TE UVS Salzburg 2003/07/21 3/13607/5-2003br

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.07.2003
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg erlässt durch das Senatsmitglied Dr. Peter Brauhart über die Berufung des Ing. H in S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. F in S, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 5.2.2003, Zahl III/S 3192/02, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung folgendes Erkenntnis:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG wird der Berufung insoferne Folge gegeben, als Spruchpunkt a) des angefochtenen Straferkenntnisses aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren in diesem Punkt gemäß § 45 Abs 1 Ziff 1, 1. Fall VStG, eingestellt wird.

 

Die Berufung zu Spruchteil b) wird als unbegründet abgewiesen.

 

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Beschuldigte zu Spruchteil b) außer dem Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz auch einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von ? 30 zu leisten.

Text

Entscheidungsgründe:

Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten zur Last gelegt, er habe es am 18.1.2002 um 13:30 Uhr in Salzburg, Kreuzung J-straße-P-straße als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem polizeilichen Kennzeichen (A) S-993CV unterlassen, nach einem Verkehrsunfall mit dem sein Verhalten in ursächlichem Zusammenhang stand, a) das von ihm gelenkte Fahrzeug sofort anzuhalten und b) nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Namen und Anschrift der Unfallbeteiligten unterblieben ist.

 

Er habe dadurch eine Übertretung des § 4 Abs 1 lit a und 4 Abs 5 StVO 1960, idgF, begangen und wurde wegen dieser Verwaltungsübertretung über ihn zu a) eine Geldstrafe in der Höhe von ? 300 (Ersatzarreststrafe 4 Tage) und zu b) von ? 150 (Ersatzarreststrafe in der Dauer von 48 Stunden) verhängt.

 

In der gegen dieses Straferkenntnis fristgerecht eingebrachten Berufung brachte der anwaltlich vertretene Beschuldigte Folgendes vor:

 

?Das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 5.2.2003 wurde meinem ausgewiesenen Vertreter am 10.2.2003 zugestellt. Innerhalb offener Frist erhebe ich dagegen

 

Berufung

an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Salzburg und führe diese wie folgt aus:

 

Das obige Straferkenntnis wird seinem gesamten Umfang nach angefochten.

 

Die Sachverhaltsfeststellung, ich hätte nach dem gegenständlichen Verkehrsunfall das von mir gelenkte Fahrzeug nicht sofort angehalten und nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt, ist unrichtig und im Beweisergebnis des erstinstanzlichen Verfahrens keinesfalls gedeckt. Sie fußt ausschließlich auf der unbegründet gebliebenen Auffassung der Behörde erster Instanz, bei meiner Verantwortung handle es sich um reine Schutzbehauptungen.

 

Zur Vermeidung von Wiederholungen verweise ich auf meine beiden schriftlichen Stellungnahmen im Verfahren erster Instanz. Ich habe dort bereits dargestellt, dass ich nach der Kollision meinen PKW zunächst unmittelbar an der Kollisionsstelle angehalten hatte und dann, um den Verkehr auf der stark frequentierten Kreuzung nicht zu behindern, aus dem Kreuzungsbereich hinausgefahren bin, meinen PKW dann knapp außerhalb des Kreuzungsbereiches am rechten Fahrbahnrand der P-straße abgestellt habe und zur Kollisionsstelle zurückgegangen bin. Das Hinausfahren aus der Kreuzung war nicht nur verkehrsbedingt erforderlich, es behinderte auch die späteren Ermittlungen zum Unfallshergang in keiner Weise, weil einerseits auch die Zweitbeteiligte N weitergefahren war und andererseits das Geschehen auf der Fahrbahn mit der Schaltphase der Verkehrsampel beim gegebenen Sachverhalt ohnehin nicht verknüpfbar war. Das Abstellen meines Fahrzeuges außerhalb des Kreuzungsbereiches verwirklicht daher den Tatbestand des § 4 (1) lit. a StVO nicht. Aus den Darstellungen der Zeugen N und M ergibt sich zwingend, daß diese nicht gesehen haben konnten, daß ich nach dem Abstellen meines Fahrzeuges an der Kollisionsstelle war, dort Scherben von der Fahrbahn räumte, mich vergeblich nach dem Verbleib des Zweitbeteiligtenfahrzeuges (Zeugin N) umsah und erst dann die Unfallstelle verließ. Die Zeugin N war während dieser Zeit nach ihrer eigenen Darstellung in ihrem PKW ?eingesperrt", der Zeuge M war, auch nach seiner eigenen Darstellung, auf Parkplatzsuche. Dieser unglückliche Umstand, daß sich die Beteiligten und der Zeuge an der Unfallstelle nicht mehr begegneten, führte zum wechselseitigen Fahrerfluchtverdacht. Auch der Reim, den sich der Zeuge M aus dem Auffinden meines Autokennzeichens bildete, nämlich, ich sei nur zurückgekommen, um dieses Kennzeichen zu suchen oder zu holen, paßt gut zu seinen Vermutungen. Nur ist er schon durch die im polizeilichen Erhebungsprotokoll enthaltenen Feststellungen widerlegt. Weder der Zweitbeteiligten N noch dem Zeugen M war meine wahrheitsgetreue Darstellung meines Verhaltens bekannt. Sie wurden von der erstinstanzlichen Behörde auch nicht damit konfrontiert. So ist es ohne weiteres erklärbar, daß sie ihre Vermutungen bei ihrer zeugenschaftlichen Befragung neuerlich vorbrachten. Beim Zeugen M beschränkt sich die behördliche Vernehmung im übrigen - gegen verfahrensrechtliche Grundsätze verstoßend - auf den Verweis auf eine seinerseits an meinen Haftpflichtversicherer gegebene Auskunft, ohne daß der Zeuge mit meiner Sachverhaltsdarstellung konfrontiert wurde. Man hätte ihm z. B. auch vorhalten können, daß ich nach den polizeilichen Feststellungen entgegen seiner Auffassung sehr wohl mit dem von mir gelenkten Fahrzeug zur Unfallstelle zurückkam und damit leicht seinen Verdacht ausräumen können, ich sei nach Fahrerflucht nur zurückgekommen, weil ich bemerkt hätte, daß das Kennzeichen an dem von mir gelenkten PKW verlorengegangen war.

 

In meiner zweiten Stellungnahme vom 17.10.2002 hat sich mein Vertreter aufforderungsgemäß mit den - neuen - Inhalten der Zeugenaussagen N und M auseinandergesetzt und deren objektive Unrichtigkeit in Bezug auf die mir vorgeworfenen Übertretungen dargestellt. Die Bewertung der erstinstanzlichen Behörde, in dieser Stellungnahme würden im wesentlichen nur die Angaben aus meiner Rechtfertigung vom 13.2.2002 wiederholt und die Übertretungen abgestritten, zeugen nicht von eingehender Befassung mit meinem Vorbringen.

 

Die erstinstanzliche Behörde hat sich inhaltlich mit den durchaus unterschiedlichen Themen in diesen Schriftsätzen überhaupt nicht auseinandergesetzt, sondern es mit dem einfachen Stehsatz bewenden lassen, es sei aufgrund des Ermittlungsverfahrens erwiesen, daß ich die mir zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen begangen hätte. An tatbestandsrelevantem Sachverhalt hat das Ermittlungsverfahren lediglich ergeben, daß die Zweitbeteiligte nach der Kollision auf der Fahrbahn zum Stillstand kam und ohne aus dem PKW auszusteigen verkehrsbedingt von der Straße weg und in eine Hausausfahrt hineinfuhr. Sie konnte aus 'dem Auto nicht aussteigen, weil durch die Beschädigung beide Türen verklemmt waren. Sie hat einige minutenlang probiert, sich zu ?befreien". Es halfen ihr dann zwei Schüler, die die Beifahrertüre von außen öffnen konnten. Sie ging dann - nach einigen Minuten Selbstbefreiungsversuch, der anschließenden Hilfe der Schüler, schließlich dem Aussteigen aus dem Auto und wahrscheinlich auch einem kurzen Gespräch mit den Schülern, also anzunehmenderweise nach zumindestens fünf Minuten, aus der Hauseinfahrt heraus und zur Unfallskreuzung zurück, wo sie mich nicht mehr fand. Ein Busfahrer - nicht der Zeuge M, wie er behauptet - gab ihr das von ihm auf der Straße gefundene Fahrzeugkennzeichen. Sie verständigte daraufhin die Polizei, weil sie annahm, es sei die Kennzeichentafel meines Fahrzeuges. Zwischen dem Unfallhergang und dem Eintreffen der Polizei an der Unfallstelle ist ca. 1/2 Stunde vergangen. Kurz vor dem Eintreffen der Polizei kam auch ich an die Unfallstelle zurück. Ich sagte ihr, daß ich anschließend an einen von mir wahrzunehmenden Termin Anzeige erstatten wollte (bisher Zeugenaussage der Zweitbeteiligten N). Der Zeuge M, der das Unfallsgeschehen beobachtet hatte, hatte sich, bevor er an die Unfallstelle zurückkehrte, von dieser entfernt, um einen Parkplatz für sein Fahrzeug zu suchen. Auch er war daher über eine nicht näher beschriebene Zeitspanne vom Unfallsort abwesend und hatte keine Beobachtungen zu meinem Verhalten während dieses Zeitraumes gemacht (Zeugenaussage M). Ich hatte mich, nachdem ich verkehrsbedingt und angesichts des Umstandes, daß auch die Zweitbeteiligte die Kollisionsstelle verlassen hatte, meinen PKW knapp außerhalb des Kreuzungsbereiches geparkt hatte, zur Unfallstelle zurückbegeben. Dort und im einsehbaren umgebenden Bereich fand ich das zweitbeteiligte Fahrzeug nicht mehr, kam deshalb zur Auffassung, daß der / die Zweitbeteiligte Fahrerflucht begangen hatte und entfernte mich von der Unfallstelle mit der Absicht, nach einem am Weg liegenden, kurzen terminisierten Gesprächstermin Anzeige beim Polizeiposten I zu erstatten. Ich fühlte mich als Geschädigter, weil die Zweitbeteiligte nach meiner Auffassung, die ich auch heute noch vertrete, bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren war. Noch am Weg zum Polizeiposten I erreichte mich das durch die Polizei veranlaßte Telefonat meines Bruders, worauf ich sofort mit meinem PKW zur Unfallstelle zurückfuhr. Der bei mir durchgeführte Alkotest verlief negativ - 0,00 mg/l (polizeiliches Erhebungsprotokoll; meine Beschuldigtendarstellung).

Die Hausausfahrt, in welche die Zweitbeteiligte N unmittelbar nach der Kollision hineingefahren war und in der sie ihren PKW abgestellt hatte, ist vom Unfallsbereich her baulich und durch Pflanzenwuchs bedingt nicht einsehbar.

 

Beweis: Ortsaugenschein.

 

Zum Beweis dafür, daß ich wieder mit meinem PKW zur Unfallstelle zurückgekommen bin und von der Polizei nach dem Alkotest im Wachzimmer auch wieder dorthin zurückgebracht wurde, wiederhole ich mein Beweisanbot aus der Stellungnahme vom 17.10.2002 durch Zeugenvernehmung des H, Polizeibeamter, p.A.

Bundespolizeidirektion Salzburg, Verkehrsabteilung.

 

Bei richtiger Würdigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens hätte die Behörde erster Instanz zur Feststellung gelangen müssen, daß ich unmittelbar nach der Kollision mein Fahrzeug angehalten habe, zur Unfallstelle zurückgegangen bin, dort weder das zweitbeteiligte Fahrzeug noch die zweitbeteiligte Lenkerin gefunden habe, diese Tatsache mit den Darstellungen der Zweitbeteiligten und des Zeugen M über deren zeitlich gleich gelagerte Abwesenheit von der Unfallstelle in Einklang steht, ich ohne unnötigen Aufschub auf dem Weg zur Polizeiwachstube I war, um dort den Verkehrsunfall anzuzeigen und daher mein Verhalten nach dem Verkehrsunfall absolut normkonform im Sinne der Bestimmungen des § 4 (1) lit. a und (5) StVO war. Die Feststellung, ich sei nach dem Unfall - nur - kurz stehengeblieben, verkürzt den wahren Sachverhalt und ist irreführend. Bei Berücksichtigung aller Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gibt es keinen vernünftigen Grund, meine Verantwortung als reine Schutzbehauptung abzutun. Ich hätte - wie der negative Alkotest zeigt - auch überhaupt keinen Grund gehabt, mich unerkannt von der Unfallstelle zu entfernen, zumal ich auch überzeugt war, daß die Zweitbeteiligte das Verschulden an der Kollision trifft. Mein Unglück war lediglich, daß die Zweitbeteiligte mit ihrer telefonischen Verständigung der Polizei meiner beabsichtigten persönlichen Anzeige am Posten zuvorkam und ich dadurch in die Verdächtigtenrolle geriet. Die rechtlichen Hinweise des Straferkenntnisses auf die Tatbestandsmerkmale Wissen oder fahrlässiges Nichtwissen vom Eintritt eines Schadens sind nicht sachverhaltsrelevant, weil ich nie behauptet habe, keine Kenntnis von Unfall und Schadenseintritt gehabt zu haben.

 

Ausdrücklich erhebe ich nochmals mein Vorbringen in meinen beiden erstinstanzlichen Schriftsätzen auch zum Berufungsvorbringen.

 

Ich stelle

 

Berufungsantrag

auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung, Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens.?

 

Am 23.6.2003 führte der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durch. In dieser wurden der Zeuge M und die Zeugin N, wie auch der Zeuge RevInsp H, einvernommen.

 

Die Zeugin und Unfallgegnerin N

sagte in den verfahrenswesentlichen Teilen Folgendes aus:

 

Nach dem Unfall habe sie zunächst versucht, den Unfallgegner ausfindig zu machen, habe auf der Kreuzung selbst nach ihm Ausschau gehalten und sei dann in der Folge noch in die Querstraße, die P-straße, Richtung Schule, hinaufgegangen, ob sie dort irgendwo ein beschädigtes Fahrzeug sehe, habe aber nichts sehen können und sei dann zum Unfallort wieder zurückgegangen. Kurz bevor die Polizei gekommen sei, sei dann auch der Beschuldigte gekommen. Er habe sie gefragt, ob sie die in den Unfall Verwickelte gewesen war und habe dann weiters gesagt, dass er einen dringenden Termin gehabt hätte, weshalb er weggefahren sei und nunmehr auf dem Weg zur Polizei sei.

 

Der Zeuge M

sagte in den verfahrenswesentlichen Belangen aus, er habe gesehen, dass das Fahrzeug des Beschuldigten ca. 10 bis 12 m nach der Kreuzung stehen geblieben sei, und zwar auf der rechten Seite. Es könnten auch 15 bis 20 m gewesen sein. Dann sei er zum ?Forum? (d.i. ein Einkaufszentrum beim Bahnhof) weitergefahren, wo schon seine Frau auf ihn gewartet habe. Von dem Zeitpunkt, wo er vom Unfallort weggefahren sei, bis zu jenem Zeitpunkt, an dem er wieder zurückgekehrt sei, sei ca. eine 1/4 Stunde vergangen.

 

Der Beschuldigte selbst brachte in seiner Schlussäußerung durch den Beschuldigtenvertreter u.a. vor, er habe nach dem Unfall noch einen Kundentermin gehabt und habe dort ca. 10 bis 15 Minuten maximal verbracht, was auch erkläre, dass er binnen ungefähr 25 Minuten seit dem Unfall zur Unfallstelle zurückgekehrt sei.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg hat zum vorliegenden Sachverhalt in einer gemäß § 51c VStG durch ein Einzelmitglied zu treffenden Berufungsentscheidung Folgendes erwogen:

 

Zum ersten Spruchteil:

§ 4 Abs 1 lit a StVO 1960, idgF, bestimmt, dass alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten haben.

 

Die Anordnung, das Fahrzeug sofort anzuhalten, hat den Zweck, dass der Lenker, nachdem er sich vom Ausmaß des Verkehrsunfalles überzeugt hat, die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen, so insbesondere die nach § 4 Abs 1 lit b und c, Abs 2 und 5 StVO vorgesehenen, trifft. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann dabei von einem sofortigen Anhalten dann nicht die Rede sein, wenn das beteiligte Fahrzeug nicht unmittelbar nach Kenntnisnahme des Verkehrsunfalles am Unfallort, sondern erst in einiger Entfernung (hier etwa 40 m) davon angehalten wird (vgl. VwGH 19.2.1982, 81/02/0267).

Im vorliegenden Fall wurde durch den Zeugen M geschildert, dass das Fahrzeug des Beschuldigten ca. 10 bis 12 m nach der Kreuzung stehen geblieben ist (möglicherweise auch 15 bis 20 m). Aus dem vorliegenden Sachverhalt, insbesondere auch der Zeugenaussage des M, ergibt sich, dass der Beschuldigte unmittelbar nach der Kollision nur noch 10 bis 12 m weitergefahren und dann sein Fahrzeug abgestellt hat. Ob er dann ? so wie er das selbst behauptete ? tatsächlich ausgestiegen und die Unfallgegnerin gesucht hat oder ob er weitergefahren ist, lässt sich im Nachhinein nicht mehr ermitteln. Der Zeuge M ist nämlich nach seiner Beobachtung weitergefahren und konnte keine Angaben dazu machen.

 

Auch die Unfallgegnerin N konnte nichts dazu aussagen, ob der Beschuldigte nach dem Unfall an der Unfallstelle angehalten hat oder nicht.

 

Der Beschuldigte selbst beschrieb in seiner Rechtfertigung vom 13.2.2002, noch an der Unfallstelle stehen geblieben, dann aber weitergefahren zu sein, um den Verkehr ? auch O-Bus ? nicht zu behindern und habe seinen PKW jenseits der Kreuzung an den rechten Fahrbahnrand der P-straße gestellt.

 

Zu dieser Verantwortung ist auszuführen, dass die Verpflichtung, nach einem Verkehrsunfall sofort anzuhalten, grundsätzlich auch bei lebhaftem Verkehrsaufkommen gilt und eine Einwendung, der Lenker habe den Verkehr durch sofortiges Anhalten nicht blockieren wollen und einen freien Parkplatz gesucht, diesen nicht zu entschuldigen vermag (vgl. VwGH 25.11.1988, 85/18/0091). Dennoch kann dem Beschuldigten für diesen Fall nicht mit der für eine Verurteilung hinreichenden Sicherheit nachgewiesen werden, dass er die Anhaltepflicht tatsächlich missachtet hat. Aus dem Umstand allein, dass er ca. 10 bis 12 m nach der Unfallstelle angehalten hat (und sein Fahrzeug nicht auch etwa in einer Einfahrt, nicht sichtbar, abgestellt hat) kann eine Verletzung dieser Verpflichtung nicht erkannt werden.

 

Im Zweifel wird daher davon ausgegangen, dass er nach Anhalten seines Fahrzeuges auch tatsächlich ausgestiegen ist und zumindest die Unfallgegnerin gesucht hat.

Aus diesen Gründen war in diesem Punkt daher das Verwaltungsstrafverfahren auch einzustellen.

 

Zum zweiten Spruchteil:

Gemäß § 4 Abs 5 StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehen, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

Im vorliegenden Fall steht auf Grund des Ermittlungsergebnisses und der Zeugenaussagen sowie auch der Angaben des Beschuldigten fest, dass es zu einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gekommen ist, die Beteiligten aber nicht ihren Namen oder ihre Anschrift nachgewiesen haben. Somit steht auch fest, dass hier also eine entsprechende Meldepflicht entstanden ist.

 

Entsprechend der dazu ergangenen ständigen höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff ?ohne unnötigen Aufschub? streng auszulegen und nach dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung so zu verstehen, dass die Meldung nach Durchführung der am Unfallsort notwendigen, durch das Gebot der Verkehrssicherheit erforderlich erschienenen Maßnahmen bzw. nach vergeblichem Versuch der Beteiligten, einander ihren Namen und Anschrift nachzuweisen, geboten ist. Die Frage, ob die Erstattung der Meldung nötiger- oder unnötigerweise aufgeschoben wurde, ist nach der Lage des Einzelfalles zu beurteilen (VwGH 19.9.1984, 83/03/0358).

 

Der Beschuldigte hat im vorliegenden Fall selbst angeführt, dass er nach dem Anhalten noch einen Kundentermin wahrgenommen hat, wo er ca. 5 bis 10 Minuten verbracht hat. Danach ist er zur Unfallstelle zurückgekehrt, hat aber bis dorthin immer noch keine Meldung an die nächste Polizeidienststelle erstattet.

 

Die Wahrnehmung eines Kundentermins nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ist nach Ansicht des erkennenden Senates mit Sicherheit nicht unter die vom Gesetz gedeckte zulässige Möglichkeit eines Aufschubes (etwa zum Versuch des Identitätsnachweises) zu subsumieren. Der Beschuldigte hätte zumindest telefonisch noch vor seinem Kundenbesuch eine entsprechende Meldung zu erstatten gehabt. Keinesfalls kann somit im vorliegenden Fall davon gesprochen werden, dass der Beschuldigte den gesetzlichen Auftrag, nämlich ohne unnötigen Aufschub eine Meldung zu erstatten, erfüllt hat.

 

Die dem Beschuldigten in diesem Punkt zur Last gelegte Tat steht somit als erwiesen fest.

 

Zur Strafbemessung in diesem Punkt ist auszuführen:

§ 99 Abs 3 lit b StVO sieht für eine Übertretung wie sie der Beschuldigte gesetzt hat, eine Geldstrafe bis zu ? 726, im Fall der Uneinbringlichkeit Arrest bis zu 2 Wochen vor.

Die von der Behörde erster Instanz verhängte Geldstrafe von ? 150 befindet sich damit im ersten Viertel und somit noch im untersten Bereich des vorgegebenen Strafrahmens.

 

Die Verständigungspflicht des § 4 Abs 5 StVO dient dazu, sicherzustellen, dass für den Fall, dass die Unfallbeteiligten einander ihren Namen und ihre Anschrift nicht entsprechend nachgewiesen haben bzw. nachweisen konnten, diese mit Hilfe der Exekutive einander hinsichtlich der Schadensregelung zugeführt werden können.

Insofern handelt es sich um eine wesentliche Bestimmung der StVO, deren Übertretung mit nicht unbedeutendem Unrechtsgehalt behaftet ist.

 

Beim Beschuldigten ist als Verschuldensform zumindest fahrlässiges Verhalten anzunehmen. Bei entsprechender Aufmerksamkeit und Kenntnis der entsprechenden Bestimmung der Straßenverkehrsordnung hätte er wissen müssen, dass er die Meldung nicht erst nach seinem Kundenbesuch hätte erstatten dürfen.

 

Der Beschuldigte ist nach eigenen Angaben verheiratet, für seine Gattin sorgepflichtig und bezieht ca. ? 1.400 monatlich netto an Pension. Am Vermögen gab er eine Eigentumswohnung im Ausmaß von ca. 100 m2 an.

Insgesamt können bei ihm somit durchschnittliche Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse hinsichtlich der Strafbemessung zugrundegelegt werden.

 

Als strafmildernd war die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit zu werten, straferschwerende Gründe sind nicht zu Tage getreten. Die Tat hat auch keine nachteilige Folge im Sinne des § 19 Abs 1 VStG nach sich gezogen.

 

Unter Heranziehung der vorliegenden Strafbemessungskriterien kann daher die von der Behörde erster Instanz verhängte Geldstrafe keinesfalls als erhöht erkannt werden. Sie ist insbesondere aus spezial-, aber auch aus generalpräventiven Gründen notwendig, um die Einhaltung dieser Bestimmung in Hinkunft zu Gewähr leisten. Eine Strafherabsetzung kam daher nicht in Betracht.

 

Die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe ist der Geldstrafe entsprechend angepasst und ebenfalls nicht erhöht.

 

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Die Wahrnehmung eines Kundentermins nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden erlaubt keinen Aufschub der Verständigung gemäß § 4 Abs 5 StVO
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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