TE UVS Steiermark 2004/02/23 30.7-79/2003

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Veröffentlicht am 23.02.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erik Hanel über die Berufung des A R, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 12.07.2002, GZ.: III/S-56/03, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird die Berufung gegen Punkt 1.) des Straferkenntnisses abgewiesen.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von ? 22,-- binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung gegen Punkt 2.) des Straferkenntnisses Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs Z 1 VStG eingestellt.

Dadurch reduziert sich der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens erster Instanz auf den Betrag von ? 11,--. Dieser ist ebenso binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.

Text

Mit dem Spruch dieses Bescheides näher bezeichneten Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er sei schuldig, Verwaltungsübertretungen nach

1.)

§ 9 Abs 2 StVO und

2.)

§ 19 Abs 7 iVm § 19Abs 4 StVO

begangen zu haben, weil er am 18.11.2002 um 09.55 Uhr in Graz 4, an der Kreuzung Eggenberger Straße - Asperngasse, als Lenker des LKW mit dem Kennzeichen einem Radfahrer, der sich auf einer Radfahrüberfahrt befunden habe, nicht das ungehinderte Überqueren der Fahrbahn ermöglicht hätte, wodurch es zu einem Verkehrsunfall mit Personenschaden gekommen sei (Punkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses) und als Wartepflichtiger durch Kreuzen oder Einbiegen auf der Kreuzung, vor der sich das Vorschriftszeichen "Vorrang geben" befunden habe, einem im Vorrang befindlichen Fahrzeug den Vorrang nicht gegeben und dieses dadurch zu unvermitteltem Abbremsen bzw zum Ablenken genötigt hätte, wodurch es zu einem Verkehrsunfall mit Personenschaden gekommen sei (Punkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses). Hierüber wurden über den Berufungswerber nach § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe im Ausmaß von ? 110,--, im Uneinbringlichkeitsfall 2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe (Punkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses), und eine Geldstrafe im Ausmaß von ? 150,--, im Uneinbringlichkeitsfall 3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe (Punkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses), verhängt. Gegen dieses Straferkenntnis erhob A R rechtzeitig mündlich Berufung, in der er angibt, dass er sich der Kreuzung im Schritttempo genähert hätte und seinen LKW auf dem "Zebrastreifen" angehalten habe, wobei die Front seines Fahrzeuges mit Sicherheit nicht in die Radfahrerüberfahrt hineingeragt hätte. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark ist bei seiner Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:

Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine ? 2.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Gemäß § 51e Abs 2 VStG ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben oder der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist, eine öffentliche, mündliche Verhandlung anzuberaumen, zu welcher die Parteien und eventuell Sachverständige und Zeugen zu laden sind. Diese hat am 30.09.2003 in Anwesenheit des Berufungswerbers stattgefunden, wobei als Zeuge F P einvernommen wurde.

Auf Grund des Ergebnisses des in dieser öffentlichen mündlichen Verhandlung abgeführten Beweisverfahrens geht die Berufungsbehörde von folgendem, als erwiesen angenommenen, Sachverhalt aus:

Der Berufungswerber A R befuhr mit seinem LKW mit dem amtlichen Kennzeichen in Graz 4, am 18.11.2002 um ca 09.55 Uhr die Asperngasse in südlicher Richtung und wollte an der Kreuzung mit der Eggenberger Straße in diese nach rechts einbiegen. Im Kreuzungsbereich mit der Eggenberger Straße sind ein Schutzweg, sowie eine Radfahrüberfahrt in Form einer Blockmarkierung abmarkiert, sowie das Vorschriftszeichen "Vorrang geben" und das Hinweiszeichen "Kennzeichnung einer Radfahrüberfahrt" deutlich sichtbar angebracht. Zur gleichen Zeit befuhr der Zeuge F P mit seinem Fahrrad den Radfahrstreifen der Eggenberger Straße aus Richtung Eggenberg kommend in Richtung Stadtmitte. Dieser Radfahrstreifen wird in beiden Fahrtrichtungen befahren und ist ebenso ein schmaler Fußgängerstreifen abmarkiert. Als der Radfahrer P die Radfahrüberfahrt über die Asperngasse benutzte, kam es zu einer - wenn auch leichten - Kollision mit dem LKW des Berufungswerbers im Bereich der Vorderfront seines Kraftfahrzeuges. Der Radfahrer R konnte knapp einen Sturz vermeiden, wurde aber durch den Anprall leicht verletzt. Da P dem Berufungswerber gegenüber über Schmerzen klagte, verständigte dieser die Polizei, die kurz danach erschien und den Unfall aufnahm, wobei mit dem Berufungswerber auch ein Alkotest durchgeführt wurde, der keinerlei Alkoholisierung ergab.

Beweiswürdigung: Nach Einvernahme der beiden damals betroffenen Verkehrsteilnehmer kam die Berufungsbehörde zum Schluss, dass der Darstellung des Geschehens durch den Radfahrer P durchaus Glauben zu schenken war. Der Zeuge vermittelte der Berufungsbehörde nicht den Eindruck, dass er den ihm im Übrigen völlig unbekannten Berufungswerber wahrheitswidrig belasten wollte und sich damit der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung wegen falscher Beweisaussage auszusetzen. Der Zeuge schilderte den relevanten Sachverhalt durchaus detailgetreu und überzeugend. Dem gegenüber steht die Schilderung des Geschehens durch den Berufungswerber, der versuchte, die Situation so darzustellen, dass ihm der Radfahrer P "ins Fahrzeug gefahren sei". Der Berufungsbehörde erscheint diese Verantwortung als unglaubwürdig und nicht im Einklang mit dem tatsächlichen Geschehen zu stehen. Der Berufungswerber spricht selbst davon, er habe geglaubt, der Radfahrer habe eine Ausweichbewegung gemacht und habe er ihn doch selbst gefragt, ob ihm etwas passiert sei. Rechtliche Beurteilung:

Durch die 19. StVO-Novelle BGBl 1994/518 wurde in § 9 Abs 2 StVO der Begriff der Radfahrerüberfahrt als wesentlichste Neuerung aufgenommen. Demnach hat sich der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, nun auch in gleicher Weise wie bei einem Schutzweg vor einer Radfahrerüberfahrt zu verhalten, um einen Radfahrer, der sich auf einer solchen Radfahrüberfahrt befindet oder diese erkennbar benützen will, das ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen.

Unstrittig blieb im vorliegenden Fall, dass es sich um eine ordnungsgemäß abmarkierte und durch Hinweiszeichen deutlich kennbar gemachte Radfahrüberfahrt im Sinne dieser Bestimmung handelt.

Wurde nämlich eine Radfahrüberfahrt markiert, kommt § 9 Abs 2 StVO zum Tragen, der zwar primär eine Verhaltensregel für die Fahrzeuglenker der querenden Fahrbahn darstellt, aus dem aber eindeutig der Vorrang der Radfahrer auf der Radfahrüberfahrt abzuleiten ist. Dieser Vorrang des Radfahrers ergibt sich auch aus der Judikatur zu § 9 Abs 2 StVO, die sich zwar auf die Verhaltensregel der Fahrzeuglenker vor Schutzwegen bezieht, die aber auf Grund ihrer Ähnlichkeit mit der Regelung für Radfahrüberfahrten analog auch für diese anzuwenden ist. Aus § 9 Abs 2 StVO kann somit eindeutig ein Vorrang des Radfahrers auf Radfahrüberfahrten abgeleitet werden. Der Berufungswerber wurde im Punkt 2.) des angefochtenen Straferkenntnisses zusätzlich zur der Übertretung des § 9 Abs 2 StVO gemäß § 19 Abs 7 iVm § 19 Abs 4 StVO bestraft. Dies erscheint jedoch schon aus der Systematik der StVO, wonach der Vorrang des Radfahrers auf der Radfahrüberfahrt nicht als allgemeine Vorrangregel im § 19 StVO aufgenommen wurde, sondern in § 9 Abs 2 in Anlehnung an den Schutzweg als spezielle Norm Eingang gefunden hat, nicht möglich. Aus dieser systematischen Stellung des § 9 Abs 2 StVO ergibt sich aber, dass dieser als lex specialis den generellen Vorrangregeln derogiert. Dass § 9 Abs 2 StVO gegenüber § 19 Abs 4 StVO die speziellere Norm darstellt, erkennt man einerseits aus den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, wo ausdrücklich angeführt wird, dass für Radfahrer die allgemeinen Fahrregeln und Verhaltensvorschriften zu gelten haben, sofern nicht auf Grund besonderer Verhältnisse artspezifische Ausnahmeregelungen für Radfahrer als erforderlich oder zweckmäßig erachtet werden, andererseits ist ersichtlich, dass sich § 9 Abs 2 StVO lediglich auf die Vorrangsituation auf Radfahrüberfahrten bezieht, § 19 Abs 4 StVO hingegen generell auf alle Kreuzungen anwendbar ist. Des Weiteren ist relevant, dass § 9 Abs 2 StVO die weitaus jüngere Norm ist und daher auch als lex posterior dem § 19 Abs 4 StVO als ältere Vorschrift vorgeht. Dies ist insbesondere von Bedeutung, da grundsätzlich im Verwaltungsstrafverfahren - anders als im gerichtlichen Strafverfahren - das sogenannte Kumulationsprinzip gilt. Das bedeutet, dass für jedes Delikt eine eigene Strafe, somit nebeneinander mehrere Strafen, zu verhängen sind. Hiebei macht es keinen Unterschied, ob der Täter durch verschiedene Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder - so wie hier - durch ein und dieselbe Tat mehrere verschiedene Delikte verwirklicht werden (Idealkonkurrenz). Von (unechter) Idealkonkurrenz spricht man dann, wenn der Täter zwar nur eine deliktische Handlung begangen hat, die jedoch Merkmale mehrerer Delikstypen aufweist, wobei aber mit der Unterstellung unter einem Deliktstypus der Unrechtsgehalt voll erfasst wird. Auf Grund der Spezialität des § 9 Abs 2 StVO in Bezug auf § 19 Abs 4 StVO verdrängt das spezielle Delikt des § 9 Abs 2 das allgemeine Delikt des § 19 Abs 4. Aus den vorgenannten Gründen war daher die dem Berufungswerber zusätzlich zur Last gelegte Verwaltungsübertretung des § 19 Abs 7 iVm § 19 Abs 4 StVO zur Einstellung zu bringen (vgl zu dem Vorgesagten ZVR 1999, 355, sowie Hauer- Leukauf, Verwaltungsverfahren5, Seite 865 ff). Zur Strafbemessung ist Folgendes auszuführen: Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Zweck der übertretenen Bestimmung des § 9 Abs 2 StVO ist es, Radfahrer das ungehinderte und ungefährliche Überqueren der Fahrbahn auf einer ungeregelten Radfahrüberfahrt zu ermöglichen. Den Radfahrern, die sich gemäß der für sie geltenden Bestimmungen der StVO rechtmäßig verhalten (kein plötzliches Befahren der Fahrbahn) und die sich schon auf der Radfahrüberfahrt befinden, kommt der Vorrang gegenüber den Fahrzeuglenkern zu. Diese haben die Verpflichtung, eine Annäherungsgeschwindigkeit einzuhalten, die es ihnen, falls erforderlich, mit Sicherheit erlaubt, noch vor der Radfahrüberfahrt ihr Fahrzeug anzuhalten. Neben den objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat kommt im ordentlichen Verfahren als Strafbemessungsgrundlage die Prüfung der subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat, somit auch die in der Person des Beschuldigten gelegenen Umstände, hinzu. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) daher die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Milderungs- und Erschwerungsgründe lagen keine vor. Die verhängte Strafe entspricht auch den festgestellten (durchschnittlichen) Einkommens- und Vermögensverhältnissen und erscheint geeignet, den Berufungswerber in Hinkunft von der Begehung gleichartiger Delikte abzuhalten.

Schlagworte
Radfahrer Radfahrüberfahrt Vorrang generelle Norm Spezialnorm
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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