TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/17 96/08/0120

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Veröffentlicht am 17.10.2001
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Index

L92056 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Steiermark;
L92106 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
22/01 Jurisdiktionsnorm;

Norm

BehindertenG Stmk 1964 §40 Abs2 idF 1993/080;
JN §66 Abs1;
SHG Stmk 1977 §34;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Sozialhilfeverbandes Weiz, vertreten durch Klement-Schreiner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 29/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 24. April 1996, Zl. 9-26-4/1996-11, betreffend Kostentragung nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1968 geborene Hans-Christian H. war vom 21. Dezember 1993 bis 20. März 1994 im Landesnervenkrankenhaus Graz stationär untergebracht; die Kosten hiefür wurden vom Land Steiermark getragen. Ab 21. März 1994 wurde er in die "Wohngemeinschaft A" aufgenommen. Seinem Antrag auf Übernahme der Unterbringungskosten wurde mit Bescheid des Magistrates Graz vom 15. Juli 1994 stattgegeben.

Mit Schreiben vom 24. Februar 1994 ersuchte der Magistrat Graz den beschwerdeführenden Sozialhilfeverband, die endgültige Kostentragungspflicht für die Hans-Christian H. nach dem Stmk. Behindertengesetz 1964 gewährten Hilfeleistungen anzuerkennen. Hans-Christian H. sei nämlich vor seiner Strafhaft (Mai 1991 bis Dezember 1993 in der Strafanstalt Karlau) in Weiz wohnhaft gewesen.

Der Sozialhilfeverband lehnte die Anerkennung einer Kostenerstattungspflicht ab, da der Genannte zur Zeit der Hilfeleistung im Bezirk Weiz keinen Wohnsitz gehabt habe. Er sei auch nicht unmittelbar nach seiner Haftentlassung in das Landesnervenkrankenhaus Graz eingewiesen worden, sondern habe sich in der Zeit vom 16. bis 20. Dezember 1993 außerhalb der Krankenanstalt aufgehalten.

Der Magistrat Graz stellte daraufhin bei der Stmk. Landesregierung (belangte Behörde) den Antrag, gemäß § 34 Abs. 7 des Stmk. Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 1/1977 (in der Folge: Stmk. SHG), zu entscheiden, welchem Sozialhilfeträger die endgültige Kostentragungspflicht zukomme.

Nach den Erhebungen der Landesregierung war Hans-Christian H. in der Zeit vom 16. bis 20. Dezember 1993 bei seiner Großmutter in Weiz polizeilich gemeldet. Seine Mutter gab dazu am 16. März 1995 niederschriftlich vernommen an, dass ihr Sohn nach der Haftentlassung und vor dem Aufenthalt im Landesnervenkrankenhaus Graz wohl bei ihrer Mutter (seiner Großmutter) auf Besuch gewesen sei, dort jedoch nicht einmal geschlafen habe. Zu diesem Zweck sei er nach Graz gefahren, wo er angeblich einen Bewährungshelfer gehabt habe. Wo er sich in Graz aufgehalten habe, wisse sie nicht. Auch nachher sei ihr Sohn nur besuchsweise zu ihr und ihrer Mutter gekommen; von einem Wohnsitz im eigentlichen Sinne könne somit keine Rede sein. Sie sei überrascht gewesen, dass ihr Sohn überhaupt bei ihrer Mutter polizeilich gemeldet gewesen sei. Nach seiner Entlassung aus dem Landesnervenkrankenhaus dürfte er direkt ins "A" übersiedelt sein.

Auf Befragen, wo er sich in der Zeit vom 16. bis 20. Dezember 1993 aufgehalten habe, erklärte (der bereits wieder in Haft befindliche) Hans-Christian H. am 9. Oktober 1995, dies nicht beantworten zu können. Für diesen Zeitraum "fehl(e) ihm die Erinnerung."

Nach den weiteren Ermittlungen der belangten Behörde hatte Hans-Christian H. vor seiner Aufnahme in das Landesnervenkrankenhaus Graz die "BAN" als Kontaktadresse angegeben. Dabei handle es sich um keinen ordentlichen Wohnsitz, sondern um eine Anschrift, welche von Personen unsteten Aufenthalts für die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld, Sozialhilfe oder dgl. angeführt werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, der beschwerdeführende Sozialhilfeverband sei gemäß §§ 4 lit. a, 5 und 40 Abs. 2 des Stmk. Behindertengesetzes 1964 in Verbindung mit § 34 Stmk. SHG für die Hans-Christian H. gewährte Hilfeleistung zur Kostentragung verpflichtet.

In der Begründung wurde nach Wiedergabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen aufgelistet, wo Hans-Christian H. seit 1988 an amtlich gemeldet gewesen sei:

"Am 25.10.1988

Zuzug vib O/Schweiz

 

nach Weiz, L. Weg

am 1.1.1991

ohne Abmeldung verzogen.

am 2.5.1991

Zuzug von BRD-M

 

nach Weiz, B. Straße

vom 7.5.1991

Graz, C. Straße/landesgerichtliches

bis 5.1.1993

Gefangenenhaus (ohne Abmeldung in Weiz)

vom 5.1.1993

Graz, H. Gasse,

bis 16.12.1993

Strafvollzugsanstalt Karlau (ohne

 

Abmeldung in Weiz)

vom 22.3.1994

Graz, H. Gasse, A,

bis 9.1.1995

(dazwischen per 14.6.1994 Abmeldung Weiz)

vom 13.7.1995

Graz, C. Straße,

bis 15.2.1996

(landesgerichtliches Gefangenenhaus)

seit 15.2.1996

Hirtenberg, L. Straße,

 

(Justizanstalt Hirtenberg)"

In der weiteren Begründung vertrat die belangte Behörde die Auffassung, es sei nicht nachvollziehbar, wo sich Hans-Christian H. zwischen dem 16. Dezember 1993 und dem 20. Dezember 1993 tatsächlich aufgehalten habe. Wie aus den aufgelisteten Meldedaten ersichtlich sei, sei er jedoch "per 21.12.1993 in Weiz, B. Straße, gemeldet" gewesen. Es sei daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich die Frage strittig, ob der beschwerdeführende Sozialhilfeverband die Kosten der dem Hans-Christian H. nach dem Stmk. Behindertengesetz 1964 gewährten Hilfeleistung endgültig zu tragen hat.

Nach § 40 Abs. 2 des Stmk. Behindertengesetzes 1964 in der Fassung LGBl. Nr. 80/1993 gelten hinsichtlich der Kostentragung der Sozialhilfeverbände und Städte mit eigenem Statut untereinander die Bestimmungen des Stmk. Sozialhilfegesetzes in der jeweils geltenden Fassung.

§ 34 des genannten Stmk. Sozialhilfegesetzes in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 1/1977 lautet auszugsweise:

"§ 34. Kostentragung nach Aufenthalt und Herkunft

(1) Zur vorläufigen Tragung der Kosten ist jener Sozialhilfeverband (Stadt mit eigenem Statut) verpflichtet, in dessen Bereich sich der Hilfe Suchende aufhält (Aufenthaltsverband). Ihm obliegt die endgültige Kostentragung, wenn die Hilfsbedürftigkeit festgestellt wurde und der Hilfsbedürftige im örtlichen Bereich des Aufenthaltsverbandes zur Zeit der Hilfeleistung seinen ordentlichen Wohnsitz hatte.

(2) Soweit der Aufenthaltsverband nach Abs. 1 zur Kostentragung nicht endgültig verpflichtet ist, obliegt die endgültige Kostentragung jenem Sozialhilfeverband (Stadt mit eigenem Statut), in dessen örtlichem Wirkungsbereich der Hilfsbedürftige zur Zeit der Hilfeleistung seinen ordentlichen Wohnsitz hatte (Herkunftsverband). Die Pflicht, die Kosten endgültig zu tragen, endet bei Aufenthaltswechsel erst drei Monate nach der letzten ununterbrochenen Hilfeleistung.

(3) Falls eine endgültige Verpflichtung nach den Abs. 1 und 2 nicht festgestellt werden kann, trifft den Aufenthaltsverband die Pflicht, die Kosten der gewährten Hilfe endgültig zu tragen.

...

(7) Über Streitigkeiten hinsichtlich der Pflicht, die Kosten endgültig zu tragen, entscheidet die Landesregierung."

Voraussetzung für die endgültige Kostentragungspflicht des beschwerdeführenden Sozialhilfeverbandes wäre daher nach § 34 Abs. 2 leg. cit, dass Hans-Christian H. zur Zeit der Hilfeleistung im örtlichem Wirkungsbereich des Sozialhilfeverbandes seinen ordentlichen Wohnsitz hatte.

Der Begriff des Wohnsitzes schließt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Zweifaches in sich, nämlich ein tatsächliches Moment - die Niederlassung in einem Orte - und ein psychisches, und zwar die Absicht, in dem Orte der Niederlassung bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Die Begründung eines Wohnsitzes setzt einen tatsächlichen ununterbrochenen Aufenthalt an diesem Ort nicht voraus, vielmehr kann auch ein aus einem bestimmten Anlass zeitlich beschränkter Aufenthalt einen Wohnsitz begründen, wobei der polizeilichen Anmeldung kein entscheidendes Gewicht beizumessen ist. Eine Person kann auch mehrere Wohnsitze haben, wobei die Begründung eines neuen Wohnsitzes noch nicht bedeutet, dass der alte Wohnsitz aufgegeben werden muss. Der Aufenthaltsort muss allerdings bewusst zum wirtschaftlichen und faktischen Mittelpunkt gemacht werden, es darf sich bei dieser Wahl um keine Provisorialmaßnahme handeln (vgl. z.B. das zum Wr. Sozialhilfegesetz ergangene Erkenntnis vom 8. November 1995, Zl. 94/03/0245, mit Hinweis auf Vorjudikatur).

Unabhängig von der Frage, ob Hans-Christian H. vor seiner Strafhaft einen Wohnsitz in Weiz gehabt hatte, kann jedenfalls aufgrund der Ermittlungen der belangten Behörde nicht gesagt werden, dass er im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung nach seiner Haft wieder einen Wohnsitz in Weiz genommen hat, fehlte es doch schon am tatsächlichen Moment der Niederlassung an diesem Ort. Die von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretene Auffassung, im Beschwerdefall reiche die subjektive Komponente allein für die Beurteilung des ordentlichen Wohnsitzes aus, erweist sich als unzutreffend.

Kann - wie im Beschwerdefall - eine endgültige Verpflichtung nach den Abs. 1 und 2 des § 34 Stmk. SHG nicht festgestellt werden, so trifft vielmehr nach Abs. 3 den Aufenthaltsverband die Pflicht, die Kosten der gewährten Hilfe endgültig zu tragen.

Die belangte Behörde belastete daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Oktober 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1996080120.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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