TE UVS Steiermark 2004/02/11 30.7-101/2003

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Veröffentlicht am 11.02.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erik Hanel über die Berufung des C U, vertreten durch Dr. L und Dr. R, Rechtsanwälte in G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 12.09.2003, GZ.: 15.1 6592/2002, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 12.09.2003, GZ.: 15.1 6592/2002, wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 27.07.2002 um 01.00 Uhr in der Diskothek G in H, Gemeindegebiet K, Bezirk W, in besonders rücksichtsloser Weise die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört, weil er mit mehreren Personen am genannten Tatort in eine Rauferei verwickelt gewesen wäre und auch Pfefferspray eingesetzt hätte.

Hiedurch habe der die Rechtsvorschrift des § 81 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetzes 1991 BGBl Nr 566/91 idgF verletzt und wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von ? 72,--, im Fall der Uneinbringlichkeit drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe, gemäß § 81 Abs 1 SPG verhängt.

In seinem rechtzeitig eingebrachten Rechtsmittel bringt der Berufungswerber durch seinen Rechtsvertreter zusammenfassend vor, dass er gemeinsam mit dem ebenfalls bestraften S damals als Türsteher in der Diskothek G dafür eingesetzt worden wäre, für Ordnung und Sicherheit im Lokal zu sorgen. Dazu gehören insbesondere, dass raufende betrunkene Gäste das Lokal verlassen müssten und sei dies auch in Bezug auf R der Fall gewesen. Es habe weder der Berufungswerber noch sein Kollege S andere Personen tätlich angegriffen, gewürgt oder getreten, sondern wurde es schließlich auf Grund der Ausschreitungen der Gäste notwendig, Pfefferspray einzusetzen. Es seien überdies keinerlei Verletzungen bei R und S festgestellt worden und auch kein Strafverfahren gegen ihn und Unger durchgeführt worden.

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark ist bei seiner Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:

Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine ? 2.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Gemäß § 51e Abs 2 VStG ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben oder der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist, eine öffentliche, mündliche Verhandlung anzuberaumen, zu welcher die Parteien und eventuell Sachverständige und Zeugen zu laden sind. Diese hat am 11.02.2004 in Anwesenheit des Berufungswerbers und seines Rechtsvertreters stattgefunden, wobei als Zeugen R, S und G vernommen wurden sowie mit ausdrücklicher Zustimmung des Berufungswerbers die Niederschrift mit P, aufgenommen vor der Bezirkshauptmannschaft Weiz am 07.02.2003, verlesen wurde.

Auf Grund dieser öffentlichen, mündlichen Verhandlung wurde folgender, als erwiesen angenommener, Sachverhalt festgestellt:

Der Berufungswerber U war gemeinsam mit seinem Kollegen S zum Tatzeitpunkt als Sicherheitsorgan in der Diskothek G, etabliert in H, tätig. Der Tätigkeitsbereich eines Sicherheitsorganes in dieser Diskothek definiert sich damit, für Ordnung zu sorgen, insbesondere Betrunkene und randalierende Gäste aus dem Lokal zu entfernen bzw. sie gar nicht ins Lokal einzulassen. Die beiden Sicherheitsorgane waren auch als Türsteher tätig, um dort bereits offensichtlich Betrunkenen den Einlass in die Diskothek zu verwehren. Unger und sein Kollege S trugen damals eine Uniform mit der klar erkenntlich war, welche Funktion sie ausübten. Beide trugen eine Dose Pfefferspray mit sich. Gegen Mitternacht kam es auf der Tanzfläche der Diskothek zu einem Raufhandel und schritten die beiden Sicherheitsorgane S und U insofern ein, als sie die Raufenden aus dem Lokal, teilweise unter Anwendung von Körperkraft, entfernten. In weiterer Folge verschaffte sich der Zeuge R, offenbar über den Notausgang, wiederum Zugang in die Diskothek und wurde abermals aus dem Lokal entfernt. Es kam dann im Eingangsbereich der Diskothek zu massiven Aggressionen von zumindest vier mehr oder weniger stark betrunkenen Personen, die vehement wieder Einlass in die Diskothek forderten. Die beiden Sicherheitsorgane, die dies verhindern wollten, wurden von diesen Personen mit Tritten und Schlägen massivst attackiert sowie wüst beschimpft. Nachdem die Situation immer mehr eskalierte und auf Grund der Übermacht der randalierenden Gäste die beiden Sicherheitsorgane eine Niederlage befürchten mussten, setzte schließlich der Berufungswerber U Pfefferspray ein und sprühte den Zeugen R damit ins Gesicht. Nach dieser Aktion kehrte abrupt Ruhe ein, R wurde ermöglicht, sich die Augen auszuwaschen und verließen sodann die randalierenden Personen den Parkplatz bzw. den Eingangsbereich vor der Diskothek. R und einige seiner Mitstreiter erstatteten einige Zeit später sodann Anzeige bei der Gendarmerie wegen Körperverletzung. Dieses Strafverfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 90 StPO zurückgelegt. Beweiswürdigung:

Für die Berufungsbehörde erschienen die Aussagen des Berufungswerbers und seines Kollegen S durchaus glaubwürdig und nachvollziehbar: Beide betroffenen Sicherheitsorgane schilderten ihre Tätigkeiten in der Diskothek als eine höchst herausfordernde, stehen sie doch im Spannungsfeld zwischen den wirtschaftlichem Interessen ihres Arbeitgebers und den berechtigten Sicherheitsinteressen der Besucher des Tanzlokales. Abgesehen davon, dass es immer wieder zu absichtlichen Provokationen des Sicherheitspersonales durch (meist betrunkene) Gäste kommt, ist vornherein es durchaus nicht unüblich, dass es praktisch jedes Wochenende zu Raufereien und Tätlichkeiten durch bzw. unter betrunkenen Gästen kommt. S und U schilderten die Vorfälle im Eingangsbereich der Diskothek als über das normale Ausmaß weit hinausgehende aggressive Handlungen der zuvor aus dem Lokal verwiesenen Personen. Obwohl die beiden Sicherheitsorgane auf die Berufungsbehörde nicht den Eindruck von leicht einzuschüchternden Personen vermittelten, erklärten sie beide, noch nie zuvor derartig massiven Aggressionen ausgesetzt gewesen zu sein. Die normalen Abwehrhandlungen der beiden Sicherheitsorgane fruchteten nach der Darstellung des Berufungswerbers nichts, sodass sie sich gezwungen sahen, um gröbere Körperverletzungen hintanzuhalten, den Pfefferspray einzusetzen. Dass dieses Mittel ein höchst effizientes sein kann, zeigte sich auch aus der Tatsache, dass danach die aggressiven Handlungen zu Ende waren. Die einvernommenen Zeugen versuchten vorerst, die Situation zu beschönigen bzw. zu verniedlichen und die beiden Sicherheitsorgane als Schuldige an der Eskalation zu denunzieren. Über genaues Nachfragen relativierten sodann die Zeugen R und S ihre seinerzeitigen Angaben vor der Gendarmerie insofern, als sie zugaben, sich über S und U auf Grund des Lokalverweises massivst geärgert zu haben, da in erster Linie der Lokalverweis als Strafe für unbotmäßiges Verhalten im Lokal empfunden wird. Die Zeugen räumten auch ein, durchaus betrunken gewesen zu sein, wobei sie auch hier zuerst das Ausmaß der Alkoholisierung zu bagatellisierten versuchten. Zusammenfassend stellt die Berufungsbehörde auf dem Standpunkt, dass die Aussagen der beiden Sicherheitsorgane S und U durchaus der Wahrheit entsprachen und zeichneten sie für die Berufungsbehörde ein glaubwürdiges und nachvollziehbares Bild der seinerzeitigen Situation. Dem gegenüber steht die - wie bereits erwähnt - verniedlichende Schilderung des Sachverhaltes durch die Zeugen, denen aber die Berufungsbehörde keinen Glauben schenkt.

Rechtliche Beurteilung:

Wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche

Ordnung

ungerechtfertigt stört, begeht gemäß § 81 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu ? 218,-- zu bestrafen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass einerseits das Tatbestandselement des besonders rücksichtslosen Verhaltens vorhandenrein muss, andererseits dieses Verhalten wiederum die öffentliche Ordnung stören muss. Mit öffentlicher Ordnung meint § 81 SPG die Ordnung an öffentlichen Orten. Wie die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und die Unabhängigen Verwaltungssenate oftmals entschieden haben, ist die Ordnung demnach an einem öffentlichen Ort gestört, wenn ein Zustand hergestellt worden ist, welcher der Ordnung widerspricht, wie sie an einem öffentlichen Ort gefordert werden muss, oder wenn ein Zustand geschaffen wird, der geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widerspricht. Jedenfalls muss durch das tatbildliche Verhalten entweder der Ablauf des äußeren Zusammenlebens von Menschen oder aber ein bestehender Zustand von Dingen in wahrnehmbarer Weise gestört worden sein. Darüber hinaus verlangt § 81 leg cit, dass das inkriminierte Verhalten als besonders rücksichtslos zu qualifizieren ist. Vorweg sei festgestellt, dass die Verwendung eines Pfeffersprays grundsätzlich durch Personen, die keine Exekutivbeamten sind - abgesehen von strafrechtlichen Implikationen - durchaus als Übertretung der verwaltungsstrafrechtlichen Bestimmung des § 81 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz anzusehen ist. Dass durch den Einsatz bzw die Verwendung von Pfefferspray die öffentliche Ordnung gestört ist, liegt auf der Hand, was alleine aus der Tatsache, dass die Wirkung eines solchen Mittels durchaus massiv sein kann, die besondere Rücksichtslosigkeit im Bezug auf die Folgen durchaus vorliegend erscheint. Aus der Bestimmung des § 6 VStG ergibt sich jedoch, dass eine Tat nicht strafbar ist, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist. Im konkreten Fall war dem Berufungswerber der Rechtfertigungsgrund der Notwehr zuzubilligen: Aus dem oben festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass der Berufungswerber und sein Kollege S durch das äußerst aggressive Verhalten der betrunkenen Gäste, die vehement den Wiedereintritt in das Tanzlokal forderten, unmittelbar bedroht waren. Der Einsatz des Pfeffersprays war im konkreten Fall jedenfalls durchaus vertretbar, um sich selbst zu schützen und gleichzeitig eine weitere Eskalation des Vorfalles zu vermeiden. In ein Handgemenge kann nämlich auch derjenige geraten, der sich gegen einen widerrechtlichen Angriff zur Wehr setzt. Hat dieser in Notwehr - so wie hier - gehandelt, so war sein Verhalten - auch der Einsatz von Pfefferspray im konkreten Fall - nicht geeignet, die Ordnung zu stören, weil Notwehrmaßnahmen von unbefangenen Menschen nicht als unerlaubt und schändlich empfunden werden (vgl hiezu VwGH vom 27.02.1995, 90/10/0049). Zusammenfassend stellt der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark fest, dass im konkreten Fall zwar das Tatbild des § 81 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz durch den Berufungswerber erfüllt war, er aber für sich den Rechtfertigungsgrund der Notwehr in Anspruch nehmen konnte und von da her der ansonsten verwaltungsstrafrechtlich strafbare Einsatz des Pfeffersprays legitim wurde. Der Vollständig halber sei festgehalten, dass der weitere Tatvorwurf, in eine Rauferei verwickelt gewesen zu sein vor dem Hintergrund des festgestellten Sachverhaltes als unrichtig erschien. Die beiden Sicherheitsorgane waren tatsächlich nicht in eine Rauferei verwickelt, sondern versuchten (lediglich) massive Aggressionen abzuwehren. Es sei überdies erwähnt, dass allein der Tatvorwurf in eine Rauferei verwickelt gewesen zu sein nicht von vornherein das Tatbild des § 81 SPG erfüllt, da nicht jede Rauferei in besonders rücksichtloser Weise die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.

Schlagworte
Ordnungsstörung besondere Rücksichtslosigkeit Notwehr Pfefferspray Türsteher Diskothek
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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