TE UVS Tirol 2003/08/06 2003/25/094-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2003
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alexander Hohenhorst über die Berufung von Mag. A. M., Innsbruck, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. G. H. W., 6020 Innsbruck vom 17.07.2003 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters von Innsbruck vom 11.07.2003, Zl. II-STR-01158e/2003, betreffend Übertretung nach der Gewerbeordnung, wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit §§ 24 und 51 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde Herrn Mag. A. M. folgendes zur Last gelegt:

 

?Mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck (als Bezirksverwaltungsbehörde) vom 24.06.1997, Zl. III-1401/RR/1997/T, wurde der XY Warenvertriebs GmbH mit Sitz in XY, die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung für die Betriebsanlage in Innsbruck, XY erteilt.

 

Unter Punkt 1. dieses Bescheides wurde folgende Auflage vorgeschrieben:

 

?Ladetätigkeiten, Verräumen von Leergut etc sind, sofern diese mit Schallereignissen, die die Nachbarschaft belästigen können, verbunden sind, nur werktags in der Zeit von 06.00 Uhr bis 12.00 Uhr und 14.00 Uhr bis 20.00 Uhr zulässig. Außerhalb dieser Zeiten ist die Anlieferung ausschließlich für Frischdienste wie Molkereiprodukte, durch maximal einen lärmarmen Lkw, welcher geräuscharme Ladebordwände besitzt, gestattet. Der Betreiber der Anlage hat dafür Sorge zu tragen, dass diese Zeiten auch von den Zulieferfirmen eingehalten werden. Weiters sind die Lieferanten anzuhalten, während der Ladetätigkeit die Motoren und Rundfunkgeräte ihrer Fahrzeuge abzustellen.?

 

Im Zuge des durch die XY Warenvertriebs GmbH am 10.06.2003 um ca. 05.18 Uhr und am 11.06.2003 um ca. 05.15 Uhr zum Zwecke der Ausübung des Handelsgewerbes unternommen Betreibens der vom vorher zitierten gewerbebehördlichen Bescheid erfassten Betriebsanlage in Innsbruck, XY, wurde die Erfüllung der oben (zu diesem Faktum) zitierten Vorschreibung bzw eine Folgeleistung im Sinne dieser Vorschreibung unterlassen, und zwar wurde durch die XY Warenvertriebs GmbH als Inhaberin der Betriebsanlage zu den zuvor angeführten Zeiten insofern unterlassen, für die Einhaltung der oben zitierten betriebsanlagenrechtlichen Vorschreibung zu sorgen, als am 10.06.2003 um ca. 05.18 Uhr mittels eines Lastkraftwagens mit dem amtlichen Kennzeichen XY (A) und am 11.06.2003 um ca. 05.15 Uhr ebenfalls mittels des Lastkraftwagens mit dem amtlichen Kennzeichen XY (A) eine Warenlieferung zur dortigen Betriebsanlage durchgeführt und damit zusammenhängender vom Motor des betreffenden Lastkraftwagens und von den im Zuge von Ladetätigkeiten anfallenden Manipulationen herrührender Lärm verursacht wurde; Gegenstand dieser zuvor konkretisierten Anlastungen bildenden Warenanlieferungen bzw Ladetätigkeiten sind nicht Molkereiprodukte, sondern andere (Handels-) Waren gewesen.

 

Durch die XY Warenvertriebs GmbH wurde es zufolge dieses eben beschriebenen Sachverhaltes als Inhaberin der angeführten Betriebsanlage zur vorangeführten Zeit unterlassen, für eine Entsprechung bzw eine Folgeleistung im Sinne der vorzitierten Vorschreibung zu sorgen.

 

Sie haben dadurch als seitens der XY Warenvertriebs GmbH für die Ausübung des Handelsgewerbes bestellter verantwortlicher gewerberechtlicher Geschäftsführer eine Verwaltungsübertretung nach § 367 Z 25 Gewerbeordnung, BGBl. Nr. 194/1994 in Verbindung mit Punkt 1 des Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck (als Bezirksverwaltungsbehörde) vom 24.06.1997, Zl. III-1401/RR/1997/T, sowie des Weiteren in Verbindung mit § 370 Abs 1 Gewerbeordnung begangen.?

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschuldigten gemäß § 367 (Einleitungssatz) Gewerbeordnung eine Geldstrafe von Euro 500,00 (im Nichteinbringungsfall 5 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Die Beitragspflicht zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz wurde mit Euro 50,00 bestimmt.

 

Dagegen richtet sich die zulässige und rechtzeitige Berufung, in der im Wesentlichen vorgebracht wird, dass die Feststellung ?andere Handelsware? ungenügend und ungenau sei. Beim Wort Frischdienst sei beispielhaft Molkereiprodukte angeführt. Unter Frischdienst seien alle leichtverderblichen Lebensmittel mit kurzer Haltbarkeitsfrist zu verstehen. In der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung werde deshalb zwischen Mindesthaltbarkeitsdatum und Verbrauchsdatum unterschieden, wobei letzteres nur in mikrobiologischer Hinsicht bei sehr leicht verderblichen Waren, die nach kurzer Zeit eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen könnten, anzugeben ist. Dazu gehören nicht nur Molkereiprodukte sondern auch Frischfleisch bzw alle Waren, die ein kurzes Ablaufdatum haben und vor allem auch Brot, welches sogar nur einen Tag verkäuflich ist und frisches Brot werde vom Konsumenten zeitig in der Früh für das Frühstück verlangt. Vor 06.00 Uhr in der Früh seien nur Milch, Brot und Fleisch angeliefert worden, während andere, ebenfalls leicht verderbliche, Lebensmittel wie Obst und Gemüse oder auch Milchprodukte mit längerer Haltbarkeit erst ab 06.00 Uhr oder später angeliefert würden, um die Anrainer nicht zu stören. Die Firma XY habe sogar den gesetzlich vorgeschriebenen aber störenden Rückfahrpiepser für Lkws durch Rückfahrkameras und Videoanlage ersetzt. Wenn die Strafbehörde eine Übertretung der Gewerbeordnung bzw eine Nichtbeachtung der Auflage behaupte, so hätte sie im Spruch festhalten müssen, welche Waren geliefert und warum diese nicht der Bezeichnung Frischdienst zuzuordnen seien. Für die Einteilung und Beladung der Fahrzeuge in den frühen Morgenstunden sei Herr R. E. zuständig, der mit seinen Unterlagen Lkw, Zeit der Anlieferung und Ware erklären und belegen könne. Dessen Einvernahme als Zeuge werde beantragt. Die Berufungsbehörde wolle das bekämpfte Straferkenntnis beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

 

Die Berufungsbehörde hat hiezu erwogen:

 

Gemäß § 367 Z 25 Gewerbeordnung 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu Euro 2.180,00 zu bestrafen ist, wer Gebote oder Verbote von gemäß § 82 Abs 1 oder § 84d Abs 7 erlassenen Verordnungen nicht befolgt oder die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält.

 

Die Vorschreibung 1. im Spruch des gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsbescheides gemäß § 74 ff Gewerbeordnung 1994 des Bürgermeisters von Innsbruck vom 24.06.1997, III-1401/RR/1997/T, lautet:

 

Ladetätigkeiten, Verräumen von Leergut etc sind, sofern diese mit Schallereignissen, die die Nachbarschaft belästigen können, verbunden sind, nur werktags in der Zeit von 06.00 Uhr bis 12.00 Uhr und von 14.00 Uhr bis 20.00 Uhr zulässig. Außerhalb dieser Zeiten ist die Anlieferung ausschließlich für Frischdienste, wie Molkereiprodukte, durch maximal einen lärmarmen Lkw, welcher geräuscharme Ladebordwände besitzt, gestattet. Der Betreiber der Anlage hat dafür Sorge zu tragen, dass diese Zeiten auch von den Zulieferfirmen eingehalten werden. Weiters sind die Lieferanten anzuhalten, während der Ladetätigkeit die Motoren und Rundfunkgeräte ihrer Fahrzeuge abzustellen.

 

Diese Auflage erlaubt es somit, auch außerhalb der angeführten Zeiten bestimmte Waren, die als ?Frischdienste? beschrieben sind, anzuliefern. Nach dem Wort Frischdienste ist beigefügt ?wie Molkereiprodukte?; damit ist klar, dass Molkereiprodukte von dieser Ausnahme umfasst sein sollen, durch das ?wie? ergibt sich, dass es sich dabei jedoch nur um eine beispielhafte und keine erschöpfende Aufzählung handelt. Folglich müssen noch weitere Waren unter den Begriff Frischdienste zu zählen sein. Das Wort ?Frischdienst? ist kein Legalbegriff, weshalb es dafür auch keine gesetzliche Definition gibt, was dazu zu zählen ist. Nahe liegender Weise werden zu Frischdiensten alle Lebensmittel zu zählen sein, die über ein kurzes Ablaufdatum verfügen und leicht verderblich sind, so wie auch Molkereiprodukte. Bei Brot kann nur im Handel die Produktion des jeweiligen Tages verkauft werden, somit handelt es sich dabei jedenfalls um ein Lebensmittel, welches nur frisch verkauft werden kann, da es sehr schnell altert. Auch Frischfleischprodukte haben üblicherweise keine längeren Ablaufdaten als Molkereiprodukte; demnach müssten auch sie von der beispielhaften Aufzählung des Wortes ?Frischdienste? umfasst sein.

 

Da es für das Wort ?Frischdienste? keinen Legalbegriff gibt, muss im Wege der Analogie nach der Definition eines gleichartigen Begriffes gesucht werden. Wenn sich der Berufungswerber darauf beruft, dass er mit der Ausnahmegenehmigung für Frischdienste nur Molkereiprodukte, Brot und Frischfleisch anliefern hat lassen, so steht jedenfalls fest, dass diese drei Arten von Lebensmittel als ?leicht verderblich? zu bezeichnen sind. In Bezug auf § 42 Abs 3 StVO sind ?leicht verderblich? solche Lebensmittel, deren Genießbarkeit durch Verfaulen, Frieren oder Austrocknen beeinträchtigt werden kann.

Hierunter fallen insbesondere: Obst, Gemüse, Kartoffeln, Zuckerrüben, Südfrüchte, Molkereiprodukte, Eier, Margarine, Speisefette, Kühlwaren, Pilze, Fleisch und Fleischwaren, Fische, Geflügel, Speiseeis, Maische, genussfertige Lebensmittel (Aspik, Majonäse usw), Brot und Backwaren, gestochenes und geschlachtetes Vieh ? BMH 24.04.1961, 184.065-IV/28-61. Demnach würden die gemäß den Lieferscheinen am 10.06.2003 um 05.18 Uhr und am 11.06.2003 um 05.15 Uhr gelieferten Waren jedenfalls unter diesen Begriff fallen.

 

Die Auflage in Punkt 1 des Spruches ist durch die Anführung eines einzigen Beispieles so allgemein formuliert, dass eine Exekutierbarkeit in Ermangelung einer gesetzlichen oder aus der Rechtsprechung bzw Verwaltungspraxis sich ergebenden Definition sehr schwierig ist. Eine von der Behörde ungenau formulierte Auflage ist dann im Falle der Vollstreckung bzw eines Verwaltungsstrafverfahrens in Zweifel zu Gunsten der betroffenen Partei auszulegen. Demnach müssen unter Frischdiensten auch solche Lebensmittel verstanden werden, die eine ähnlich kurze Haltbarkeit und leichte Verderblichkeit aufweisen wie Molkereiprodukte. Brot und Frischfleisch fallen jedenfalls auch darunter. Andere Waren wurden laut den genauen Aufzeichnungen des Erhebungsamtes zu den vorgeworfenen Zeiten nicht geliefert.

 

Daraus ergibt sich, dass der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, weshalb der Berufung Folge zu geben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen war.

Schlagworte
Anlieferung, Frischdienste, Auflage, Exekutierbarkeit
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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