im Spruch angeführte Sachverhalt auf Grund des Anzeigeninhaltes sowie des durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen feststehe.

 

Die belangte Behörde führt weiters aus, dass der Beschuldigte die Übertretung in Abrede stellt und lediglich behaupte, die im Spruch angeführten Übertretungen nicht gesetzt zu haben.

 

Hinsichtlich der Einwendungen des Beschuldigten hat die belangte Behörde es verabsäumt im Sinne vorhin zitierter Grundsätze darzulegen, aus welchen Gründen bzw Überlegungen das Vorbringen des Beschuldigten für das gegenständliche Strafverfahren nicht relevant sei oder eben Beweise im Akt erliegen, welche die Behauptungen des Beschuldigten widerlegen oder als unbegründet erscheinen lassen.

 

Die belangte Behörde hat es verabsäumt, entsprechend dem Grundsatz der materiellen Wahrheit den maßgebenden Sachverhalt festzustellen und die Gründe offen zu legen, worauf diese Annahmen gestützt werden und warum das Vorbringen des Beschuldigten am festgestellten Sachverhalt nichts ändern würde.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, ihre Überlegungen hinsichtlich der Glaubwürdigkeit von Beweismitteln darzutun.

 

Die belangte Behörde führt dazu aus, dass die Behörde keinen Grund hatte an den Angaben des Anzeigers zu zweifeln und führt dazu begründend aus, dass einem geschulten Organ der Straßenaufsicht zugebilligt werden muss, derartige Übertretungen richtig feststellen zu können.

 

Dazu wird folgendes ausgeführt:

 

Der Anzeiger ist ein geschultes Organ der Straßenaufsicht und hat auf Grund seiner Ausbildung sowie seiner Berufspraxis folgendes festgestellt.

 

Ein Kraftfahrzeug mit einem Lenker wurde angehalten, hinsichtlich der Tachoscheiben kontrolliert und bei der automatisationsunterstützten Auswertung der Schaublätter wurde festgestellt, dass E. M. beim Betrieb des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen KU-XXXX folgende Übertretung setzte. Es folgt dann eine Auflistung von Übertretungen.

 

Diese Angaben sind in der gegenständlichen Anzeige enthalten und werden dem geschulten Organ der Straßenaufsicht als Anzeiger zugeschrieben.

 

Die Glaubwürdigkeit des Anzeigers ist hinsichtlich der äußeren Rahmenbedingung der Kontrolltätigkeit durchaus gegeben.

 

Dennoch wurden die vorgehaltenen Verwaltungsübertretungen nicht durch unmittelbare Wahrnehmungen seitens eines geschulten Organes der Straßenaufsicht festgestellt, sondern unter Zuhilfenahme eines technischen Gerätes, welches die analogen Daten auf dem Schaublatt erfasst, in digitale Werte umwandelt und mittels eines Computerprogrammes die Auswertungen vorgenommen hat.

 

Die belangte Behörde hat den ermittelten Sachverhalt hinsichtlich der konkreten Verwaltungsübertretung nicht auf Angaben gestützt, die ein geschultes Organ der Straßenaufsicht in dienstlicher Eigenschaft durch unmittelbare Wahrnehmung gemacht hat, sondern auf eine Computeranalyse.

 

Den Einwendungen des Beschuldigten zu Folge wurde aber gerade diese ADAS-Auswertungs-Methode begründet in Zweifel gezogen. Die belangte Behörde hat es aber unterlassen, diesen Bedenken des Beschuldigten zu begegnen und eine Überprüfung vorzunehmen.

 

Im Akt sind keine Feststellungen hinsichtlich ADAS enthalten und wird der festgestellte Sachverhalt auf Angaben gestützt, die nicht einmal von einem geschulten Organ der Straßenaufsicht stammen.

 

Im gegenständlichen Fall wurde ausdrücklich angeführt, dass dieses ADAS-Verfahren unzuverlässig ist und eine gutachterliche Auswertung beantragt wird.

 

Die belangte Behörde hat es verabsäumt, Ermittlungen durchzufühlen, ob das konkret verwendete Gerät von einer staatlich autorisierten Stelle geprüft und zertifiziert worden ist. Gleichfalls ist unbekannt, ob dieses Gerät einer Eichung unterliegt und gegebenenfalls eine Eichbestätigung vorliegt.

 

Die Marke und Type des Gerätes sind nicht festgestellt worden und es gibt keine Feststellungen seitens der belangten Behörde, ob die Vorschriften zur Handhabung des Gerätes dem Meldungsleger erklärt wurden, dh eine konkrete Einschulung stattgefunden hat, und ist auch das Verfahren zur Auswertung der Schaublätter nicht geklärt worden.

 

Nur unter der Voraussetzung, dass es sich um ein zugelassenes Gerät handelt, die Vorschriften für die Handhabung des Gerätes selbst sowie hinsichtlich des Verfahrens eingehalten wurden, würden die Angaben des Meldungslegers glaubwürdig erscheinen lassen.

 

Es wird aus diesem Grund ausdrücklich beantragt, es möge im obzitierten Sinne die automatisationsunterstützte Auswertung überprüft werden und

 

-

ein Eichschein

-

eine Zulassungsbescheinigung - ein Wartungshandbuch

-

ein Schulungsnachweis des Meldungslegers

 

eingeholt werden, sowie

 

-

eine gutachterliche Äußerung hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des Lesemechanismus eingeholt werden zum Beweis dafür, dass auf Grund von Verunreinigungen im Abtasterprofil eine korrekte Erfassung der analogen Daten nicht möglich war und die Auswertung auf falschen Input-Daten basiert.

 

3. Unrichtige Schuldfeststellung:

 

Für eine verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung ist ein Verschulden im Sinne des § 5 VStG erforderlich, somit muss der Beschuldigte zumindest fahrlässig handeln.

 

Da das VStG den Begriff der Fahrlässigkeit nicht näher definiert, ist auf die Definition in § 6 StGB zurückzugreifen. Demnach handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könnte, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.

 

Bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung würde es sich um ein Ungehorsamsdelikt handeln, das heißt, dass bereits bloßes Zuwiderhandeln gegen die Vorschrift zur Begehung der Verwaltungsübertretung genügt. Zur Erfüllung des Tatbildes ist ein Vorsatz nicht erforderlich, es genügt bereits einfache Fahrlässigkeit.

 

Die belangte Behörde geht vom Verschulden des Beschuldigten aus und führt als Verschuldensgrad Vorsatz an.

 

Dazu kann lediglich bemerkt werden, dass Vorsatz im Sinne des § 5 Abs 1 StGB dann vorliegt, wenn der Beschuldigte einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.

 

Dass die belangte Behörde die ungeprüften Angaben des Meldungslegers zur Feststellung des objektiven Tatbildes gegenständlicher Verwaltungsübertretungen zur Begründung anführt, ist noch nachvollziehbar.

 

Für die Annahme eines Vorsatzes ist dem gegenständlichen Akt keine Ermittlungstätigkeit, keine Beweisaufnahme und kein Beweisergebnis zu entnehmen und ist die Annahme von Vorsatz somit aktenwidrig angenommen worden und überdies mit einem Begründungsmangel behaftet.

 

4. Mangelhafte Strafbemessung:

 

Auch bei der Strafbemessung obliegt es der Behörde, gemäß § 60 AVG iVm § 24 VStG, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage, in der gesetzmäßigen Ausmessung der Strafe, klar und übersichtlich zusammenzufassen. Als Rechtsfrage stellt sich hierbei für die Behörde die Aufgabe, unter Bedachtnahme auf die Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten im Rahmen des gegebenen Strafsatzes die dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat angemessene Strafe festzusetzen, also bei der Strafbemessung auf objektive und subjektive Kriterien der Tat Bedacht zu nehmen (VWGH 28. 10. 1976, 195/76, 31. 01. 1979 Slg 9755 A, 29. 10. 1982, 81/02/0039, 18. 11. 1986, 86/07/0183 ua).

 

Ein Begründungsmangel ist bei der Strafbemessung nur dann nicht von Bedeutung, wenn über den Beschwerdeführer die Mindeststrafe verhängt wurde (VWGH 12. 10. 1978, Slg 9654 A).

 

Im angefochtenen Straferkenntnis wurde eine Gesamtstrafsumme von ?

258,00 verhängt. Berücksichtigt man die Tatsache, dass kein Vorsatz vorliegt und der Beschuldigte unbescholten ist, sowie kein erschwerender Umstand zu berücksichtigen ist, so ist die Strafhöhe zweifelsfrei nicht tat- und schuld angemessen.?

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat erwogen:

 

Beweis aufgenommen wurde durch das Erstellen eines Gutachtens eines Amtssachverständigen und durch das Verlesen der Akten des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol und der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck.

 

Der Amtssachverständige erstellte folgendes Gutachten:

 

?BEFUND

 

Als Befundunterlage dient der gesamte Akteninhalt einschließlich der Schaublätter vom 19.09.2002 und 20.09.2002.

 

Die beiliegenden Schaublätter wurden mittels Kienzle-Auswertgerät Typ 1612-50 mit Lupe und Okular ausgewertet.

 

Aufgrund der Fehlergrenzen im Betrieb des Fahrtenschreibers wird beim Zeitaufschrieb eine Toleranz von ± 2 Minuten pro Tag berücksichtigt.

 

Jeder ununterbrochene Zeitraum von mindestens 1 Stunde, in dem der Lenker frei über seine Zeit verfügen kann, ist Ruhezeit.

 

Schaublatt 1 vom 19.09.2002

Lenkzeit: 22:02 Uhr bis 22:22 Uhr

Unterbrechung: 22:22 Uhr bis 22:27 Uhr

Lenkzeit: 22:27 Uhr bis 23:58 Uhr

Ruhezeit: 23:58 Uhr bis 01:21 Uhr

Lenkzeit: 01:21 Uhr bis 02:07 Uhr

Ruhezeit: 02:07 Uhr bis 06:05 Uhr

Lenkzeit: 06:05 Uhr bis 07:30 Uhr

Pause: 07:30 Uhr bis 08:00 Uhr

Lenkzeit: 08:00 Uhr bis 09:21 Uhr

Ruhezeit: 09:21 Uhr bis 10:53 Uhr

Lenkzeit: 10:53 Uhr bis 12:20 Uhr

Ruhezeit: 12:20 Uhr bis 13:55 Uhr

Entnahme des Schaublattes um 13:55 Uhr (Auswurfmarkierung)

 

Schaublatt 2 vom 20.09.2002

Einlegen des Schaublattes um13:57 Uhr

Lenkzeit: 14:00 Uhr bis 14:47 Uhr

Ruhezeit: 14:47 Uhr bis 01:55 Uhr

Lenkzeit: 01:55 Uhr bis 02:56 Uhr

Ruhezeit: 02:56 Uhr bis 04:55 Uhr

Lenkzeit: 04:55 Uhr bis 06:18 Uhr

Unterbrechung: 06:18 Uhr bis 07:00 Uhr

Lenkzeit: 07:00 Uhr bis 08:01 Uhr

Entnahme des Schaublattes um 08:05 Uhr, am 21.09.2002

(Auswurfmarkierung)

 

GUTACHTEN

 

Punkt 1) Die vorgeschriebene Ruhezeit von nicht weniger als 9 zusammenhängenden Stunden wird nicht erfüllt. Die größte zusammenhängende Ruhezeit beträgt nur 3 Stunden 58 Minuten.

 

Punkt 2) Der Zeitgruppenschalter wurde auf beiden Schaublättern immer auf Ruhezeit gestellt. Bei einem Gerät mit automatischer Aufzeichnung werden dann nur die Lenkzeiten und alle Fahrzeugstillstände als ?Ruhezeit" aufgezeichnet. Falls andere Arbeiten oder Bereitschaftszeiten durch den Beschuldigten verrichtet worden sind, werden diese nicht aufgezeichnet.

 

Punkt 3) Auf dem Schaublatt ist der Name und der Vorname des Lenkers anzuführen. Aufgrund des relativ kurzen Vornamens und des Familiennamens hätte der Beschuldigte bei entsprechender Gestaltung (Größe) seines Schriftbildes seinen vollen Namen (10 Buchstaben) auf den dafür vorgesehen Freiraum auf dem Schaublatt vermerken können.

 

Punkt 4) Der 24 Stunden - Zeitraum beginnt am 19.09.2002 um 22:02 Uhr und endet am 20.09.2000 um 22:02 Uhr. Für diesen Zeitraum wurden zweifelsfrei 2 Schaublätter verwendet. Schaublatt 2 wurde bereits um 14:00 Uhr am 20.09.2000 eingelegt und beschrieben. (Lenkzeit)

 

Punkt 5) Analog wie Punkt 3 zu bewerten.

 

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass keine gravierenden Abweichungen zur ADAS - Auswertung feststellbar sind. Die Tatvorwürfe konnten nicht entkräftet werden. Bezüglich der Nicht - Feststellung der Behörde über den verwendeten Fahrtenschreiber kann der Auffassung des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden. ?Unterschiedliche Fahrtenschreiber haben auch unterschiedliche in das Messergebnis einfließende Toleranzen.

 

Dieser Aussage kann nicht gefolgt werden, weil nach dem Eichgesetz nur solche Geräte zulässig sind, die die bei der Eichung zulässigen Abweichungen von der Richtigkeit (Eichfehlergrenzen) sowie die im eichpflichtigen Verkehr zulässigen Abweichungen von der Richtigkeit (Verkehrsfehlergrenzen) erfüllen.

 

Die zulässigen Fehlergrenzen werden nach drei Betriebsarten hin überprüft:

1)

Prüfstandversuch vor dem Einbau

2)

Beim Einbau

3)

Im Betrieb

 

Diese Einhaltung der zulässigen Fehlergrenzen (Anzeige und Schreibeinrichtungen) ist alle 2 Jahre durch eine Überprüfung des Fahrtenschreibers nachzuweisen.?

 

In der mündlichen Verhandlung hat der Amtssachverständige dieses Gutachten wie folgt ergänzt:

 

?Der Berufungswerber hätte umschalten müssen, wenn er andere Arbeiten oder Bereitschaftszeiten angefangen hätte. Wenn man davon ausgeht, dass der Berufungswerber nur Lenkzeiten und Ruhezeiten hatte, ist davon auszugehen, dass der Zeitgruppenschalter ordnungsgemäß bedient worden ist. Anhand der Unterlagen, die mir zur Verfügung stehen, ist es zweifelhaft, ob der Berufungswerber sich nicht rechtmäßig verhalten hat.

 

Hinsichtlich der Spruchpunkte 3) und 5) ist anzuführen, dass jedermann mit dem vorhandenen Platz auskommen muss. Zum Beweis dafür lege ich ein Muster einer Tachoscheibe mit einer Ausfüllung der Fa. Kienzle vor. Für das Ausschreiben des Vor- und Zunamens ist auf der Tachoscheibe Platz vorhanden.

 

Das Schaublatt ist bei Beginn der Arbeit einzulegen und bei Ende der Arbeit ist das Schaublatt zu entnehmen. Dies ist für einen Zeitraum von 24 Stunden. Für einen Zeitraum von 24 Stunden ist also ein Schaublatt vorgesehen. So lange der 24-Stunden-Zeitraum besteht, darf nur eine Tachoscheibe verwendet werden. Im gegenständlichen Fall wäre das also so zu handhaben gewesen, dass der Berufungswerber bei der Wiederaufnahme die selbe Tachoscheibe einzulegen gehabt hätte.?

 

Der Berufungswerber erklärte aufgrund der Ausführungen des Amtssachverständigen, dass er die Berufung hinsichtlich Spruchpunkt

1) zurückzieht. Das erstinstanzliche Straferkenntnis ist daher hinsichtlich Spruchpunkt 1) in Rechtskraft erwachsen.

 

Aufgrund der Ausführungen des Amtssachverständigen zu Spruchpunkt 2) ist davon auszugehen, dass es zweifelhaft ist, dass der Berufungswerber diese unter Spruchpunkt 2) ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen hat. Es war sohin diesbezüglich das Strafverfahren einzustellen, da auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz ?in dubio pro reo? gilt.

 

Hinsichtlich der Spruchpunkte 3) und 5) ist auszuführen, dass kein Zweifel besteht, dass der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen hat. Im gegenständlichen Fall kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen des § 21 Abs 1 VStG vorgelegen sind, da das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretungen unbedeutend sind. Der Berufungswerber war jedoch in beiden Fällen zu ermahnen, da er als Berufskraftfahrer immer wieder in die Verlegenheit kommt, Tachoblätter auszufüllen. Er wird zur Kenntnis nehmen müssen, dass er diese mit vollem Vor- und Zunamen auszufüllen hat. Wie sich aus dem vorgelegten Muster des Amtssachverständigen und den Äußerungen des Amtssachverständigen ergibt, ist es platzmäßig durchaus möglich, Vor- und Zunamen voll ausgeschrieben einzusetzen. Es genügt also nicht, so wie es der Berufungswerber unternommen hat, den Vornamen abzukürzen.

 

Hinsichtlich Spruchpunkt 4) ist davon auszugehen, dass der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung tatsächlich begangen hat, dies ergibt sich vor allem aus den Ausführungen des Amtssachverständigen.

 

Da der Berufungswerber keine Angaben zu seinen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen gemacht hat, ist davon auszugehen, dass die Höhe der verhängten Geldstrafe diesen entspricht.

 

Warum im gegenständlichen Fall Verfolgungsverjährung eingetreten sein soll, ist nicht ersichtlich, denn es wurde eine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt.

 

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
ADAS-Verfahren, gutachterliche Auswertung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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