TE UVS Steiermark 2003/11/17 30.6-114/2002

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.11.2003
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Michael Herrmann über die Berufung des Herrn B H, vertreten durch D A, Rechtsanwalt in B G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 06.09.2002, GZ.: 15.1 9818/2001, wie folgt entschieden:

Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Text

Mit dem im Spruch genannten Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 10.10.2001, um 19.30 Uhr, Gemeinde G J, Ortsgebiet G J, Richtung U, mit dem Fahrzeug die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 12 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden.

Hiedurch habe er eine Übertretung des § 20 Abs 2 StVO begangen und wurde hiefür eine Geldstrafe in der Höhe von ? 50,87 (15 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

In seiner fristgerechten Berufung vom 26.09.2002 verwies der Berufungswerber darauf, dass im Betrieb der H in B G, auf den das Tatfahrzeug zugelassen sei, zwei Personen mit dem Namen H tätig seien und zwar H jun. sowie H sen. Mangels hinreichender Bestimmtheit des Betroffenen des Verwaltungsstrafverfahrens sei das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark stellt hiezu Nachfolgendes fest:

Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine ? 2.000,00 übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Entsprechend der Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark, VA Radar, hat der Lenker des Kraftfahrzeuges am 10.10.2001, um 19.30 Uhr, in der Gemeinde G J, Ortsgebiet G J, Richtung U, die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 12 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits abgezogen. Die Übertretung wurde mittels eines stationären Radarmessgerätes festgestellt. In weiterer Folge wurde von der Bezirkshauptmannschaft J mit Schreiben vom 26.11.2001 der Zulassungsbesitzer des tatgegenständlichen Kraftfahrzeuges, die H mit Schreiben vom 26.11.2001 (Lenkerauskunft) aufgefordert, den tatgegenständlichen Lenker der anfragenden Behörde binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Schreibens bekannt zu geben. Mit Schreiben von Herrn A, Rechtsanwalt in B G, vom 18.12.2001 wurde seitens der Mandantin H in B G mitgeteilt, dass der Lenker des Kraftfahrzeuges zum oben genannten Zeitpunkt H war. Nunmehr wurde mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft J vom 09.01.2002 Herrn H die tatgegenständliche Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last gelegt. Gegen diese Strafverfügung wurde mit Schreiben von Rechtsanwalt A, datiert mit 24.01.2002, fristgerecht Einspruch namens des Betroffenen erhoben und Akteneinsicht beantragt.

Die Behörde erster Instanz übermittelte die relevanten Aktenteile (Anzeige sowie das bezughabende Radarfoto) und wurde in weiterer Folge das in Berufung gezogene gegenständliche Straferkenntnis vom 06.09.2002 erlassen.

Aufgrund des Berufungsvorbringens erging folgendes Schreiben der entscheidenden Behörde, datiert mit 21.10.2002, an Herrn Rechtsanwalt A:

In Ihrer Lenkerbekanntgabe vom 18.12.2001 (Kopie liegt bei) führten Sie Herrn H als Lenker an. Diese Lenkerbekanntgabe erhielt keinerlei Unterscheidungsmerkmal betreffend des Lenkers (beispielsweise Geburtsdatum, Senior-Junior, Vater-Sohn). Weiters wurde von Ihnen während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens nicht näher ausgeführt, welche Person (Senior-Junior), nunmehr von Ihnen vertreten wird.

Da als Lenker des tatgegenständlichen Pkw zum fraglichen Zeitpunkt zweifelsfrei nur eine Person in Frage kommen kann, werden Sie nunmehr aufgefordert, binnen 14 Tagen der anfragenden Behörde bekannt zu geben, wer der von Ihnen in der Lenkerauskunft genannte Herr B H ist bzw. die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft J vom 9.1.2002 (Kopie liegt bei) übernommen hat.

Ein diesbezügliches Antwortschreiben langte hieramts nicht ein. Weiters wurde der entscheidenden Behörde über eine entsprechende Anfrage seitens der Wirtschaftskammer Österreich, Außenwirtschaft, österreichische Handelsdelegierte in F, mit Schreiben vom 22.11.2002 mitgeteilt, dass Herr H seit 01.01.1994 als Geschäftsführer obiger Firma beim Gewerbeamt B G registriert ist. Seither hat es keine Änderung gegeben.

Die Versuche der entscheidenden Behörde, Auskunft darüber zu erhalten, an welche Person die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft J vom 09.01.2002 zugestellt wurde, verliefen ergebnislos, da diesbezügliche Auskünfte seitens des Postamtes B G nicht erteilt wurden.

In weiterer Folge wurde von der entscheidenden Behörde mit 06.02.2003 eine öffentliche, mündliche Verhandlung anberaumt, wobei Herr H jun., in eventu Herr H sen. geladen waren. Diesbezüglich wurde von Rechtsanwalt A mit Schreiben vom 20.01.2003 mitgeteilt, dass wegen übergroßer Entfernung vom Gerichtsort eine Anreise der Parteien nicht zumutbar ist. Weiters wurde nochmals darauf verwiesen, dass sich der Bescheid vom 09.01.2002 gegen H, also eine natürliche Person, richte. H gäbe es unter der bekannten Anschrift aber zweimal. Dieses Ermittlungsversäumnis gehe zu Lasten der ermittelnden Behörde. Auch sei eine Verpflichtung zur Selbstbelastung jedenfalls unzulässig. Es ist festzuhalten, dass zu der am 06.02.2003 durchgeführten Verhandlung niemand erschienen ist. Im Zuge des weiteren Ermittlungsverfahrens teilte Rechtsanwalt A mit Schreiben vom 01.04.2003 unter anderen mit, dass das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen bzw. das Recht zu schweigen international allgemein anerkannte Standards darstellen, die zum Kernbereich des fairen Verfahrens zählen. Das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, solle in erster Linie den Willen des Angeklagten schützen und setze voraus, dass die Anklagebehörde die Fakten ohne Rückgriff auf Beweise, die in Missachtung des Willens des Angeklagten durch Zwang oder Druck erlangt worden seien, zu beweisen versuche. Diesbezüglich wurde auch auf die aktuelle Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte verwiesen. Laut Auskunft des Melderegister Stadt B G ist ein Herr H (Kurzform: B H) in B G wohnhaft. Herr B (B) H jun. war ursprünglich ebenfalls dort gemeldet und ist seit 1992 an der Adresse B G gemeldet. Wie die weiteren Erhebungen der entscheidenden Behörde bei der Fa. H ergeben haben, ist Herr H sen. nach wie vor in der Firma tätig. So war er beispielsweise in den Jahren 2001 und 2002 im Büro der Firma tätig und hat er auch ebenso, wie Herr H jun. fallweise den tatgegenständlichen Personenkraftwagen benutzt. Die entscheidende Behörde geht im Zuge ihrer freien Beweiswürdigung nunmehr davon aus, dass sich sowohl Herr H jun., als auch Herr H sen. zum Zeitpunkt der Zustellung der Lenkerauskunft der Bezirkshauptmannschaft J vom 26.11.2001 regelmäßig am Standort der Firma H in B G aufhielten. Weiters ist davon auszugehen, dass sich sowohl Herr H jun., als auch Herr H sen. zum Zeitpunkt der Zustellung der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft J vom 09.01.2002 an der Adresse B G aufgehalten haben. Die Zustellung erfolgte an einem Wochentag = an einem normalen Arbeitstag. Da sich die Strafverfügung an Herrn H richtete und somit aufgrund des fehlenden Geburtsdatums nicht genügend individualisiert war, hat sich diese Strafverfügung an zwei Personen (Junior und Senior) gerichtet, wobei jedoch nur eine dieser beiden Personen der tatgegenständliche Lenker zum Tatzeitpunkt gewesen sein kann. Eine nähere Konkretisierung dahingehend, ob die gegenständliche Verwaltungsübertretung nunmehr Herr B (B) H jun. oder Herrn B (B) H sen. zur Last gelegt wird, erfolgte von der Behörde erster Instanz innerhalb der Fristen des § 31 VStG nicht. Dieser Mangel war auch durch die entscheidende Behörde nicht zu sanieren. Es sei darauf verwiesen, dass es aufgrund der offensichtlich unvollständigen falschen Lenkerauskunft vom 18.12.2001 nötig gewesen wäre, innerhalb der 6- monatigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 VStG den Verdacht hinsichtlich der gegenständlichen Verwaltungsübertretung auf eine bestimmte Person (Herr H jun. oder sen.) zu konkretisieren. Dies ist, wie ausgeführt, nicht erfolgt. Weiters hat die Behörde erster Instanz die Adresse B G nicht ausdrücklich als Wohnsitzadresse bezeichnet und handelt es sich bei der gegenständlichen Zustelladresse auch um die Adresse der Firma H an welcher sowohl Herr H jun., als auch Herr H sen. ihren Arbeitsplatz haben (sich dort wochentags aufhalten) und ist diese Adresse somit auch als regelmäßige Zustelladresse für beide anzusehen. Betreffend der Zustellung des gegenständlich angefochtenen Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft J vom 06.09.2002 an den Vertreter des Berufungswerbers ist auszuführen, dass sinngemäß davon auszugehen ist, dass der ausgewiesene Vertreter das Straferkenntnis für Herrn H jun. und Herrn H sen. übernommen hat. Zusammenfassend war somit, da nur eine einzige Person als Lenker und Täter in Frage kommen kann, die Einstellung zu verfügen.

Schlagworte
Verfolgungshandlung Beschuldigter Personenmehrheit Konkretisierung Lenkerauskunft Übernahme Ermittlungspflicht
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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