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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
GGG 1984 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Kail, im Beisein des Schriftführers Dr. Zehetner, über die Beschwerde der W AG in W, vertreten durch die Rechtsanwälte OEG Dr. Kostelka-Reimer & Dr. Fassl in Wien IX, Universitätsstraße 4, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 12. April 2001, Zl. Jv 6517-33a/00, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem mit der Beschwerde vorgelegten Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
Im Verfahren 30 C 459/97t des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien hat die Beschwerdeführerin von X offene Mietzinsforderungen für ein Geschäftslokal klageweise geltend gemacht. Dieses Verfahren endete am 20. Juni 1997 durch Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches zwischen den Prozessparteien mit folgendem Inhalt:
"1. Die Beklagte verpflichtet sich, der klagenden Partei einen Betrag von S 125.280,-- (das ist Mietzinsrückstand bis einschließlich 6/97) in monatlichen Raten a S 6.960,-- beginnend am 1. 7. 1997, die Folgeraten jeweils am 1. der Folgemonate zu bezahlen.
2. Die Beklagte verpflichtet sich weiters, der klagenden Partei die Kosten des Verfahrens in Höhe von S 20.439,30 (darin enthalten S 6.970,-- an Barauslagen und S 2.210,20 an 20 % USt) in drei gleich hohen monatlichen Raten beginnend mit 1. 7. 1997, die Folgeraten jeweils am 1. der Folgemonate, zu Handen des Klagevertreters zu bezahlen.
3. In Abänderung des Punktes § 3.3. des Mietvertrages vom 13. 12. /29. 12. 1995 wird der monatliche Nettohauptmietzins beginnend ab der Mietzinsperiode Juli 1997 auf S 13.479,-- herabgesetzt. Die sonstigen Bestimmungen dieses Mietvertrages bleiben unverändert."
Mit Zahlungsauftrag vom 26. November 2000 schrieb der Kostenbeamte, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage in Höhe der Summe aus dem unter Punkt 1. des Vergleiches genannten Betrag und dem Zehnfachen der sich aus Punkt 3. ergebenden Jahresleistung, der Beschwerdeführerin eine restliche Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG sowie Einhebungsgebühr vor.
In ihrem dagegen gerichteten Berichtigungsantrag brachte die Beschwerdeführerin vor, die Gebühren hätten wegen Punkt 2. des Vergleiches nicht ihr, sondern der Beklagten X vorgeschrieben werden müssen. Eine Bewertung des Vergleichspunktes 3. nach den Bestimmungen des § 58 Abs. 1 JN sei jedenfalls nicht möglich, weil 58 JN den Fall vor Augen habe, dass ein wiederkehrendes Recht dem Grunde und/oder der Höhe nach strittig ist. Im vorliegenden Fall sei jedoch kein bestehendes oder strittiges Recht neu geschaffen worden, sondern eine bestehende vertragliche Vereinbarung freiwillig eingeschränkt worden. Bestand und die Höhe des vertraglich vereinbarten Mietzinses seien niemals Streitgegenstand gewesen, sondern sei die Herabsetzung der künftigen Monatsmiete eine Nebenabrede des Vergleiches ohne rechtsbegründende Wirkung. Es sei weder ein Benützungsentgelt, eine Vertragsstrafe oder eine sonstige Zahlung zu den bereits bestehenden Zahlungsverpflichtungen vereinbart worden, sodass sich der Streitgegenstand durch den Vergleichsabschluss nicht verändert habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Berichtigungsantrag keine Folge. Der Vergleich stelle eine Erweiterung des Wertes des ursprünglichen Streitgegenstandes im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG dar. Die Vergleichsgebühr (Pauschalgebühr) sei von jenem Betrag zu berechnen, auf den der Vergleich laute. Demnach sei bei jedem Vergleich, in dem die Verpflichtung zur Leistung eines bestimmten Betrages, aus welchem Rechtsgrund auch immer übernommen wurde, dieser Betrag als Bemessungsgrundlage der Pauschalgebühr heranzuziehen. Es sei unerheblich, ob nunmehr der gleiche oder ein verminderter Mietzins verlangt werde. Ein Vergleich führe auch dann zu einer Neubewertung des Streitgegenstandes, wenn er in Ansehung eines gar nicht mehr strittigen Anspruches geschlossen werde bzw. wenn darin eine schon vertraglich bestehende Verpflichtung neu übernommen werde. Aus § 58 Abs. 1 JN ergebe sich die Bewertung von Punkt 3. des Vergleiches mit dem Zehnfachen der Jahresleistung. Bei einer Gerichtsgebührenforderungen handle es sich nach § 7 Abs. 1 Z. 1 GGG nicht um eine vertragliche, sondern um eine gesetzliche Zahlungspflicht. Vertragliche Vereinbarungen seien daher lediglich im Innenverhältnis der Parteien wirksam, würden aber die Beschwerdeführerin nicht von ihrer Zahlungspflicht gegenüber dem Bund entbinden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht darauf verletzt erachtet, dass ihr ohne Verwirklichung eines gebührenrechtlichen Tatbestandes keine weitere Pauschalgebühr vorgeschrieben werden darf.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 7 Abs. 1 Z. 1 Gerichtsgebührengesetz (GGG) ist bei zivilgerichtlichen Verfahren und Exekutionsverfahren der Antragsteller (Kläger, Rechtsmittelwerber, betreibender Gläubiger) zahlungspflichtig.
Gemäß § 14 GGG ist Bemessungsgrundlage für die Gebühr im Zivilprozess grundsätzlich der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN. § 58 Abs. 1 JN sieht vor, dass als Wert des Rechtes auf den Bezug von Zinsen, Renten, Früchten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen bei unbestimmter oder auf Lebenszeit beschränkter Dauer das Zehnfache der Jahresleistung anzunehmen ist. Nach § 15 Abs. 2 GGG sind mehrere in einem zivilgerichtlichen Verfahren geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen.
§ 18 Abs. 1 GGG sieht vor, dass die Bemessungsgrundlage prinzipiell für das ganze Verfahren gleich bleibt,
§ 18 Abs. 2 Z. 2 bestimmt jedoch als Ausnahme, dass dann, wenn Gegenstand eines Vergleiches eine Leistung ist, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen ist; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.
Punkt 3. des Vergleiches enthält die Verpflichtung der X, künftig einen monatlichen Mietzins in der dort genannten Höhe zu leisten. Ein gebührenpflichtiger Vergleich liegt auch dann vor, wenn eine bereits bestehende Verpflichtung neuerlich übernommen wird. Dies gilt selbst dann, wenn der Vergleich nur deshalb protokolliert wird, damit ein Exekutionstitel in Ansehung eines gar nicht mehr strittigen Anspruches geschaffen wird. Es ist typisch, dass auch den Parteien ohnehin zustehende Ansprüche zum Gegenstand eines gerichtlichen Vergleiches gemacht werden (Tschugguel/Pötscher, Gerichtsgebühren6 (1999), E 13 zu § 18 GGG sowie hg. Erkenntnis vom 26. April 2001, Zl. 2001/16/0186).
Damit ist es ohne Bedeutung, ob zwischen den Prozessparteien Mietzinsforderungen überhaupt jemals strittig waren und ob die Beschwerdeführerin mit dem Abschluss des Vergleiches auf ihr vertraglich zustehende Forderungen verzichtet hat. Entscheidend ist für die Höhe der Pauschalgebühr allein der Vergleichsinhalt. Dieser bestand nach Punkt 3. des Vergleiches aber in der Zahlung eines bestimmten monatlichen Mietzinses, womit eine wiederkehrende Leistung unbestimmter Dauer nach § 58 Abs. 1 JN vorliegt, welche mit dem Zehnfachen des Jahreswertes zu bewerten ist. Diesem Wert ist nach § 15 Abs. 2 GGG zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage der unter Punkt 1. des Vergleiches vereinbarte Betrag, dessen Wert von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wurde und für den sie offenbar bereits vor Erlassung des Zahlungsauftrages Pauschalgebühr entrichtet hatte, hinzuzurechnen. Bringt man von der sich aus TP 1 GGG für die derart ermittelte Bemessungsgrundlage ergebenden Pauschalgebühr die von der Beschwerdeführerin bereits entrichtete Gebühr in Abzug, so ergibt sich genau der im angefochtenen Bescheid vorgeschriebene Betrag.
Ohne Relevanz sind die von der Beschwerdeführerin angestellten Überlegungen über eine Änderung des Streitgegenstandes durch den Vergleichsabschluss. Für das Gerichtsgebührenrecht kommt es schon nach dem Wortlaut des § 14 GGG nur auf den Wert des Streitgegenstandes, nicht aber auf den Streitgegenstand selbst an. Dementsprechend lautet auch die Überschrift zu § 18 GGG "Wertänderungen". Als ein Fall einer Wertänderung wird in § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG eben der Abschluss eines Vergleiches angeführt.
Zu der in Punkt 3. getroffenen Mietzinsvereinbarung verweist die Beschwerdeführerin schließlich darauf, dass über einen Antrag hinsichtlich der Angemessenheit des vereinbarten Hauptmietzinses (§ 37 Abs. 1 Z. 8 MRG) im Verfahren außer Streitsachen entschieden werden müsse; bei Unzulässigkeit des Rechtsweges dürfe der Richter aber den von den Parteien vereinbarten Vergleich nicht protokollieren.
Ohne dass es der Beurteilung der Frage bedarf, ob durch § 37 MRG, wie von der Beschwerdeführerin offenbar geltend gemacht, die Dispositionsfreiheit der Parteien hinsichtlich der Mietzinshöhe beschränkt wird, ist ihr zu erwidern, dass die das GGG vollziehenden Justizverwaltungsorgane an die Entscheidungen der Gerichte gebunden sind (Tschugguel/Pötscher, aaO, E 9 zu § 1 GGG). Nichts anderes kann aber für den Vergleich gelten, zumal das GGG an formale äußere Tatbestände anknüpft, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten (Tschugguel/Pötscher, aaO, E 8 zu § 1 GGG mwN). Es ist jedenfalls nicht Sache des Kostenbeamten, zu prüfen, ob der Richter die von Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozessrechts2 (1990), Rz. 1354, aufgelisteten Vergleichshindernisse beachtet hat.
Nach der Anmerkung 1 zu TP 1 GGG kommt es für die Anwendung dieser Tarifpost nur darauf an, ob das Verfahren durch Klage einzuleiten war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1991, Zl. 90/16/0035). Gegenstand des Verfahrens waren zunächst (ausschließlich) Mietzinsforderungen, sodass es sich um ein streitiges und somit im Sinne der Anmerkung 1 zu TP 1 GGG durch Klage einzuleitendes Verfahren gehandelt hat. Auf Vergleiche in streitigen Verfahren ist die TP 12 GGG aber nicht anzuwenden (vgl. die bei Tschugguel/Pötscher, aaO, unter E 1 zu TP 12 GGG bzw. E 84 zu § 18 GGG referierte hg. Judikatur), sodass es keines Eingehens auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin zu TP 12 GGG bedarf.
Ein Ausnahmefall zu § 7 Abs. 1 Z. 1 GGG, welcher die Zahlungspflicht des Klägers ausschließen oder beschränken würde, liegt nicht vor (vgl. Tschugguel/Pötscher, aaO, FN 2 zu § 7 GGG). Zivilrechtliche Vereinbarungen zwischen den Prozessparteien über die Kostentragung können nur im Verhältnis zwischen ihnen selbst wirksam sein und vermögen nicht die öffentlich-rechtliche (alleinige) Zahlungspflicht des Klägers für die Gerichtsgebühren zu verdrängen.
Sohin ließ bereits der Beschwerdeinhalt erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Auf Basis der zitierten Rechtsprechung konnte die Entscheidung in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Wien, am 17. Oktober 2001
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001160347.X00Im RIS seit
12.03.2002Zuletzt aktualisiert am
19.04.2009