TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/17 99/12/0054

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Veröffentlicht am 17.10.2001
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
63/06 Dienstrechtsverfahren;
65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

ABGB §1297;
AVG §59;
BDG 1979 §163 idF 1995/297;
DVG 1984 §1 Abs1;
DVG 1984 §13 Abs1;
PG 1965 §62b idF 1995/297;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Bayjones und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des P in H, vertreten durch Dr. Monika Linder, Rechtsanwältin in Wien VII, Bernardgasse 28/1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 17. November 1995, Zl. 18.022/6-I/6/95, betreffend Aufhebung gemäß § 13 DVG in Verbindung mit § 68 AVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1945 geborene Beschwerdeführer steht als ordentlicher Universitätsprofessor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; er war an der Hochschule (Universität) für Musik und darstellende Kunst in G tätig.

Am 24. März 1995 beantragte der Beschwerdeführer seine vorzeitige Emeritierung aus gesundheitlichen Gründen. Nach dem diesem Antrag beiliegenden ärztlichen Gutachten eines Gemeindearztes bzw. einem "stationären Befundbericht" vom September 1994 lag beim Beschwerdeführer ein Zustand nach zweimaliger Hirnblutung vor. Weiters wurde angegeben: "Arterielle Hypertonie, Pathologischer Glucosetoleranztest" sowie "Wortfindungsstörung".

Mit vom damaligen Bundesminister gezeichneten Emeritierungsbescheid vom 30. Juni 1995 wurde - soweit dem für den Beschwerdefall Bedeutung zukommt - wie folgt abgesprochen:

"Auf Ihr Ansuchen vom 24. März 1995 und auf den Antrag des Abteilungskollegiums der Abteilung 8 an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in G vom 5. April 1995 werden Sie in Ansehung der in Ihrem Falle vorliegenden außergewöhnlichen Umstände gemäß § 163 Abs. 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, in der geltenden Fassung, mit Ablauf des 30. Juni 1995 von der Erfüllung Ihrer Dienstpflichten, insbesondere von Ihrer Lehrverpflichtung, als Ordentlicher Hochschulprofessor für Gitarre-Jazz an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in G entbunden.

Für Ihr langjähriges überaus verdienstvolles Wirken als akademischer Lehrer spreche ich Ihnen aus Anlass Ihres Ausscheidens aus dem Dienststand

DANK UND ANERKENNUNG

aus.

Während der Dauer der Emeritierung gebührt Ihnen ein Emeritierungsbezug im Ausmaß von neunzig Prozent des Gehaltes und der ruhegenussfähigen Zulagen, die Ihrer im Zeitpunkt der Emeritierung erreichten besoldungsrechtlichen Stellung entsprechen."

Dieser Bescheid ist unbestritten in Rechtskraft erwachsen.

Im Zusammenhang mit der Anweisung der Emeritierungsbezüge informierte das damalige Bundesrechenamt (jetzt: Bundespensionsamt) die belangte Behörde davon, dass die Rechtsgrundlage für den Emeritierungsakt vom 30. Juni 1995 im § 163 BDG 1979 mit dem Strukturanpassungsgesetz BGBl.

Nr. 297/1995, mit Wirkung vom 1. Mai 1995 ersatzlos weggefallen sei.

     In weiterer Folge erging der angefochtene Bescheid mit

nachstehendem Spruch:

     "Der Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung

und Kunst vom 30. Juni 1995 (GZ 18.022/1-I/6/95), mit welchem Sie gemäß § 163 Abs. 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, in der bis zum 30. April 1995 geltenden Fassung, mit Ablauf des 30. Juni 1995 von der Erfüllung Ihrer Dienstpflichten, insbesondere von Ihrer Lehrverpflichtung, als Ordentlicher Hochschulprofessor für Gitarre-Jazz an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in G entbunden wurden, wird gemäß § 68 Allgemeines Verwaltungsgesetz (AVG) in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 (DVG) aufgehoben."

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Entbindung des Beschwerdeführers von seinen Dienstpflichten als ordentlichen Hochschulprofessor für Gitarre-Jazz an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in G (vorzeitige Emeritierung aus Krankheitsgründen) sei gemäß § 163 Abs. 3 BDG 1979 in der bis zum 30. April 1995 geltenden Fassung erfolgt. Das BDG 1979 sei aber durch das Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1995, abgeändert worden. Dadurch sei im § 163 BDG 1979 unter anderem der Abs. 3, welcher die Rechtsgrundlage für die vorzeitige Emeritierung gebildet habe, entfallen. Gemäß § 247a BDG 1979 sei diese Gesetzesänderung mit 1. Mai 1995 in Kraft getreten.

Der im Spruch genannte Bescheid des Bundesministers vom 30. Juni 1995 sei nach dem Inkrafttreten der vorangegebenen Gesetzesänderung ergangen. Dieser Bescheid sei dem Beschwerdeführer unbestrittenermaßen rechtsgültig zugestellt worden und sei daher in Rechtskraft erwachsen.

Der (namentlich genannte) Rektoratsdirektor habe am 27. September 1995 niederschriftlich angegeben, dass er den Beschwerdeführer vor der Stellung seines Emeritierungsansuchens vom 24. März 1995 über die in Aussicht stehende Änderung der Rechtslage in Bezug auf die Möglichkeit einer vorzeitigen Emeritierung mit Ablauf des 30. April 1995 informiert und ihn aufgefordert habe, sein Ansuchen rasch zu stellen. Gleichfalls habe er dem Beschwerdeführer eine schriftliche Mitteilung über die zu erwartende Höhe des Emeritierungsbezuges und einen Entwurf über die Gestaltung des Ansuchens auf vorzeitige Emeritierung zukommen lassen. Diese Niederschrift sei dem Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung zur Kenntnis gebracht worden und sei von ihm unbestritten geblieben. Es entspreche hingegen nicht den Tatsachen und sei aktenmäßig nicht nachvollziehbar, dass über Vermittlung des Rektoratsdirektors eine "Nachfrist" zur Nachreichung von Unterlagen vereinbart worden wäre.

Daraus folge, dass der Beschwerdeführer jedenfalls über die Änderung der Rechtslage in Bezug auf die Möglichkeit seiner vorzeitigen Emeritierung aus Krankheitsgründen mit Ablauf des 30. April 1995 informiert gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bundesministers über die vorzeitige Emeritierung aus Krankheitsgründen habe dieser Bescheid demnach gegen die zwingenden Vorschriften des Art. I des Strukturanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 297/1995, sowie gegen die Regelungen des § 163 BDG 1979, welcher keine Möglichkeit der vorzeitigen Emeritierung aus Krankheitsgründen mehr vorgesehen habe, verstoßen.

Es seien daher folgende Umstände in Erwägung zu ziehen gewesen:

1. Der Beschwerdeführer habe unbestrittenermaßen von dem Wegfall der Möglichkeit auf vorzeitige Emeritierung aus Krankheitsgründen mit Ablauf des 30. April 1995 zeitgerecht - nämlich vor dem genannten Termin - Kenntnis erlangt. Er hätte daher wissen müssen, dass die entsprechende Gesetzesänderung mit Ablauf des 30. April 1995 in Kraft getreten sei.

2. Als ordentlicher Hochschulprofessor sei dem Beschwerdeführer auch ein solches Maß an Sorgfalt zuzumuten, dass er aus dem Inhalt des im Spruch angeführten Bescheides des Bundesministers vom 30. Juni 1995 über seine vorzeitige Emeritierung aus Krankheitsgründen hätte erkennen und daher auch wissen müssen, dass dieser Bescheid zwingenden Rechtsvorschriften widersprochen habe.

Da der Beschwerdeführer daher im Sinne des § 13 Abs. 1 DVG - bei Anwendung eines ihm zumutbaren Sorgfaltsausmaßes - hätte erkennen können und wissen müssen, dass dieser Bescheid zum Zeitpunkt seiner Erlassung zwingenden Rechtsvorschriften widersprochen habe, sei die Aufhebung dieses Bescheides zulässig gewesen.

Abschließend sei zu den Ausführungen des Beschwerdeführers bezüglich der angeblichen Gewährung einer "Nachfrist" sowie der fehlenden Übergangsbestimmungen im Strukturanpassungsgesetz 1995 bemerkt, dass eine Verwaltungsbehörde in Vollziehung der Gesetze tätig zu sein habe, weshalb die Gewährung weder gesetzlich vorgesehener noch im Ermessen der Behörde liegender Fristverlängerungen nicht möglich sei.

Gegen diesen Bescheid wandte sich der Beschwerdeführer an den Verfassungsgerichtshof, der aber die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 29. September 1998, B 56/96-13, ablehnte und diese antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abtrat.

In der für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen

Bescheid in folgenden Rechten verletzt:

"-

In dem durch § 68 AVG eingeräumten, wonach von Amts wegen nur Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, von der bescheiderlassenden Behörde oder von der in Ausübung des Aufsichtsrechtes sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden können, und andere Bescheide von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde lediglich insoweit abgeändert werden können, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Missständen oder zur Abwehrung schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist.

-

In dem durch § 13 Abs 1 DVG eingeräumten Recht, wonach in Dienstrechtsangelegenheiten eine Aufhebung oder Abänderung von rechtskräftigen Bescheiden von Amts wegen auch dann zulässig ist, wenn die Partei wusste oder wissen musste, dass der Bescheid gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt.

-

In dem durch § 163 Abs. 6 des Beamten-DienstrechtsG 1979, BGBl. Nr. 333 vor der Änderung durch das Strukturanpassungsgesetz BGBl. Nr. 297/1995 eingeräumten Recht der vorzeitigen Emeritierung, wonach auf Antrag der zuständigen Kollegialorgane der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung die vorzeitige Emeritierung aussprechen konnte, wenn der ordentliche Universitätsprofessor zwar bleibend unfähig ist, seinen Dienstpflichten, insbesondere seiner Lehrverpflichtung nachzukommen, aber seine Forschungsaufgaben (die Erschließung der Künste) weiterhin erfüllen kann."

Dem erstgenannten Beschwerdepunkt ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Aufhebung ungeachtet der Bezugnahme auf § 68 AVG inhaltlich betrachtet nur auf die Tatbestände des § 13 Abs. 1 DVG gestützt hat. Eine Auseinandersetzung mit § 68 AVG hat daher schon deshalb zu unterbleiben.

Die im Beschwerdefall zunächst inhaltlich maßgebende Bestimmung ist § 163 BDG 1979, BGBl. Nr. 333, im Wesentlichen in der Fassung BGBl. Nr. 148/1988. Diese Bestimmung lautete bis zum Inkrafttreten des Strukturanpassungsgesetzes 1995 mit 30. April 1995 - soweit dem für den Beschwerdefall Bedeutung zukommt - wie folgt:

"(3) Auf Antrag des zuständigen Kollegialorgans kann der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung die Emeritierung auch vor dem im Abs. 1 bezeichneten Tag aussprechen, wenn der Ordentliche Universitäts(Hochschul)professor zwar bleibend unfähig ist, seinen Dienstpflichten, insbesondere seiner Lehrverpflichtung, nachzukommen, aber seine Forschungsaufgaben (die Erschließung der Künste) weiterhin erfüllen kann.

(4) Soweit es das Interesse des fortlaufenden Unterrichtes erfordert, kann der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung in den Fällen des Abs. 1 die Emeritierung des Ordentlichen Universitäts(Hochschul)professors mit dessen Zustimmung auf Antrag oder nach Anhörung des zuständigen Kollegialorgans erst mit Wirksamkeit vom Tag des Dienstantrittes des Nachfolgers, spätestens jedoch mit Wirksamkeit vom Tag des Ablaufes jenes Studienjahres verfügen, in dem der Ordentliche Universitäts(Hochschul)professor das 70. Lebensjahr vollendet."

Nach Art. I Z. 3 des Strukturanpassungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 297, sind im § 163 die Abs. 3, 4 und 6 entfallen und erhielten die bisherigen Abs. 5, 7 und 8 die Bezeichnung 3, 5 und 6. Mit Art. I Z. 4 wurde ein neuer Abs. 4 eingefügt.

Auf ordentliche Universitäts(Hochschul)professoren, die gemäß § 163 Abs. 3 und 4 in der bis zum Ablauf des 30. April 1995 geltenden Fassung emeritiert worden sind, ist nach § 247a (nach der Novelle BGBl. Nr. 820/1995 § 247b BDG 1979), § 163 Abs. 6 in Verbindung mit § 163 Abs. 3 und 4 BDG 1979 jeweils in der bis zum Ablauf des 30. April 1995 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Die Neuregelung des § 163 BDG 1979 ist nach Art. I Z. 8 des Strukturanpassungsgesetzes 1995 durch Anfügung eines Abs. 16 an § 278 leg. cit. nach Z. 2 der genannten Bestimmung neben einer Reihe anderer darin genannter Regelungen mit 1. Mai 1995 (bezogen auf den Ausgabetag des Bundesgesetzblattes mit 4. Mai 1995) rückwirkend in Kraft getreten.

Die pensionsrechtlichen Übergangsbestimmungen zum Strukturanpassungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 297, sind im § 62b des Pensionsgesetzes 1995 enthalten, ohne dass dieser Bestimmung für den Beschwerdefall etwas zu entnehmen ist.

Eine dem § 62c Abs. 1 PG 1965 vergleichbare Übergangsregelung für bereits anhängige bzw. eingeleitete Fälle fehlt dem Strukturanpassungsgesetz 1995.

Nach § 13 Abs. 1 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29 (WV), ist in Dienstrechtsangelegenheiten - in Ergänzung zu § 68 AVG - eine Aufhebung oder Abänderung von rechtskräftigen Bescheiden von Amts wegen auch dann zulässig, wenn die Partei wusste oder wissen musste, dass der Bescheid gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt.

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass im Emeritierungsbescheid der belangten Behörde vom 30. Juni 1995 die angewendeten gesetzlichen Bestimmungen weder im Wortlaut enthalten noch ordnungsgemäß zitiert sind. Diesem Bescheid ist als Rechtsgrundlage lediglich zu entnehmen: "§ 163 Abs. 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, in der geltenden Fassung." Die Nachschau beim § 163 im BGBl. Nr. 333 hätte zur Regelung der "schulfesten Stellen" geführt. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach dargelegt, dass der Hinweis auf die angewendete Rechtsgrundlage mit der Beifügung "in der geltenden Fassung" nicht den die Behörde treffenden verfahrensrechtlichen Verpflichtungen nach § 59 des nach § 1 Abs. 1 DVG anwendbaren AVG entspricht (vgl. z.B. hg. Erkenntnisse vom 19. Dezember 2000, Zl. 98/12/0111, oder vom 21. Februar 2001, Zl. 98/12/0415). Diesem Mangel kommt bei der Anwendung des § 13 Abs. 1 DVG in Verbindung mit den nachfolgenden Überlegungen entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

Die belangte Behörde stützt ihren den rechtskräftigen Ernennungsbescheid vom 30. Juni 1995 aufhebenden Bescheid (= angefochtener Bescheid) im Sinne des § 13 Abs. 1 DVG zunächst darauf, dass der Beschwerdeführer durch den Rektoratsdirektor vor seiner Antragstellung (24. März 1995) von der bevorstehenden Änderung der Rechtslage informiert worden sei, was im Verfahren von ihm unwidersprochen geblieben sei. Daraus folge - so die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides -, dass der Beschwerdeführer über die Änderung der Rechtslage in Bezug auf die Möglichkeit der vorzeitigen Emeritierung aus Krankheitsgründen mit Ablauf des 30. April 1995 informiert gewesen sei.

Diese Aussage ist im Sinne des § 13 Abs. 1 DVG dahin zu verstehen, dass die belangte Behörde davon ausgeht, der Beschwerdeführer habe gewusst (erster Tatbestand des § 13 Abs. 1 DVG), dass der Ernennungsbescheid des Bundesministers vom 30. Juni 1995 den zwingenden Vorschriften des § 163 BDG 1979 in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1995 nicht entsprochen hat.

Dem ist aber entgegenzuhalten, dass diese Tatsachenfeststellung der belangten Behörde durch das Verfahrensergebnis nicht gedeckt ist. Insbesondere ist der Aussage des Rektoratsdirektors weder Konkretes über den Inhalt seiner Mitteilung an den Beschwerdeführer über die erst in Vorbereitung befindliche gesetzliche Neuregelung zu entnehmen, noch dass das Inkrafttreten ohne Übergangsbestimmungen für bereits anhängig gewordene Fälle, wie dem Beschwerdefall, erfolgen wird. Die Möglichkeit einer umfassenden und fundierten Information des Beschwerdeführers bereits im März 1995 über die mit 1. Mai 1995 in Kraft getretene und erst am 4. Mai 1995 im Bundesgesetzblatt verlautbarte gesetzliche Neuregelung scheint im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf des Gesetzgebungsaktes bzw. dessen Verlautbarung nicht gegeben. Es kann daher nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer schon auf Grund der Mitteilung des Rektoratsdirektors von dem Verstoß des Ernennungsbescheides vom 30. Juni 1995 gegen zwingende gesetzliche Vorschriften im Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides im Sinne des § 13 Abs. 1 DVG "gewusst" hat. Dass der Beschwerdeführer auf Grund anderer Umstände eine derartige Kenntnis hatte, lässt sich weder aus den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde noch aus dem übrigen Akteninhalt entnehmen. Es liegt vielmehr bei dem im Beschwerdefall gegebenen spezifischen Sachzusammenhang nahe, dass der Beschwerdeführer zwar in Kenntnis einer bevorstehenden gesetzlichen Neuregelung im Sinn einer Verschlechterung seinen Antrag gestellt hat, aber im Zeitpunkt der Erlassung des Ernennungsbescheides jedenfalls nicht wusste, dass dieser gegen die zwingenden gesetzlichen Vorschriften des Strukturanpassungsgesetzes verstieß, sondern auf das rechtmäßige Handeln oberster Organwalter vertraute.

Der belangten Behörde ist aber auch nicht in der Beurteilung der Rechtsfrage hinsichtlich des zweiten Tatbestandes des § 13 Abs. 1 DVG zu folgen. Zwar handelte es sich bei den im Beschwerdefall maßgebenden Regelungen des Strukturanpassungsgesetzes 1995 um zwingende Vorschriften nach § 13 Abs. 1 DVG, doch ist die Problematik des Beschwerdefalles nur unter Berücksichtigung der Übergangs- und Inkrafttretens-Bestimmungen hinsichtlich dieser Novelle zu lösen. Auch bei der im Dienstrechtsverfahren gebotenen objektiven Betrachtung wird damit der nach § 1297 ABGB entscheidende Sorgfaltsmaßstab überspannt. Im Beschwerdefall hätten vielmehr im Hinblick auf die Anhängigkeit des Emeritierungsverfahrens des Beschwerdeführers auch verfassungsrechtliche Gründe für das Vorliegen einer Übergangsregelung mit einer Weitergeltungsnorm für anhängige Fälle gesprochen. Es kann daher auch nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer objektiv gesehen den Verstoß gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen hätte wissen müssen.

Die belangte Behörde ist daher zu Unrecht von der Anwendbarkeit des § 13 Abs. 1 DVG ausgegangen; der angefochtene Bescheid erweist sich demnach als inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu beheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Oktober 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999120054.X00

Im RIS seit

29.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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