Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alexander Hohenhorst über die Berufung des Herrn A. G., D-K., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt A. P., D-D., vom 18.09.2003 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 08.09.2003, Zl VK-6760-2003, betreffend Übertretungen nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft und der Straßenverkehrsordnung wie folgt:
I.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm den §§ 24 und 51 VStG wird die Berufung hinsichtlich der Übertretung nach § 30 Abs 1 Z 4 IG-L (Faktum 1) als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von 20 Prozent der verhängten Strafe, das sind Euro 43,60, zu bezahlen.
II.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm den §§ 24 und 51 VStG wird hinsichtlich der Übertretung nach § 42 Abs 6 Straßenverkehrsordnung (Faktum 2) der Berufung insoferne Folge gegeben, als die Geldstrafe in der Höhe von Euro 218,00 auf Euro 72,00, bei Uneinbringlichkeit 20 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt wird.
Dementsprechend wird der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gemäß § 64 Abs 2 VStG mit Euro 7,20 neu festgesetzt.
Das Straferkenntnis wird dahingehend berichtigt, dass der Beschuldigte nicht Lenker eines Lkw mit Anhänger, sondern eines Sattelkraftfahrzeuges mit den deutschen Kennzeichen XY und XY war.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 25.03.2003 um 22.45 Uhr in Kundl, A12 bei km 24,3 in Fahrtrichtung Westen als Lenker des Lkw mit Anhänger, XY
(D),
1. ein Kraftfahrzeug mit über 7,5 t höchstes zulässiges Gesamtgewicht entgegen den Bestimmungen des § 30 Abs 1 Z 4 IG-L iVm § 3 der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 10.09.2002, BGBl Nr 349/2002 das ?Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge über 7,5 t höchstes zulässiges Gesamtgewicht zwischen 22.00 Uhr bis 05.00 Uhr? auf der A12 Inntalautobahn zwischen Strkm 20,359 im Gemeindegebiet von Kundl und Strkm 66,780 im Gemeindegebiet von Ampass missachtet, obwohl die Fahrt nicht unter die Ausnahmebestimmungen der Verordnung fiel und er auch nicht im Besitz einer Ausnahmegenehmigung war und
2. er sei mit einem Lastkraftwagen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t in der Zeit von 22.00 Uhr bis 05.00 Uhr auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verbotenerweise gefahren, obwohl diese Fahrt nicht zu den Ausnahmen gemäß § 42 Abs 6 lit c StVO (lärmarme Fahrzeuge) gezählt habe.
Der Beschuldigte habe dadurch zu 1. gegen § 30 Abs 1 Z 4 IG-L iVm der zitierten Verordnung und zu 2. gegen § 42 Abs 6 StVO verstoßen, weshalb über ihn zu 1. gemäß § 30 Abs 1 Z 4 IG-L eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 218,00 (im Nichteinbringungsfall 60 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) und zu 2. gemäß § 99 Abs 2b StVO eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 218,00 (im Nichteinbringungsfall 60 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Die Beitragspflicht zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz wurde mit Euro 43,60 bestimmt.
Gegen dieses Straferkenntnis hat Herr G. durch seinen Rechtsvertreter fristgerecht und zulässig Berufung erhoben und diese damit begründet, dass die Strafe zu Faktum 2 nicht verständlich sei, da er ein lärmarmes Fahrzeug gelenkt hätte. Das Nachtfahrverbot sei bereits zu Faktum 1 mit Strafe bedroht, weshalb sich eine Doppelbestrafung ergebe. Als er das Verbotsschild hinsichtlich Faktum 1 gesehen habe, habe er unverzüglich den nächsten Parkplatz angefahren. Ihm sei vorher die Gültigkeit des Nachtfahrverbotes nicht bekannt gewesen. Die Doppelbestrafung sei der Hauptgrund für seine Berufung, da dies mit deutschem Recht nicht vereinbar sei.
Die Berufungsbehörde hat hiezu wie folgt erwogen:
Die Erstbehörde hat bereits den vollen Wortlaut der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 10.09.2002 wiedergegeben, deren Zuwiderhandlung von § 30 Abs 1 Z 4 IG-L zur Verwaltungsübertretung erklärt wird. Ebenso wird in der Begründung die Bestimmung des § 42 Abs 6 lit c der Straßenverkehrsordnung zitiert.
Wenn sich der Berufungswerber nun wegen einer Doppelbestrafung beklagt, so ist er auf § 22 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz zu verweisen. Dieser lautet:
?Hat jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen.?
Somit gilt das ?Kumulationsprinzip?, wonach jede Übertretung separat zu bestrafen ist. Dies auch dann, wenn durch eine einzige Handlung gleichzeitig mehrere Vorschriften verletzt werden (?Idealkonkurrenz?). Im gegenständlichen Fall stellt das Befahren der Inntalautobahn in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 05.00 Uhr sowohl einen Verstoß gegen das Fahrverbot nach dem IG-Luft dar, als auch einen gegen die Straßenverordnung, wenn es sich um kein lärmarmes Kraftfahrzeug handelt und keine entsprechende Bestätigung mitgeführt wird.
Nach § 2 Abs 2 sind nach dem Verwaltungsstrafgesetz nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Eine Übertretung ist im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist. Damit gilt das ?Territoritalitätsprinzip?, wonach jedermann für eine in Österreich begangene Verwaltungsübertretung nach österreichischem Recht zur Verantwortung gezogen wird, unabhängig von seiner Staatszugehörigkeit. Das ?Personalitätsprinzip?, wonach jedermann überall nach dem Recht seines Heimatstaates zur Verantwortung zu ziehen ist, kommt in Österreich nicht zur Anwendung. Dies bedeutet, dass für deutsche Staatsbürger in Österreich nicht deutsches Recht, sondern österreichisches Recht gilt, genauso wie für österreichische Staatsbürger in Deutschland nicht österreichisches, sondern deutsches Recht gilt.
Der Rechtsmittelwerber kann sich somit nicht darauf berufen, dass gegenständliche Nebeneinanderbestrafung dem deutschen Recht widersprechen würde. Herr G. verantwortet sich damit, dass er auf den nächsten Parkplatz gefahren sei, nachdem er das Fahrverbotsschild auf der Autobahn wahrgenommen habe. Diese Verantwortung kann nicht stimmen, da die Fahrverbotsschilder nach der Staatsgrenze in Kiefersfelden auf der Autobahn angebracht sind und Herr G. an der Kontrollstelle Kundl einer Fahrzeugkontrolle unterzogen wurde. Wäre er tatsächlich beim nächsten Parkplatz ausgefahren, so wäre er gar nicht bis zur Kontrollstelle nach Kundl gekommen, zumal sich am Weg davor die Autobahnraststation Angath befindet. Somit ist seine Ausführung nichts als eine Schutzbehauptung.
Gemäß § 5 Abs 2 VStG entschuldigt die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.
Ein Kraftfahrzeuglenker muss sich vor Fahrantritt in Kenntnis über die für ihn und sein Kraftfahrzeug maßgeblichen straßenverkehrs-, kraftfahr- und abgabenrechtlichen Vorschriften setzen. Dies gilt insbesondere bei Fahrten ins Ausland. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes kann die Unkenntnis eines Gesetzes nur dann als unverschuldet angesehen werden, wenn jemandem die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist. Nur ein unverschuldeter Rechtsirrtum ? im Unterschied zu einem verschuldeten (dh fahrlässigen) Irrtum ? bildet im Sinne des § 5 Abs 2 VStG einen Schuldausschließungsgrund. Die Verordnung des Landeshauptmannes, BGBl II Nr 349/2002 wurde am 20.09.2002 im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Damit kann sich der Berufungswerber nicht auf unverschuldete Rechtsunkenntnis berufen, weil er sich ? wie oben ausgeführt ? vor Fahrtantritt mit den einschlägigen Bestimmungen hätte vertraut machen müssen.
Die nunmehrige Behauptung, dass der Rechtsmittelwerber ein lärmarmes Fahrzeug gelenkt hätte, kann ihn nicht von Schuld und Strafe befreien, weil gemäß § 42 Abs 6 lit c StVO die Ausnahme vom Fahrverbot nur gilt, wenn ein lärmarmes Fahrzeug gelenkt und eine Bestätigung über die Lärmarmut mitgeführt wird. Da Herr G. keine entsprechende Bestätigung mitführte, hat für ihn das Fahrverbot gegolten und ist sein Verhalten strafbar, unabhängig davon, ob der Lkw tatsächlich lärmarm war oder nicht. Herrn G. ist somit Fahrlässigkeit in beiden Fällen zur Last zu legen.
Gemäß § 5 Abs 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt.
Dies ist bei den hier angewendeten Vorschriften nicht der Fall. Somit ist der Schuldspruch gegen den Rechtsmittelwerber in beiden Fällen zu Recht ergangen.
Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Aufgrund der großen Umweltbelastung im Unterinntal durch den Schwerverkehr ist eine Einhaltung des Nachtfahrverbotes für die Gesundheit der dort lebenden Bevölkerung von großer Bedeutung bzw ist es wichtig, dass zur Nachtzeit nur lärmarme Fahrzeuge zum Einsatz kommen. Die nachteiligen Folgen derartiger Übertretungen sind somit erheblich.
Herr G. hat bezüglich seiner Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse keine Angaben gemacht. Es ist deshalb von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen auszugehen.
§ 30 Abs 1 Z 4 IG-Luft sieht für gegenständliche Übertretung einen Strafrahmen bis zu Euro 2.180,00 vor. § 99 Abs 2b StVO sanktioniert eine Missachtung des Fahrverbotes nach § 42 dann mit einer Geldstrafe bis zu Euro 726,00, wenn die Verwaltungsübertretung innerhalb von zwei Stunden ab Beginn des jeweiligen Fahrverbotes begangen wurde. Ansonsten besteht ein Strafrahmen von Euro 218,00 bis Euro 2.180,00 (Abs 2a). Da auf den Beschuldigten die Bestimmung von Abs 2b anzuwenden ist, erschien bei dortigen Strafrahmen die Verhängung einer Geldstrafe von Euro 218,00 als überhöht, zumal zu Faktum 1 der Strafrahmen auch nur zu 10 Prozent ausgeschöpft wurde und nicht erkennbar ist, warum zu Faktum 2 eine im Verhältnis zum Strafrahmen höhere Strafe erforderlich ist als zu Faktum 1. Aufgrund dessen wurde die Strafe hinsichtlich der Übertretung der StVO auf ebenfalls 10 Prozent des Strafrahmens herabgesetzt.