Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Monika Gasser-Steiner über die Berufung des Herrn R S, vertreten durch Dr. H K, Rechtsanwalt in D, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 10.2.2003, GZ.: 15.1 24/2002, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit dem bekämpften Strafbescheid wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 12.12.2001, um 14.20 Uhr, als Lenker des Kombi mit dem Kennzeichen in der Gemeinde G, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 52 km/h überschritten. Wegen Übertretung der Rechtsvorschrift der §§ 52 a Z 10 a iVm § 20 Abs 1 StVO verhängte die belangte Behörde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von ? 160,-- (3 Tage und 1 Stunde Ersatzfreiheitsstrafe). Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurde ihm der Betrag von ? 16,-- vorgeschrieben. Die belangte Behörde stützte das Straferkenntnis auf die Anzeige es Gendarmerieposten U vom 12.12.2001. Aus dem Anzeigeninhalt geht hervor, dass die schon näher bezeichnete Geschwindigkeitsbeschränkung auf der auf 70 km/h nur bei nasser Fahrbahn gelte. Eine entsprechende Zusatztafel sei am Straßenverkehrszeichen klar erkenntlich angebracht. Zum Messzeitpunkt 12.12.2001, um 14.20 Uhr habe Schneefall geherrscht und sei die Fahrbahn nass gewesen. Die Geschwindigkeit des vom Berufungswerber gelenkten Fahrzeuges sei von BI V mit einem Lasermessgerät mit 126 km/h gemessen worden. Nach Abzug der Messtoleranz habe der Berufungswerber die zum Messzeitpunkt am genannten Ort geltende Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 52 km/h überschritten. Dem Einwand des Berufungswerbers, zur Tatzeit hätten einzelne Schneeflocken von den nahe gelegenen Bergen herüber geweht und sei die Fahrbahn stellenweise nur etwas feucht, keinesfalls aber im Überholbereich nass gewesen, hielt die belangte Behörde die Aussagen der beiden Sicherheitswachebeamten BI V und RI L entgegen, wonach in diesem Straßenbereich die Überwachungsmaßnahmen nur bei entsprechender Wetterlage (Regen, Schneefall) und damit verbundener starker Nässebildung auf der Fahrbahn durchgeführt werden würden. Es bestünde kein Grund, an der Richtigkeit der Aussagen der Beamten zu zweifeln. In seiner rechtzeitig erhobenen Berufung knüpfte R S an seine Verantwortung im erstinstanzlichen Verfahren an. Am genannten Tag habe er seinen Personenkraftwagen der Marke Mercedes E 290 mit dem Kennzeichen im Gemeindegebiet G Richtung J gelenkt. Die höchstzulässige Geschwindigkeit habe 100 km/h betragen. Kurz vor der Anhaltung seien vor ihm ein Personenkraftwagen und ein Lastkraftwagen mit äußerst geringer Geschwindigkeit gefahren. Er habe beabsichtigt, die beiden Fahrzeuge zu überholen und habe seinen Personenkraftwagen etwas nach links versetzt, um Sicht nach vorne zu gewinnen. Als die Straße in seine Fahrtrichtung gesehen zweispurig geworden sei, habe er zum Überholen der beiden Fahrzeuge angesetzt. Nach dem Überholvorgang sei er von Sicherheitswachebeamten angehalten und darauf hingewiesen worden, dass im Überholbereich eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h bestünde. Diese Tafel habe er offensichtlich deshalb übersehen, weil sie durch den vor ihm fahrenden Lastkraftwagen verdeckt gewesen sei. Auf seine Frage, warum die Geschwindigkeitsbeschränkung bestehe, habe er zur Antwort bekommen, dass es sich hier um eine Stelle handle, an welcher es schon mehrfach zu Unfällen gekommen sei. Erst nach der Amtshandlung habe er festgestellt, dass das Straßenverkehrszeichen (Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h) mit einer Zusatztafel versehen ist, wonach diese Geschwindigkeitsbeschränkung nur bei nasser Fahrbahn zu beachten sei. Er habe sich noch erinnern können, dass die Fahrbahn zum Zeitpunkt der Anhaltung lediglich etwas feucht gewesen sei und habe er versucht, entsprechende Beweismittel dafür zu erlangen, nachdem sein Antrag auf Einholung einer Auskunft bei der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in W von der Behörde übergangen worden sei. Bei der Straßenmeisterei in K habe er die Mitteilung erhalten, dass die Fahrbahn am genannten Tag lediglich feucht gewesen sei. Ab 15.01 Uhr sei überhaupt kein Niederschlag mehr festgestellt worden. Der Berufungswerber beantragte die Einholung einer Auskunft über die Witterungsverhältnisse zum Tatzeitpunkt und in der Folge die Abänderung des Straferkenntnisses dahingehend, dass er lediglich eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 22 km/h zu verantworten habe. Die Strafe wolle entsprechend herabgesetzt werden. In der mündlichen Verhandlung vom 10. Feber 2004 wurde der Berufungswerber näher zu den Wetterverhältnissen am 12.12.2001 befragt. Er gab an, er sei an diesem Tag auf dem Weg von V (D) nach S J in der S gewesen. Vor dem Tauerntunnel habe es Schneefall gegeben und es war schwer voranzukommen. Ab M habe es dann aber keinen Niederschlag mehr gegeben. Es sei windig gewesen und habe es Schneeflocken von den Bergen heruntergeweht. Im Bereich der späteren Anhaltestelle bei G sei die Fahrbahn feucht und gesalzen, an den Rändern sogar trocken gewesen. Von der Fahrbahn her habe es kein Aufspritzen gegeben oder gar die Notwendigkeit, Scheibenwischer zu betätigen. In der Anhaltesituation sei auch nie die Rede davon gewesen, dass die 70 km/h Beschränkung nur bei nasser Fahrbahn gelte. Seine Angabe gegenüber den amtshandelnden Beamten, er habe die Beschränkung übersehen, habe sich nur auf den Vorhalt der Beamten bezogen, er habe eine 70 km/h-Beschränkung nicht eingehalten. Herr H und Herr M von der Straßenmeisterei K könnten seine Angaben (kein nennenswerter Niederschlag, feuchte Fahrbahn) bestätigten. Ihn hätte besonders betroffen gemacht, dass die Beamten ihn vor Ort nicht auf diese Zusatztafel hingewiesen hätten. Damit sei ihm die Möglichkeit genommen worden, unmittelbar vor Ort Beweise aufzunehmen (Lichtbilder) oder gemeinsam mit den Beamten die Fahrbahn näher in Beschau zu nehmen. Seiner Ansicht nach habe von der Fahrbahn her überhaupt keine Gefahr bestanden. Sein elektronisches Gerät im Fahrzeug habe eine Außentemperatur von plus 3 Grad gezeigt. Der Zeuge BI V konnte sich an die konkrete Messsituation nicht erinnern und daher aus der Erinnerung auch nicht mehr angeben, wie die Fahrbahn zum Messzeitpunkt beschaffen gewesen ist. Die 70 km/h-Beschränkung bei nasser Fahrbahn, Regen und Schneefall gelte - so der Beamte - jedenfalls bereits sei mehr als 10 Jahren. Ihre Aufgabenstellung sei es gewesen, den 70 km/h-Bereich rigoros zu überwachen, weil sich dem Messpunkt unmittelbar eine Fahrbahnkuppe mit einer zusätzlichen Linkskurve anschließe und sich dort immer wieder schwere Verkehrsunfälle ereignen würden. In diesem Bereich verjünge sich die auch wieder auf einen Fahrstreifen. Die Beamten würden an dieser Stelle nur dann Geschwindigkeitsmessungen durchführen, wenn schlechte Witterungsverhältnisse seien. Wenn sie von nasser Fahrbahn sprechen, dann sei die Fahrbahn mit einer Wasserschicht bedeckt. In diesem Bereich spiele allerdings nicht nur die nasse Fahrbahn, sondern auch der anschließende Fahrbahnverlauf im Hinblick auf die Verkehrssicherheit eine wichtige Rolle. Es könne durchaus sein, dass im Zuge der Amtshandlung die Zusatztafel nicht erwähnt worden sei, weil jeder Fahrzeuglenker ohnehin die kundgemachten Verkehrszeichen mit den Zusatztafeln zu sehen habe. Eine Anfrage bei der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Regionalstelle für die S, zu den Witterungsverhältnissen am 12.12.2001 in G ergab Nachstehendes:
Wetterlage am 12.12.2001: Ein Höhentief schickt aus Nord bis Nordwest feuchte Luftmassen in die S. Im Oberland ist es meist stark bewölkt bis bedeckt und tagsüber kommt es hier zu leichten Schneefällen. Zur Beurteilung der Witterungsverhältnisse in G wurden Daten der nächstgelegenen meteorologischen Station Z herangezogen. Am 12.12.2001 war es in Z den ganzen Tag über stark bewölkt. Um 1400 Uhr MEZ wurde eine Sichtweite von 3 km beobachtet. Die Temperaturen lagen zwischen -9,1 Grad C und +0,7 Grad C, um 1420 Uhr MEZ wurde ein Temperatur von -0,1 Grad C registriert. Der Niederschlagsgeber registrierte um 14.20 Uhr MEZ Niederschlag in Spuren (0,1 mm). Zwischen 0700 Uhr MEZ und 1900 Uhr MEZ fiel an der Station Z Niederschlag nur in Form von Spuren. Herr H von der Straßenmeisterei K bestätigte telefonisch, dass sich der Berufungswerber bei ihm hinsichtlich der Witterungs- und Straßenverhältnisse am 12.12.2001 erkundigt hat. Er habe damals im Computer nachgeschaut und habe er dem Berufungswerber mitgeteilt, dass die bei G an diesem Tag feucht gewesen sein soll. Eine nähere zeitliche Zuordnung habe er nicht getroffen und könne er darüber auch keine Aussagen machen. Sein Kollege M sei mit dieser Sache nicht befasst gewesen. Aus dem eingeholten Telefon- und Funkprotokoll der Straßenmeisterei J gehen zwei Eintragungen betreffend den 12.12.2001 hervor: Um 8.32 Uhr war im Bereich R - G, feucht angelegt, -3 Grad, kein Niederschlag, es wurde Salz gestreut. Für den Zeitpunkt 15.45 Uhr ist notiert, dass die B im Bereich J - F nass bis G war, die Fahrbahn leicht angelegt, gestreut, 0 Grad C, leichter Schneefall. Auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens werden folgende Feststellungen getroffen: Die dem Berufungswerber zur Last gelegte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h auf der B, Gemeinde G gilt nur bei nasser Fahrbahn. Zum Messzeitpunkt 12.12.2001, 14.20 Uhr hielt der Berufungswerber in diesem Streckenabschnitt im Zuge eines Überholvorganges eine Geschwindigkeit von 122 km/h ein. Die Fahrbahn der B war feucht, gesalzen und an den Rändern angetrocknet. Die Temperatur lag um 0 Grad C, es war windig und gab es so gut wie keinen Niederschlag. Diese Feststellungen gründen sich auf die durchwegs glaubwürdigen Aussagen des Berufungswerbers, die durch die eingeholte Auskunft der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik dem Grunde nach bestätigt werden. Auch wenn die Messstation Z einige Kilometer vom Messort entfernt liegt, so sind die dortigen Messungen doch für einen größeren Raum aussagekräftig. Für die Richtigkeit der Umschreibung der Witterungsverhältnisse in der Anzeige es herrschte Schneefall und die Fahrbahn war nass, haben sich keine konkreten Anhaltspunkte gefunden. Aus der Information der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik geht hervor, dass es zwischen 7.00 Uhr und 19.00 Uhr des 12.12.2001 so gut wie keinen Niederschlag gegeben hat. Die Auskunft Niederschlag in Spuren ist mit der Beschreibung des Berufungswerbers Herüberwehen von Schnee von den Bergen gut in Einklang zu bringen. Dass die Fahrbahn mit einer Wasserschicht bedeckt gewesen sei - dies sei laut Aussage des Zeugen BI V Voraussetzung dafür, dass die Beamten von einer nassen Fahrbahn sprechen würden, ist durch nichts belegt. Weder der eingeholte Wetterbericht - hier wird auf die obigen Ausführungen verwiesen - noch das Telefon- und Funkprotokoll der Straßenmeisterei J sprechen dafür. Letzteres enthält für den konkreten Tatzeitpunkt keine Aufzeichnungen. Die vorhandenen gehen im Ergebnis in Richtung der Verantwortung des Berufungswerbers, wonach es jedenfalls um 14.20 Uhr (noch) keine Gefahrenlage durch Nässe gegeben hat. Eine unmittelbare Dokumentation der Witterungsverhältnisse vor Ort im Rahmen der Anhaltung ist nicht erfolgt, von Berufungswerberseite her deshalb nicht, weil - und auch in diesem Punkt war seine Verantwortung in Verbindung mit der Zeugenaussage des AI V glaubwürdig - die Beamten überhaupt nicht thematisiert haben, dass die 70 km/h-Beschränkung gekoppelt ist mit dem Vorliegen besonderer Witterungsverhältnisse. Die Zusatztafel nach § 54 Abs 1 lit g StVO an einem Vorschriftszeichen nach § 52 a Ziff 10 a StVO weist darauf hin, dass die so kundgemachte höchstzulässige Geschwindigkeit nur bei nasser Fahrbahn zu beachten ist. Eine feuchte Fahrbahn, die an den Rädern antrocknet, aktiviert bei Temperaturen um 0 Grad C ohne nennenswerten Niederschlag noch nicht die Wirksamkeit einer 70 km/h- Geschwindigkeitsbeschränkung. Es war davon auszugehen, dass der Berufungswerber - ein absolut unbescholtener Verkehrsteilnehmer - die ihm angelastete Geschwindigkeitsüberschreitung nach § 20 Abs 1 StVO iVm § 52 a Z 10 a StVO nicht begangen hat. Es war der Strafbescheid zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Berufungswerber einzustellen. Die Umwandlung des Tatvorwurfes auf eine Geschwindigkeitsüberschreitung nach § 20 Abs 2 StVO - Nichteinhaltung der gesetzlichen Höchstgeschwindigkeit auf Freilandstraßen von 100 km/h - kam nicht in Betracht, weil die belangte Behörde keine entsprechende Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist von 6 Monaten gesetzt hat. Eine Auswechslung der Tat ist ohne entsprechende Verfolgungshandlung nicht zulässig. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.