Gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) wird der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
I1 Mit angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom ** ** ****, 3-*****-03, wurde der Antrag der nunmehrigen Berufungswerberin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der vierwöchigen Frist gemäß § 49a Abs 6 VStG zur Bezahlung des mit Anonymverfügung vorgeschriebenen Strafbetrages gemäß § 71 AVG zurückgewiesen. Begründend führte die Bezirkshauptmannschaft im Wesentlichen aus, dass die Berufungswerberin keine Frist im Sinne des § 71 Abs 1 Z 1 AVG versäumt habe, zumal dazu keine Einzahlungsfristen, sondern lediglich Fristen zur Einbringung eines Rechtsmittels zählen würden. Gegen die Vorschreibung eines Strafbetrages mittels Anonymverfügung vom ** ** **** sei kein Rechtsmittel zulässig gewesen.
2 Gegen diesen Bescheid wendet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung vom ** ** ****.
II Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:
1 Da die erstinstanzliche Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen hat, ist Gegenstand der vorliegenden Entscheidung nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst (vgl VwGH 30 10 1991, 91/09/0069;
30 05 1995, 93/08/0207).
2 § 49a VStG hat folgenden Wortlaut:
?§ 49a (1) Die Behörde kann, soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, durch Verordnung zur Verfahrensbeschleunigung einzelne Tatbestände von Verwaltungsübertretungen bestimmen, für die sie durch Anonymverfügung eine unter Bedachtnahme auf § 19 Abs 1 im Vorhinein festgesetzte Geldstrafe bis zu 220 Euro vorschreiben darf.
(2) Hat die Behörde durch Verordnung gemäß Abs 1 eine Geldstrafe im vorhinein festgesetzt, so kann sie von der Ausforschung des unbekannten Täters (§ 34) vorerst Abstand nehmen und die Geldstrafe ohne Festsetzung einer Ersatzstrafe durch Anonymverfügung vorschreiben, wenn 1 die Anzeige auf der dienstlichen Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht oder auf automatischer Überwachung beruht und 2 sowohl das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, als auch die nachteiligen Folgen, welche die Tat sonst nach sich gezogen hat, keine Bedachtnahme auf die Person des Täters erfordern.
(3) In der Anonymverfügung müssen angegeben sein:
1 die Behörde, die sie erläßt, und das Datum der Ausfertigung;
2 die Tat, die als erwiesen angenommen ist, ferner die Zeit und der Ort ihrer Begehung;
3 die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;
4 die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;
5 die Belehrung über die in Abs. 6 getroffene Regelung.
(4) Der Anonymverfügung ist ein zur postalischen Einzahlung des Strafbetrages geeigneter Beleg beizugeben. Der Beleg hat eine Identifikationsnummer zu enthalten, die automationsunterstützt gelesen werden kann. § 50 Abs 5 gilt sinngemäß.
(5) Die Anonymverfügung ist einer Person zuzustellen, von der die Behörde mit Grund annehmen kann, daß sie oder ein für sie gemäß § 9 verantwortliches Organ den Täter kennt oder leicht feststellen kann.
(6) Die Anonymverfügung ist keine Verfolgungshandlung. Gegen sie ist kein Rechtsmittel zulässig. Sie wird gegenstandslos, wenn nicht binnen vier Wochen nach Ausfertigung die Einzahlung des Strafbetrages mittels Beleges (Abs 4) erfolgt. Ist die Anonymverfügung gegenstandslos geworden, so hat die Behörde gemäß § 34 vorzugehen. Als fristgerechte Einzahlung des Strafbetrages mittels Beleges (Abs 4) gilt auch die Überweisung des Strafbetrages auf das im Beleg angegebene Konto, wenn der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer des Beleges enthält und der Strafbetrag dem Konto des Überweisungsempfängers fristgerecht gutgeschrieben wird.
(7) Wird der Strafbetrag mittels Beleges (Abs 4) fristgerecht eingezahlt, so hat die Behörde von der Ausforschung des unbekannten Täters endgültig Abstand zu nehmen und jede Verfolgungshandlung zu unterlassen.
(8) Die Anonymverfügung darf weder in amtlichen Auskünften erwähnt noch bei der Strafbemessung im Verwaltungsstrafverfahren berücksichtigt werden. Jede über Abs 5 und 6 hinausgehende Verknüpfung von Daten mit jenen einer Anonymverfügung im automationsunterstützten Datenverkehr ist unzulässig. Die Daten einer solchen Anonymverfügung sind spätestens sechs Monate nach dem Zeitpunkt, in dem sie gegenstandslos geworden oder die Einzahlung des Strafbetrages erfolgt ist, physisch zu löschen.
(9) Wird der Strafbetrag nach Ablauf der in Abs. 6 bezeichneten Frist oder nicht mittels Beleges (Abs 4) bezahlt und weist der Beschuldigte die Zahlung im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens nach, so ist der Strafbetrag zurückzuzahlen oder anzurechnen.”
§ 71 AVG betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bestimmt Folgendes:
?§ 71 (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1 die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder 2 die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.
(2) - (7) ...”
2 Im vorliegenden Fall ist es unstrittig, dass mit Anonymverfügung vom ** ** **** ein Strafbetrag von ? 32,-- vorgeschrieben und dass dieser Betrag von der Berufungswerberin zwar bezahlt wurde, jedoch nicht innerhalb der vierwöchigen Frist gemäß § 49a Abs 6 VStG. Strittig ist vielmehr, ob die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Falle der Versäumung dieser Frist - bei Vorliegen der (anderen) Voraussetzungen gemäß § 71 AVG ? zu bewilligen ist. Für die Klärung dieser Frage ist entscheidend, ob es sich hier um eine ? die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG nicht zulassende ? materiell-rechtliche Frist oder (zumindest auch) um eine verfahrensrechtliche Frist handelt, somit ob durch das Unterlassen der Zahlung eines mit Anonymverfügung vorgeschriebenen Betrages innerhalb einer bestimmten Frist (auch) prozessuale Rechtswirkungen ausgelöst werden. Dies ist zu bejahen, weil sich an die Nichteinhaltung der Frist u a der Umstand knüpft, dass die Anonymverfügung, ein prozessualer Akt, außer Kraft tritt (gemäß § 49a Abs 6 VStG ?gegenstandlos” wird). Das Unterlassen der Zahlung des vorgeschriebenen Betrages innerhalb der gemäß § 49a Abs 6 VStG bezeichneten Frist hat die gleiche Wirkung wie der innerhalb von zwei Wochen zu erhebende Einspruch gemäß § 49 Abs 1 VStG, bei dessen Versäumung die Wiedereinsetzung möglich ist (s Robert Walter, Die Verwaltungsstrafgesetznovelle 1987 [Teil II], ÖJZ 1988, 361). Es ist somit ? entgegen der Auffassung der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung - davon auszugehen, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG bei Versäumung der Frist gemäß § 49a Abs 6 VStG zulässig ist (s Walter-Mayer, Grundriss des Verwaltungsverfahrensrechtes, 8 Auflage, RZ 894/6).
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
3 Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte aus dem Grunde des § 51e Abs 2 Z 1 VStG abgesehen werden.