Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 AVG, BGBl Nr 51/1991, iVm § 24 VStG, BGBl Nr 52/1991, jeweils in der derzeit geltenden Fassung, stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.
Gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG wird die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügt.
Die Bezirkshauptmannschaft X verhängte über die Berufungswerberin mit Straferkenntnis vom 25.7.2002, Zl 3-****-**, eine Geldstrafe in der Höhe von ? 50,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) wegen Übertretung der des § 37 Abs 1 Z 6 der NÖ Bauordnung 1996. Es wird ihr angelastet, sie habe als Bauwerberin und Grundeigentümerin zu verantworten, dass ein bewilligtes und fertig gestelltes Bauwerk vor Anzeige der Fertigstellung benützt wurde. Weiters habe sie die Fertigstellung des Bauwerks nicht angezeigt.
Die Beschuldigte behauptet in der gegen das Straferkenntnis rechtzeitig eingebrachten Berufung u a, das Bauvorhaben sei noch nicht fertiggestellt. Sie und ?andere Personen wie Bauarbeiter? müssten sich dort ?aufhalten können?, um das Haus fertig zu stellen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:
Die Berufungsbehörde hat gemäß § 66 Abs 4 AVG, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Eine Verwaltungsübertretung begeht gemäß § 37 Abs 1 der NÖ Bauordnung 1996 in der zur Tatzeit geltenden Fassung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Handlung bildet, wer
1.
die Anzeige der Fertigstellung unterlässt (Z 4), sowie
2.
ein Bauwerk vor Anzeige der Fertigstellung und Vorlage der Bescheinigungen, Befunde und Pläne nach § 30 Abs 2 oder vor der Feststellung der bewilligungsgemäßen Ausführung durch die Baubehörde benützt (Z 6).
Wer vorsätzlich veranlasst, dass ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht, oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, unterliegt gemäß § 7 VStG der auf diese Übertretung gesetzten Strafe, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist.
Der Spruch eines Straferkenntnisses hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, gemäß § 44 a VStG unter anderem die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.
§ 44 a Z 1 VStG gebietet, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass eine Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht.
?Unverwechselbares Feststehen der Identität der Tat? bedeutet, dass im Spruch eines Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren (Wiederaufnahmeverfahren), auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen zu widerlegen und des weiteren muss der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.
§ 37 Abs 1 Z 6 der NÖ Bauordnung 1996 stellt die Benützung eines Bauwerks, nicht aber die Verantwortlichkeit dafür, dass ein Bauwerk (vor der Anzeige der Fertigstellung) benützt wurde, unter Strafsanktion. Zwar käme diesbezüglich eine Bestrafung wegen Mittäterschaft in Betracht, hiezu mangelt es allerdings am Vorwurf der vorsätzlichen Tatbegehung und der Benennung eines eventuellen unmittelbaren Täters.
Aus der verbalen Tatanlastung ist zusätzlich auch eine Übertretung des § 37 Abs 1 Z 4 der NÖ Bauordnung 1996 ableitbar. In dieser Hinsicht ist jedoch keiner behördlichen Verfolgungshandlung der Zeitpunkt der (übrigens von der Beschuldigten ausdrücklich bestrittenen!) Fertigstellung des Bauwerks zu entnehmen, sodass offen bleibt, wann die Anzeige zu erstatten gewesen wäre.
Das Straferkenntnis war daher aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 51 e Abs 2 Z 1 VStG unterbleiben, weil der Bescheid bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben war.