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91 Post-und FernmeldewesenNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des PoststrukturG infolge Zumutbarkeit des VerwaltungsrechtswegesSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Die Einschreiterin stellte gemäß Art140 B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge §10 Abs7 des Poststrukturgesetzes (PTSG), enthalten in Art95 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. 201, - aus näher bezeichneten Gründen - als verfassungswidrig aufheben.
1.2.1. §10 Abs7 PTSG hat folgenden Wortlaut:
"Eigentumsübertragungen und sonstige Änderungen, die auf Grund des vorliegenden Bundesgesetzes erfolgen, lösen die Rechtsfolgen des §12a Abs3 MRG keinesfalls aus."
1.2.2. Die in §10 Abs7 PTSG verwiesene und mit "Veräußerung und Verpachtung eines Unternehmens" übertitelte Bestimmung des §12a des Mietrechtsgesetzes (MRG), BGBl. 1981/520, lautet in ihren Absätzen 2 und 3 wie folgt:
"(2) Ist der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach §16 Abs1, so darf der Vermieter bis spätestens sechs Monate nach Anzeige der Unternehmensveräußerung die Anhebung des Hauptmietzinses bis zu dem nach §16 Abs1 zulässigen Betrag, jedoch unter Berücksichtigung der Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit, verlangen. Ändert der neue Hauptmieter in der Folge die Art dieser Geschäftstätigkeit, so darf der Vermieter ab diesem Zeitpunkt den nach §16 Abs1 zulässigen Hauptmietzins ohne Berücksichtigung der Art der Geschäftstätigkeit verlangen.
(3) Ist eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechts Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit und ändern sich in ihr die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten entscheidend, wie etwa durch Veräußerung der Mehrheit der Anteile an einer Gesellschaft, so ist Abs2 anzuwenden, auch wenn die entscheidende Änderung nicht auf einmal geschieht. Die vertretungsbefugten Organe der juristischen Person oder Personengesellschaft des Handelsrechts sind verpflichtet, solche Änderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Besteht bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln, daß ein Rechtsgeschäft zur Umgehung des dem Vermieter zustehenden Rechtes auf Anhebung des Hauptmietzinses geschlossen wurde, so obliegt es dem Hauptmieter, das Fehlen der Umgehungsabsicht zu beweisen."
2. Über den Antrag wurde erwogen:
2.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides (für diese Person) wirksam wurde. Dazu vertritt der Verfassungsgerichtshof seit seinem Beschluss VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, dass die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen müsse und dass der durch Art140 Abs1 B-VG eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt sei, dem einzelnen Rechtsunterworfenen Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zu Verfügung steht (zB VfSlg. 9062/1981, 9685/1983 uvam.).
In Beurteilung der Antragslegitimation ist weiters lediglich zu untersuchen, ob das angefochtene Gesetz für den Antragsteller die im Antrag ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen hat und ob diese Wirkungen den Anforderungen des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG genügen. Nicht zu untersuchen ist hingegen, ob die besagten Gesetzesstellen für den Antragsteller sonstige (unmittelbare) Wirkungen entfalten. Es kommt nämlich im vorliegenden Zusammenhang ausschließlich auf die Behauptungen des Antragstellers an, in welcher Hinsicht das bekämpfte Gesetz seine Rechtssphäre berührt und - im Fall der Verfassungswidrigkeit - verletzt (vgl. zB VfSlg. 9185/1981, 10353/1985, 11889/1988).
2.2.1. Nach den Ausführungen im Antrag habe die Republik Österreich (Österreichische Post- und Telegraphenverwaltung) in dem im Eigentum der Antragstellerin stehenden Haus in 8010 Graz, Schlögelgasse 9, Geschäftsräumlichkeiten gemietet, und zwar zum Betrieb eines Postamtes. Mit dem Inkrafttreten des PTSG sei die Rechtspersönlichkeit der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft entstanden.
Gestützt auf §12a Abs3 MRG habe die Antragstellerin mit Schreiben vom 16. März und 6. Mai 1998 die Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft aufgefordert, mit Beginn 1. April 1998 einen angemessenen Mietzins von insgesamt ATS 27.800,--, das seien ATS 200,--/m2 netto, zuzüglich Umsatzsteuer und Betriebskostenanteil zu bezahlen. Dieses Ansinnen habe die Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft mit Schreiben vom 20. Mai 1998 unter Hinweis auf die Bestimmung des §10 Abs7 PTSG abgelehnt.
Die Antragstellerin führt des Weiteren aus, dass ihr durch die angefochtene Gesetzesstelle eine "Rechts- bzw. Duldungspflicht auferlegt" werde, wodurch ein direkter, unmittelbarer und aktueller Eingriff in ihre Rechtssphäre erfolge. Sie sei somit vor die Tatsache gestellt, dass gegenüber der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft eine Mietzinsanhebung nicht stattfinden könne. Ein jegliches diesbezügliches Verfahren, sei es nun im Außerstreitverfahren oder im streitigen Weg, wäre zum Scheitern verurteilt und würde lediglich eine Kostenbelastung der Antragstellerin nach sich ziehen.
2.2.2. Das Interesse der Antragstellerin ist darauf gerichtet, von der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft einen angemessenen Hauptmietzins zu erhalten. Unter Bedachtnahme auf die Sachlage ist es der Antragstellerin zumutbar, in einem Verfahren gemäß §37 MRG Bedenken gegen präjudizielle gesetzliche Vorschriften vorzutragen und vor dem Gericht der zweiten Rechtsstufe die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages beim Verfassungsgerichtshof anzuregen. Wollte man wegen des Umstandes, dass in einem solchen Verfahren die Kosten rechtsfreundlicher Vertretung im allgemeinen jede Partei selbst zu tragen hat (§37 Abs3 Z19 MRG), grundsätzlich davon ausgehen, dass die Beschreitung dieses Rechtsweges unzumutbar sei, verlöre die in Art140 Abs1 B-VG enthaltene Einschränkung "sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung ... für diese Person wirksam geworden ist" ihren hauptsächlichen Anwendungsbereich (s. auch VfSlg. 9394/1982, 10445/1985, 11015/1986).
Dass ein - für die Antragstellerin - positiver Ausgang des anzustrengenden Verfahrens die Aufhebung der angefochtenen Gesetzesstelle als verfassungswidrig - und zwar im Zuge eines vom Rechtsmittelgericht beim Verfassungsgerichtshof zu initiierenden Normenkontrollverfahrens - jedenfalls zur Voraussetzung hätte, ist keine Besonderheit dieser Rechtssache, sondern konsequente Folge der gegebenen Verfassungsrechtslage, die eben (Individual-)Anträge gleichsam nur als letzten Ausweg zulässt (VfSlg. 8187/1977, 9170/1981, 9285/1981, 9394/1982, 10251/1984). Es kommt dabei nicht auf die Erfolgschancen des den Antragstellern zu Gebote stehenden (Verfahrens-)"Umwegs", sondern bloß darauf an, dass sich im Zuge eines derartigen Prozesses Gelegenheit bietet, verfassungsrechtliche Bedenken gegen relevante Normen über die ordentlichen Gerichte an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (s. VfGH 9.6.1998 G375/96; vgl. VfSlg. 9170/1981, 9285/1981, 10592/1985, 11889/1988).
2.3. Der Antrag war - allein bereits aus den dargelegten Erwägungen - mangels Legitimation der Antragstellerin als unzulässig zurückzuweisen.
2.4. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung gefasst werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Post- und Fernmelderecht, MietenrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:G125.1998Dokumentnummer
JFT_10018799_98G00125_00