TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/17 2000/13/0087

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Veröffentlicht am 17.10.2001
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1988 §98;
EStG 1988 §99 Abs1 Z1;
EStG 1988 §99 Abs2;
EStG 1988 §99;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde der F Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Plan Treuhand Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH in 1090 Wien, Kolingasse 19, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. November 1999, Zl. RV/395-16/16/99, betreffend Haftung für Steuerabzug nach § 99 EStG 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde die beschwerdeführende GmbH, die ein Forschungsinstitut betreibt, zur Haftung für Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger herangezogen. Aus einer Beilage zum Prüfungsbericht geht hervor, dass die Beschwerdeführerin in den Jahren 1991 bis 1996 Seminare und dergleichen veranstaltet und dazu u.a. deutsche Gastvortragende eingeladen hat. Der Prüfer traf dazu die Feststellung, die Beschwerdeführerin habe den (auf freiberuflicher Basis tätig werdenden) Vortragenden wohl kein Honorar gezahlt, ihnen aber die "An- und Abreisekosten (Flug, Hotel)" ersetzt. Diese Kostenersätze unterlägen dem Steuerabzug gemäß § 99 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 EStG 1988, wobei das Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland zufolge der Bestimmung des Art.  8 Abs. 2 letzter Satz dieser Besteuerung nicht entgegen stehe.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und wandte ein, im Beschwerdefall lägen keine abzugspflichtigen "Einkünfte" vor. Die bei der Beschwerdeführerin angestellten Wissenschaftler könnten ihre Tätigkeit nur dann erfolgreich betreiben, wenn sie im ständigen Kontakt und Austausch mit führenden ausländischen Experten stünden. Zu diesem Zweck würden sie sehr intensive Kontakte zu ihren auch in ausländischen Forschungseinrichtungen bzw. Universitäten tätigen Fachkollegen pflegen und die gegenständlichen Einladungen aussprechen. Dieser von den Wissenschaftlern organisierte "Erfahrungs-Austausch-Circle" erfolge ausnahmslos ohne Honorar, lediglich die Reisespesen (Flugkosten) sowie die Nächtigungskosten würden gegen Vorlage der Originalbelege ersetzt. Im Gegenzug würden auch die bei der Beschwerdeführerin angestellten Wissenschaftler ins Ausland reisen, um dort über ihre Erkenntnisse und Erfahrungen zu berichten. Bei einer derartigen Sachverhaltskonstellation könne nicht vom Vorliegen von der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünften gesprochen werden. Die Beschwerdeführerin sei daher zu Unrecht zur Haftung herangezogen worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Der von der Beschwerdeführerin geschilderte Sachverhalt lasse den Schluss zu, dass die im Ausland an den diversen Forschungseinrichtungen und Universitäten ausgeübten Tätigkeiten der eingeladenen Wissenschaftler jeweils Einkunftsquellen darstellten und der Erfahrungsaustausch in Österreich Ausfluss dieser Tätigkeit sei. Da im Zusammenhang mit der im Ausland ausgeübten Tätigkeit eine Einkunftsquelle vorliege, sei der Steuerabzug selbst dann vorzunehmen, wenn die Gastvortragenden für ihre in Österreich ausgeübte Tätigkeit lediglich Kostenersätze erhielten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:

Gemäß § 99 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 wird die Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger u.a. bei Einkünften aus einer im Inland ausgeübten oder verwerteten selbständigen Tätigkeit als Vortragender durch Steuerabzug erhoben. Der Steuerabzug beträgt gemäß § 99 Abs. 2 iVm § 100 Abs. 1 leg.cit. 20 % des vollen Betrages der Einnahmen.

Aus dem klaren Wortlaut des § 99 Abs. 2 EStG 1988 ergibt sich, dass Bemessungsgrundlage der dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte im Sinne des § 99 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. der volle Betrag der Einnahmen (Roheinnahmen) ist; eine vorherige Kürzung um Betriebsausgaben ist unzulässig. Es trifft somit zu, dass jegliche im Rahmen der Einkünfte im Sinne des § 99 Abs. 1 Z. 1 EStG erzielten Einnahmen, somit auch der Ersatz allfälliger Reise- und Nächtigungskosten, bei Berechnung der Abzugssteuer einzubeziehen sind. Dies gilt auch dann, wenn der einzelne Geschäftsvorfall zu negativen (Teil)Einkünften führt (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1997, 95/15/0135).

Wie der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis vom 20. Februar 1997 weiter ausgeführt hat, ist Voraussetzung der Steuerpflicht nach § 99 EStG allerdings, dass überhaupt Einkünfte vorliegen, die einer der in § 98 EStG aufgezählten Fallgruppen zuzuordnen sind.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid (insofern anders als noch das Finanzamt und in Auseinandersetzung mit dem Berufungseinwand) entscheidend darauf gestützt, dass die von der Beschwerdeführerin erhaltenen Kostenersätze "Ausfluss" einer anderen Tätigkeit, nämlich der als Wissenschaftler seien und diese Tätigkeiten an Forschungsinstituten oder Universitäten jedenfalls zu "Einkünften" führen würden.

Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, die in Österreich vortragenden Wissenschaftler seien in Deutschland im Angestelltenverhältnis bei verschiedenen wissenschaftlichen Institutionen tätig und erzielten dort Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die wissenschaftliche Tätigkeit in Deutschland und die selbständig ausgeübte Vortragstätigkeit in Österreich seien nicht als EIN Betrieb (EINE Einkunftsquelle) anzusehen. Vielmehr liege bei den einzelnen Vortragenden einerseits eine (ausländische) Quelle von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, andererseits eine - keine Quelle von Einkünften darstellende - österreichische Vortragstätigkeit vor. Wäre der beschwerdeführenden Partei vor Erlassung des angefochtenen Bescheides Parteiengehör gewährt worden, hätte sie ein entsprechend substantiiertes Vorbringen bereits im Verwaltungsverfahren erstattet.

Im Beschwerdefall kann indes dahin gestellt bleiben, ob die belangte Behörde die den Bescheid tragenden Feststellungen unter Verletzung von Verfahrensvorschriften (namentlich des Rechts auf Parteiengehör) getroffen hat. Ausreichende Feststellungen zum rechtserheblichen Sachverhalt liegen dem angefochtenen Bescheid nämlich gar nicht zu Grunde. So fehlt es an konkreten Feststellungen über die Art der von den jeweiligen Vortragenden in Deutschland ausgeübten Tätigkeiten ebenso wie zur Frage der Einbindung der österreichischen Vortragstätigkeit in die von der belangten Behörde gesehene "Gesamtbetätigung". Solcherart entzieht sich die Beurteilung der österreichischen Kostenersätze als Teil steuerlich relevanter anderer (in Deutschland bezogener) Einkünfte aber von vornherein der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Oktober 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000130087.X00

Im RIS seit

05.03.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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